28. August 2019
Habt ihr schon mal Auge in Auge mit einem Krokodil euer Mittagessen verzehrt? Am Wochenende hatte ich die Gelegenheit dazu.
Durch eine glückliche Fügung konnte ich am vergangenen Wochenende den größten Nationalpark des Landes besuchen. Da Safaris in Uganda sehr teuer sind, stand dies eigentlich nicht auf meinem Programm. Dank meiner Chefin konnte ich allerdings einen leer gebliebenen Platz eines befreundeten Organisators für verhältnismäßig wenig Geld besetzen. Wie ich mittlerweile erfahren habe, gibt es auch Anbieter, die sich auf budgetfreundliche Ausflüge spezialisiert haben. Dorthin lohnt sich der Blick, falls eine Safari ebenfalls auf eurer Liste steht.
Zusammen mit einer Gruppe von ugandischen Freundinnen auf Mädelswochenende, einer Mutter mit Kind, unserem Fahrer und unserem Guide machten wir uns auf den Weg Richtung Kongo. Der Nationalpark grenzt nämlich über den Lake Albert direkt an das Touristenziel. Aus diesem Grund gab es eine Reihe von Polizeikontrollen und eine militärische Präsenz in der Grenzregion. Trotzdem gilt der Park an sich derzeit als sicher für touristische Besuche.
Mir verschlägt selten etwas den Atem, aber Ugandas Natur hat es gleich mehrfach geschafft. Wenn man durch die weiten Steppenlandschaften fährt und sich eine Giraffenfamilie filmreif vor dem Sonnenaufgang positioniert, dann muss man sich mehr als einmal zwicken, um zu überprüfen, ob man nicht in einem sehr kitschigen Film gelandet ist. Und wenn dann noch ganz gemächlich ein Löwe neben der Straße durchs Dickicht pirscht, dann ist man sich endgültig sicher, eine andere Welt besuchen zu dürfen. Egal, ob ihr euch für große Tiere oder einen bestimmten Vogeltyp interessiert: Im Nationalpark werdet ihr fündig. Neben 76 verschiedenen Säugetierarten findet man vor Ort auch über 450 Vogelarten. Aber auch abseits von den Bewohnern bringt einen die Natur zum Staunen. Beim namensgebenden Murchison-Wasserfall kann man etwa beobachten, wie pro Sekunde etwa 300.000 Liter Wasser in die Tiefe stürzen.
Ein Highway durch den Park?
Wir fuhren gerade an einer Gruppe von Elefanten vorbei, da kamen uns die wohl fremdesten Fahrzeuge im Park entgegen: mehrere Bagger, LKWs und eine Planierwalze. Man hat vor einiger Zeit große Ölfelder im Nationalpark entdeckt. Da die Probebohrungen vielversprechend waren, möchte man das Öl nun in großem Stil fördern. Für den Transport des schwarzen Goldes wird ein Highway quer durch den Park gebaut. Die Meinungen darüber, inwieweit die Natur davon beeinträchtigt werden wird, gehen weit auseinander. Weil man aber Hoffnungen auf eine bessere Staatsfinanzierung mit der Förderung verbindet, hat man sich trotzdem für eine Fortführung des Projekts entschieden.
Zudem wurde vor wenigen Wochen bekannt, dass es Pläne dafür gibt, einen Staudamm vor den Wasserfällen im Park anzulegen. Dies stieß auf heftige Proteste bei Teilen der Bevölkerung und den Tourismusverbänden und es bleibt abzuwarten, inwieweit sich die Lage dort entwickeln wird.
Ich als westliche Touristin
Ich muss zugeben, dass ich mich über die Ölförderungen sehr geärgert habe. Als ich mit meinen ugandischen Mitreisenden dazu ausgetauscht habe, haben sie mich aber noch auf etwas anderes aufmerksam gemacht: der Großteil der Touristen, denen wir begegnet sind, kam aus dem Westen und hat westliche Maßstäbe an den Sachverhalt angelegt. Wenn ich mich also daran störe, dass Teile des Nationalparks gerodet werden, dann tue ich das aus einer sehr privilegierten Perspektive heraus. Ich habe die Möglichkeit, tausende Kilometer von zuhause entfernt eine Tour wahrzunehmen, die sich Teile der lokalen Bevölkerung gar nicht leisten können. Möglicherweise ginge es diesen Menschen aber durch die Arbeitsplätze, die gerade durch die Förderungen entständen, aber besser, erklärte mir eine Mitreisende. Auch wenn mir die Rodungen weiterhin verurteilenswert erscheinen, könne ich also nicht davon ausgehen, den politischen Diskurs darum in der Kürze der Zeit in seiner Vollständigkeit greifen zu können.
Dieser Anstoß hat mich einmal mehr dazu gebracht, über meine europäischen Bewertungsmaßstäbe nachzudenken. Ich lerne in Uganda jeden Tag mehr darüber, auf welchen Grundsätzen mein eigenes Denken und Handeln beruht und bin sehr dankbar darüber, durch den Austausch eine Möglichkeit zur Reflexion zu haben – auch im Nationalpark.
Jules
29. August 2019
Vielen Dank für den Anstoß zum Thema Perspektive! Man darf einfach nicht vergessen, dass unsere Diskussionen um Ökostrom, Zero Waste, Vegane Ernährung und Second Hand Shopping zwar für uns sinnvoll und wichtig sind, aber nicht überall auf der Welt im gleichen Umfang Priorität haben. Auch wenn es ein guter und nachvollziehbarer Gedanke ist, ob der Ölfund dem Park und der Natur schadet, kann es sich eben nicht die ganze Welt leisten als lebender Safari Park für uns und unsere Reisen zu existieren. Auch wenn es schön wäre und ich es vielen Ländern von Herzen wünschen würde, dass sie nicht in die selbe Schleife aus fossilen Brennstoffen, Umweltschäden und Klimabelastung geraten, ist die Realität leider ein bisschen komplexer und unbequemer. Ich finde es wirklich toll, dass du dich diesen Fragen so ehrlich stellst!