25. Juni 2017
Der 9. Mai ist im post-sowjetischen Raum ein alljährlich gefeiertes Datum: Der Tag des Sieges. Auch in Kasachstan ist er ein landesweiter Feiertag, an dem die Unis geschlossen bleiben und ich frei hatte – Yay:))) So konnte ich nach dem DAAD-Deutschlehrertag ein wenig länger in Duschanbe bleiben und mir in der tadschikischen Hauptstadt die Siegestagsparade ansehen: live – mit Marschmusik und Ansprache des Präsidenten!
Eine beliebte Folgefrage in meinem alltäglichen Taxifahrer-Smalltalk, nachdem sie erfahren haben, dass ich aus Deutschland komme, lautet: „Was macht ihr eigentlich am 9. Mai?“ – „Nichts besonderes“ möchte ich antworten und am liebsten gleichzeitig alles vortragen, was ich sonst noch zum zweiten Weltkrieg, zu Faschismus und zu Krieg allgemein zu sagen habe. Meistens beschränke ich mich aber auf die unverfänglichen Informationen, dass wegen der Zeitverschiebung der Krieg in Deutschland am 8. Mai endete, dass die Leute zu diesem historischen Datum wie an jedem anderen Tag einfach arbeiten gehen und dass Militärparaden in Deutschland eher weniger beliebt sind. Um das Konzept „Tag der Befreiung“ zu erklären, ist meist die Taxifahrt zu kurz und was Befreiung auf Russisch heißt, müsste ich auch erstmal nachschlagen.
Doch in diesem Jahr war alles anders, denn ich war nicht in Deutschland und schon Wochen vor dem neunten Mai kündigten Аufkleber an Autos, Rabattaktionen in Geschäften und schwarz-orange-gestreifte Ansteckschleifchen den nahenden Feiertag an und steigerten meine Neugier. Da ich in Duschanbe war, beschloss ich mit einigen deutschen Bekannten die dortige Parade zu besuchen. Leider war die Informationslage, wann die Parade beginnt, sehr unklar und so standen wir am Morgen des Feiertags leicht verzweifelt vor dem von Polizei und Militär abgesperrten Eingang des Siegesparks und wurden nicht durchgelassen. Nach einigem Diskutieren – Wir sind extra AUS DEUTSCHLAND für die Parade hierher gekommen! / Nein, wir wussten nicht, dass ab 6.30 Uhr alles abgesperrt wird….. / Nein, wir können nicht einfach im nächsten Jahr vorbeikommen…. – wurde uns dann aber doch Einlass gewährt. Russisch lernen zahlt sich aus!
Aus circa 100 Metern Entfernung verfolgten wir dann gespannt die Parade. Von der Rede des Präsidenten verstand ich leider nichts, denn er sprach auf tadschikisch. Danach wurden einige Kränze niedergelegt, verschiedene Regimente marschierten zur Blasmusik des Militärorchesters auf und ab, und als eine Art Finale flogen drei Kampfjets in Formation über den Park. Abschließend legten Studierende andächtig rote Rosen am ewigen Feuer nieder. Das ganze Spektakel war, wie ich später verstand, nur für geladene Gäste bestimmt. Eine Drohne und mehrere Kamerateams zeichneten alles auf, damit der Rest der Welt es sich später im Fernsehen ansehen konnte. Für „spontane“ Besucher_innen wie uns waren keine Sitzplätze vorgesehen und es gab nur eine handvoll anderer Menschen, die sich vom Rand des Platzes live die Parade anschauten.
Nachdem der Präsident den Veranstaltungsort sicher verlassen hatte, lockerte sich die Atmosphäre: Mehr Leute strömten in den Park, die verbliebenen Soldaten setzten freundlichere Gesichter für Erinnerungsfotos auf, Kinder rannten plötzlich herum und es stellte sich eine entspannte Volksfeststimmung ein. Wenig später begann das unsterbliche Regiment, eine weitere Parade, aber von der Zivilbevölkerung initiiert, bei der Leute mit Porträts ihrer im Krieg gestorbenen Angehörigen zum ewigen Feuer zogen, und dort neben Veteranen, Sowjetflaggen und den niedergelegten Blumenkränzen posierten, um so ihre verstorbenen Angehörigen zu ehren.
Müde von der Hitze, leicht verwirrt von all den neuen Eindrücken und zufrieden, es bis in Sichtweite der Parade geschafft zu haben, ging ich am frühen Nachmittag nach Hause. Um den 9. Mai gebührend ausklingen zu lassen, schaute ich mir noch die Siegestagsparade auf dem roten Platz in Moskau an. Hier konnte ich wenigstens die Rede ansatzweise verstehen. Ich denke im nächsten Jahr werde ich am 9. Mai wieder einfach arbeiten gehen.