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Live aus Washington D.C.


Anfang 2020 ging für mich ein Traum in Erfüllung: für ein paar Monate durfte ich als Journalistin in der US-amerikanischen Hauptstadt leben und mit Mikrofon und Kamera aus dem politischen Herzen der USA berichten.

Neben meinem Studium der Amerikanistik, Politik und Wirtschaft erhalte ich ein spezielles Journalismus-Stipendium, das mir eine studienbegleitende Ausbildung zur Journalistin ermöglicht. Dabei ist es wichtig, schon früh praktische Arbeitserfahrungen zu sammeln – zum Beispiel auch in Auslandsredaktionen deutscher Medien. Deshalb habe ich mich bereits 1,5 Jahre vor geplantem Praktikumsstart nach verschiedenen Korrespondentenstellen umgesehen und mich beworben. Schließlich erhielt ich die Zusage für ein zweimonatiges Praktikum im Auslandsstudio des ZDF in Washington D.C. Nach Abschluss meines Auslandsemesters an der Michigan State University im Dezember 2019 tauschte ich also ab Januar 2020 den Mittleren Westen gegen die Ostküste und das Studentenleben gegen einen Vollzeitjob.

Journalismus-Praktikum in D.C - Hier stehe ich vor dem Weißen Haus
Journalismus-Praktikum in D.C – Hier stehe ich vor dem Weißen Haus

Mein Alltag als Praktikantin

Das ZDF-Studio Washington beschäftigt über 30 Mitarbeiter – neben den drei Korrespondenten gibt es mehrere Producer, Cutter (also diejenigen Mitarbeiter, die für den Schnitt der TV-Beiträge verantwortlich sind), Kameramänner, Sekretärinnen und sogar einen persönlichen Fahrer. Damit zählt das Studio zu den größten Auslandsstudios weltweit, was sich auch im Umfang der Berichterstattung zeigt. Fast jeden Tag liefert die Washingtoner ZDF-Stelle Beiträge für das deutsche Fernsehen, denn das Studio ist für die komplette Berichterstattung aus den gesamten USA und Mittelamerika zuständig. Weil die USA für Deutschland von besonderer Relevanz sind, ist die Nachfrage nach Neuigkeiten aus den Staaten entsprechend groß.

Ich hatte außerdem das Glück, in einer sehr aufregenden Zeit im Studio zu hospitieren: das Wahljahr hatte gerade begonnen, die ersten Vorwahlen fanden statt, wichtige Reden wurden gehalten und noch dazu ging das Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Trump in die heiße Phase. Von mir als Praktikantin wurde vom ersten Tag an erwartet, mich voll einzubringen und da ich schon Vorerfahrung hatte, durfte ich eigenverantwortlich arbeiten.

Ein typischer Arbeitstag begann um 08:30 Uhr mit dem Sichten der Nachrichtenlage und einer anschließenden Morgenkonferenz. Im Anschluss widmete ich mich klassischen Journalistentätigkeiten: Hintergrundrecherche, Telefoninterviews, Teilnahme an Konferenzen und Planungssitzungen, und noch mehr Recherche. Nachmittags wurde ich häufig losgeschickt, um Fernsehinterviews durchzuführen oder O-Töne auf der Straße einzufangen, also Passanten kurze Fragen zu stellen.

Außerdem begleitete ich die Korrespondenten häufig auf Drehs, war bei Live-Schalten vor dem Weißen Haus dabei und durfte an Pressekonferenzen im Kapitol teilnehmen. Zwischen 17 und 18 Uhr endete mein Arbeitstag meistens – manchmal gab es allerdings auch so viel zu tun, dass ich (gerne) länger blieb. Außerdem übernahm ich ein paar Mal mit Kollegen die Nachtschicht und arbeitete zum Beispiel bis in die frühen Morgenstunden an einem TV-Beitrag über Trumps jährliche „Rede zur Lage der Nation“, damit der Bericht pünktlich in Deutschland gesendet werden konnte. Echte Routine gab es also nicht – jeden Tag passierte etwas Neues, mal berichteten wir über Weltpolitik und Naturkatastrophen, dann wieder über die Schicksale von amerikanischen Obdachlosen oder das Rattenproblem von D.C..

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In Washington passiert jeden Tag etwas – und wir vom Fernsehen waren ganz häufig hautnah mit dabei
leider nur in schwarz/weiß
Mein (befristeter) Presseausweis für den amerikanischen Senat

Knutschen mit Krokodil

Ich erhielt zweimal die Chance, eigene Beiträge zu produzieren. Das heißt, ich durfte die jeweiligen Themen alleine planen, drehen, mit dem Cutter schneiden, das Skript schreiben und sogar selbst vertonen, also den Beitrag sprechen. Hierzu erhielt ich vorab noch ein Mini-Sprechtraining von einer erfahrenen Journalistin des Studios. Neben einem Bericht über die neue und heftig umstrittene Gesundheitspolitik eines US-Großkonzerns wurde mir ein Beitrag über sogenannte Emotional Support Animals zugewiesen. Das sind (Wild-)Tiere, auf die ihre Besitzer – angeblich – emotional angewiesen sind und die deshalb von ihnen überall hin mitgenommen werden dürfen.

Das sorgt natürlich für viel Kritik – besonders wenn es sich bei diesem Emotional Support Animal um ein lebendiges Krokodil handelt. Das schrie beinahe nach einer fernsehtauglichen Story – und genau deswegen machte ich mich Ende Februar mit unserem Fahrer, einem Kameramann und einer Producerin auf den Weg nach Pennsylvania, um über einen Amerikaner und dessen als Emotional Support Animal registriertes Krokodil „Wally“ zu berichten. Einen Tag lang begleiteten wir das ungewöhnliche Paar beim gemeinsamen Spazierengehen, Einkaufen im Supermarkt und Kuscheln auf der Couch. Am Ende durfte auch ich dem Krokodil ganz nahe kommen – es kraulen, knuddeln und ihm sogar einen Knutscher aufs Maul geben. Unabhängig von der Frage, inwiefern es aus zum Beispiel Tierschutzgründen überhaupt vertretbar ist, ein Krokodil als Haustier zu halten und dann auch noch an einer Leine in die Öffentlichkeit mitzunehmen, war das ein kurioser Dreh und definitiv eines meiner Highlights während meines Journalismuspraktikums.

Kommentare
  1. Andreas

    24. September 2021

    Hallo Julia,
    weißt du ob internationale Studenten sich auch für das Praktikum in Washington bewerben können? Ich bin nämlich deutscher Staatsbürger aber studiere an der University of Missouri. Ich wundere mich auch wie umkämpft ein Praktikum beim ZDF in Washington ist.

    Freundliche Grüße,
    Andreas

  2. Tanja de Wall

    22. Juni 2021

    Hallo Julia,
    ich hätte großes Interesse daran, mein Glück mal zu versuchen und mich ebenfalls in Washington zu bewerben. Könntest du mir sagen, an welche E-Mail du geschrieben hast.
    Dankeschön im Voraus.
    Liebe Grüße
    Tanja

    1. Julia

      1. Juli 2021

      Liebe Tanja,
      freut mich, dass du dir ein Praktikum beim ZDF in D.C. ebenfalls gut vorstellen kannst – melde dich doch gerne nochmal per Privatnachricht bei mir auf Instagram @juliakanning.

      Liebe Grüße

      julia

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