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Allein unter Spartanern


Wenn in Deutschland ein neues Uni-Semester beginnt, geschieht das meistens leise und unauffällig. In den USA ist das ganz anders: hier wird dem Semesterstart eine mehrtägige Willkommensparty gewidmet. Wie ich diese als deutsche Gaststudentin erlebt habe und warum ich dabei Freundschaft mit spartanischen Kriegern geschlossen habe, lest ihr hier.

Als ich vor genau fünf Tagen in Detroit aus dem Flieger stieg, war ich der festen Überzeugung, ich wisse worauf ich mich eingelassen hatte bei meinem Plan, ein Auslandssemester an der Michigan State University zu verbringen. Ich hatte mit älteren Kommilitonen über ihre Erfahrungen an US-Universitäten gesprochen, hatte Bücher zum Thema gelesen und jede Menge Filme über das amerikanische Collegeleben geschaut. Darin wurden besonders die ersten Tage des neuen Semesters – noch bevor die eigentlichen Kurse beginnen – nahezu schillernd dargestellt: herumlaufende Maskottchen, aus roten Pappbechern trinkenden Studenten und in den Uni-farben dekorierte Gebäude. Ein Mix aus diesen Bildern schwebte also durch meinen Kopf während ich den Flughafen verließ, in einen Überlandbusstieg und schließlich auf dem Campus der Michigan State University (MSU) ankam. Meine Vorstellung davon, wie die ersten Tage an der MSU sein würden überdauerte genau bis zu dem Moment, in dem ich den Bus verließ – meine vagen Ideen wurden zur Realität und meine Erwartung sogar noch übertroffen.

Offiziell Studentin an der MSU
Offiziell Studentin an der MSU

Spartanische Begrüßung an der MSU

Die Überschwänglichkeit, mit der die amerikanischen Universitäten in Filmen und Romanen das neue Semester und ihre Studenten begrüßen, ist keineswegs übertrieben oder unrealistisch. Zumindest an der MSU wird der Unistart in ein einziges großes Fest verwandelt. Fünf Tage lang feiern 50.000 Studenten, ihre Professoren, Eltern und Freunde eine Welcome-Back-Party – und das auf spartanische Art und Weise. Denn die Michigan State University ist das Zuhause der „Spartans“, wörtlich übersetzt also der Spartaner. Damit sind natürlich nicht die berühmt-berüchigten Krieger aus der Antike gemeint, sondern die Studenten, Mitarbeiter und Alumni der MSU, die sich selbst seit vielen Jahrzehnten als „Spartans“ bezeichnen und als solche weit über die Grenzen Michigans bekannt sind.

Fast jede amerikanische Uni verfügt über ein Maskottchen (oft sind das Bären, Tiger oder andere Tiere), nach denen dann eben auch alle, die irgendeine Verbindung zu der Uni haben, benannt werden. Und das Maskottchen der MSU ist eben Sparty ,ein – im übrigen sehr freundlicher – Spartaner, der bereits mehrmals zum beliebtesten/besten Maskottchen Amerikas gewählt wurde. Sparty begegnet mir hier an der MSU überall: entweder als überlebensgroße Gummipuppe in jedem einzelnen Gebäude (ja, Amerikaner scheinen manchmal wirklich genau so verrückt zu sein, wie wir uns das in Deutschland oft vorstellen), als high-five gebendes Maskottchen auf dem Campus oder als aufgedrucktes Bildchen auf Türen, Fenstern, Kappen, Shirts und Sweatshirts. Letztere tragen die Spartans – also die Studenten, Mitarbeiter usw. der Uni. Und das täglich (zumindest während der ersten Tage, bevor die Uni startet). Wie jedes echte Kämpfervolk haben natürlich auch die MSU-Spartans ihren Schlachtruf, der überall auf dem Campus zu hören ist. Mal wird er offiziell durch Megafone durchgerufen, mal wird er nur als Gruß zugerufen. In jedem Fall lautet er immer: „Spartans: Go Green! Go White!“ Was am Anfang befremdlich wirkte, erscheint mir jetzt nach fünf Tagen schon beinahe normal und ich habe fest eingeplant mir in den kommenden Tagen ebenfalls eine „Spartan-Rüstung“ (in Form eines MSU-Pullis) zuzulegen.

