6. Juli 2019
Ich dachte, dass Prüfungen in jedem EU-Land relativ ähnlich ablaufen. Durch den Bologna-Prozess soll ja alles vereinheitlicht werden. Doch weit gefehlt. So hätte ich nie gedacht, dass ich mal die deutsche Klausurphase vermissen würde.
Die Klausuren des Sommersemesters an der Universität Palermo finden von Mitte Juni bis Mitte Juli statt. Für jede Prüfung muss man sich, wie in Deutschland, anmelden. Allerdings gibt es hier drei verschiedene Termine, aus denen man sich einen aussuchen kann. Das finde ich besser als in Deutschland, wo es nur einen vorgegebenen Termin gibt. Bevor man sich für Klausuren anmelden kann, muss man sich jedoch in den Kurs online einschreiben. Ich dachte, das wäre ich automatisch. Falsch gedacht. Nach einigen Nachfragen wurde mir aber gezeigt, wie es geht und ich konnte mich ganz komfortabel über die offizielle App der Universität für meine drei Prüfungen anmelden.
Prüfung Nummer 1: Chaos
Der erste Blick aufs Handy am Morgen der Klausur begann mit einer schlechten Nachricht: Eine Kommilitonin ließ mich wissen, dass es aus Respekt vorgeschrieben sei, in langer Hose zu Prüfungen zu erscheinen. Bei 30 Grad. Nass geschwitzt kam ich also in der Uni an. Dann der nächste Schock: Der Raum, wo die mündliche Prüfung zum Seminar Conflict of Laws stattfinden sollte, war ein riesiger Hörsaal, der voller Menschen war. Vorne am Pult saßen drei Dozenten, die nacheinander die zu prüfenden Studierenden zu sich riefen. Das hieß also, die Prüfung fand in einer Umgebung statt, die das Denken nicht gerade förderte. Vor einem saß der Prüfer, hinter einem viele Studierende, die sich nicht gerade leise unterhielten.
Als unsere Dozentin uns sah, kam sie jedoch zu uns und ließ uns in der letzten Reihe Platz nehmen, wo sie uns kurz abfragte. So lief wenigstens links und rechts neben uns keine Prüfung parallel ab. Zwar war die Prüfung nur Formsache, da ein Referat den Großteil der Leistung ausmachte, es war aber trotzdem eine ungewohnte Situation. Danach sollten wir noch kurz warten, um unsere Note zu bestätigen. Das lief so ab, dass wir, nachdem die Dozentin die Prüfung ins Online-System eingegeben hatte, unser Passwort eingeben mussten. Theoretisch könnte man so die Eingabe verweigern und die Bewertung anfechten bzw. zu einem anderen Termin die Prüfung wiederholen, wenn man eine bessere Note haben möchte. Da ich jedoch in jeder Prüfung volle Punktzahl hatte, habe ich davon nicht Gebrauch gemacht.
2. Prüfung: Noch mehr Chaos
10 Uhr Prüfung. Wieder mit langer Hose im nicht-klimatisierten Gang warten, da die Prüfung im Seminar World History im Büro der Dozentin stattfinden sollte. Leider kam die Dozentin erst um 10:30 Uhr. Unvorstellbar in Deutschland. Doch damit ging das Chaos noch weiter. Nicht nur, dass die Dozentin sich ihr Büro mit drei weiteren Dozenten teilte, die zeitgleich mündliche Prüfungen abhielten. Oder dass die Tür zu den Büros die ganze Zeit aufblieb und daher die Gespräche der Studierenden auf dem Gang deutlich hörbar waren. Meine Prüfung war schriftlich, andere aus dem Kurs hatten eine mündliche. Also liefen beide einfach parallel ab. Am selben Tisch. Das heißt, ich saß an der einen Seite des Tischs und neben mir wurden Kommilitonen mündlich geprüft, und zwar zum selben Thema. Theoretisch hätte ich also gar nicht lernen müssen. Allerdings waren die mündlichen Prüfungen mit italienischen Studierenden auf Italienisch, obwohl der Kurs explizit auf Englisch ausgeschrieben war. Aufgrund meiner bescheidenen Italienisch-Kenntnisse war es daher besser, dass ich gelernt habe. Mit Erfolg, in dieser Prüfung habe ich sogar ein Sonderlob bekommen.
3. Prüfung: Deutsche Verhältnisse
Nach dem oben beschriebenen Schock-Erlebnissen war die dritte und letzte Prüfung in der Vorlesung International Economics and European History sehr ähnlich wie in Deutschland. Es ging pünktlich los und es war ruhig, da alle Studierenden eine Klausur schrieben. Und trotzdem fanden auch hier mehrere Prüfungen zeitgleich statt, da der Dozent verschiedene Klausuren ausgab, auf Englisch und Italienisch. Auch die Anweisungen des Professors waren zuerst auf Italienisch, was mich etwas ratlos zurückließ. Daher habe ich wohl auch überhört, dass es ein paar Tage später einen zweiten Termin gab, wo man seine Note wie oben beschrieben durch das persönliche Passwort bestätigen muss. Leider hatte ich dafür schon einen Trip nach Marsala geplant, den ich daher um einige Stunden verschieben musste.
Fazit
Die Abläufe an italienischen Universitäten sind sehr unterschiedlich. Man braucht einige Eingewöhnungszeit und trotzdem war ich vom Chaos immer wieder aufs Neue überrascht. Da ich jedoch in allen Klausuren die volle Punktzahl bekommen habe (obwohl sich das Lernen ehrlich gesagt in Grenzen gehalten hat) und diese mit mehr Kreditpunkten als in Deutschland belohnt werden kann ich nur dazu raten, ein Auslandssemester in Italien zu absolvieren.