Festivals, Free Gifts und Feuerwerk

Auch der Campus wird zum Semesterstart herausgeputzt. In den (unglaublich vielen) Bäumen hängen Girlanden und Lampions in Grün und Weiß, den Farben der Universität. In denselben Farben werden Gebäude angestrahlt, Bänke besprüht, Gehwege bemalt und Luftballons aufgehängt. Flyer werden verteilt, alle paar Meter klebt ein Plakat, auf Facebook springen stündlich Benachrichtigungen zu Veranstaltungen auf – jeden Tag (und jede Nacht) ist von morgens bis abends für so viel Programm gesorgt, dass es unmöglich ist, an jedem Event teilzunehmen.

Ich jedenfalls war zunächst ziemlich überfordert und war daher mehr als erleichtert, dass für internationale (Gast)studenten wie mich zumindest ein grobes Orientierungsprogramm angeboten wurde. Das war umso besser, weil ich hierbei direkt ein paar neue Freunde finden konnte: Kathryn, Sam, Stefanie, Lana (aus Australien), Xin (aus China) und Laura (auch aus Deutschland). Gemeinsam versuchten wir uns in den vergangenen Tagen durch die überwältigende Masse an Angeboten zu wühlen und uns auf dem riesigen Campus zurechtzufinden. Wir nahmen an einer geführten Tour teil, staunten gemeinsam über die riesigen Dining-Halls, schlitterten abends während der Eisdisco durch die universitätseigene Eissporthalle, gingen zu Spieleabenden, lernten dabei direkt ein paar amerikanische Studenten kennen und wurden auf unsere ersten Wir-feiern-das-neue-Semester-Partys in amerikanischen WGs eingeladen.

Gemeinsam mit meiner Zimmernachbarin und zwei Amerikanerinnen aus meinem Wohnheimsflur bin ich außerdem zu einer Art Party für Erstsemester gegangen – Liveband und Special Acts wie Wahrsagern, bei denen man sich kostenlos die Karten legen lassen konnte, inklusive. Und während ich also von Party zu Informationsveranstaltung zu Nachbarschaftsgrillen zu Freiluftkino zu Kennlern-Events hetzte, wurde ich immer wieder überschüttet mit Free Gifts, Geschenken also. Alle paar Meter waren Stände aufgebaut und an jeder Ecke drückte man mir prallgefüllte Tüten in die Hand. Darin: Dekoartikel (natürlich in grün und weiß), Wasserflaschen (natürlich in grün und weiß), Zahnbürsten, Sportbeutel, Kissen, T-shirts, Sportartikel oder Schreibwaren (natürlich in – ihr ahnt es – grün und weiß). Dazu gab es gratis Äpfel, Popcorn, Chips, Schokolade, Softdrinks oder Gutscheine für den Starbucks auf dem Campus oder die Eismanufaktur der Universität. Und ja, ihr habt richtig gelesen, die Universität besitzt eine Eismanufaktur. Allein das versinnbildlicht für mich die Dimension, in der sich die Uni bewegt und mit der sie das neue Semester willkommen heißt.

Willkommen im Club

Den krönenden Abschluss bildete die traditionelle Messe, auf der sich alle Clubs und Studentenorganisationen vorstellen. Auch das ähnelte eher einem Festival: die über 900 (!) Clubs hatten jeweils einen bunt dekorierten Stand auf einer riesigen Wiese aufgebaut, Studenten standen auf Tischen und versuchten durch Megafone neue Mitglieder anzuwerben. Für mich als deutsche Studentin war es unglaublich, über die Messe zu schlendern und zu sehen, wie viele verschiedene Clubs angeboten werden. Von Tanzteams und Laufclubs über Musicalgruppen und Acapella-Bands bis hin zum „Club der Kaffeeliebhaber“ oder einer Gruppe, die sich für den Schutz der Tiere (speziell der Eichhörnchen auf dem Campus einsetzt) ist wirklich jedes Interesse vertreten. Die Vorstellung der Clubs wurde untermalt von Blasmusik der Marching Band, unterbrochen von Showeinlagen der Cheerleader und begleitet von einem großen Picknick. Gemeinsam mit meiner Mitbewohnerin und ein paar anderen Freunden verbrachte ich den Nachmittag also bei tief stehender Sonne und Sommerluft auf der Wiese. Am Himmel fand ein spektakuläres Feuerwerk statt: zunächst bunt und golden, schließlich weiß und grün. Dazu gab es Hotdogs, Cookies und Cola und ich dachte: „Wenn Amerika nach irgendetwas schmeckt, dann vermutlich so!“

 

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