21. Januar 2020
Viele haben unzählige Klischees im Kopf, wenn sie an die USA denken – und nur selten eine Vorstellung davon, wie es wirklich ist, dort ein Auslandssemester zu verbringen. Ich habe hier die häufigsten Fragen gesammelt – und beantworte sie natürlich.
Warum eigentlich ausgerechnet nach Amerika?
Diese Frage wird wahlweise von besonders abenteuerlustigen Kommilitonen gestellt, die ihr Auslandssemester in Kasachstan oder Kuala Lumpur verbringen oder aber von bestimmten Mitgliedern der Verwandtschaft, die bei Amerika nur an fettiges Essen („und so willst du dich ein halbes Jahr lang ernähren?!“) und fanatische Politiker („Zur Zeit würde ich da ja nicht hinwollen!“) denken. Und ja, es stimmt, es mag exotischere Ziele als die USA geben und das Land verliert in den letzten Jahren tatsächlich an Beliebtheit, auch wegen Trump und des politischen Klimas. Aber: die USA sind trotz – oder gerade wegen – dieser Zeiten so faszinierend wie nie zuvor. Kaum ein anderes Land ist landschaftlich so vielfältig wie die USA – von schneebedeckten Bergen in Colorado über tropische Strände auf Hawaii bis hin zu bizarren Wüstenlandschaften in Arizona und kristallklaren Seen in Michigan findet man hier alles. Kaum ein anderes Land ist so multikulti. In den USA gibt es außerdem hippes Großstadtleben und traditionelle Cowboyranches genauso wie regionalen Footballhype und große Feste mit Einflüssen aus verschiedensten Nationen und Religionen. Kaum ein anderes Land ist geschichtlich, politisch und wirtschaftlich so stark mit Deutschland verknüpft. Kaum ein anderes Land verfügt über so viele exzellente Universitäten und ein so ausgeprägtes College-Leben. Und kaum ein anderes Land ist so sehr im Wandel und erfindet sich gerade so sehr neu wie die USA. Genau das macht die USA so spannend, so interessant – gerade jetzt! Um Amerika aber richtig zu verstehen, um Amerika richtig zu erkunden, muss man in Amerika mit Amerikanern leben. Und das geht nun mal am besten während eines Auslandssemesters.
Sind amerikanische Unis nicht irre teuer?
Im Vergleich zu Deutschland: ja. Amerikanische Unis kosten jede Menge Geld. Das Leben auf dem Campus auch. Und Feiern und Reisen möchte man ja auch. Für ein Semester sollte man zwischen 10.000 und 25.000 Euro einplanen. Das ist viel. Aber: viele deutsche Hochschulen haben tolle Partnerunis in den USA, an denen die Studienkosten dann entfallen. Und auch, wenn man – so wie ich – als Freemover an ein amerikanisches College möchte, gibt es viel mehr Finanzierungsmöglichkeiten als viele wissen. Es stehen eine Vielzahl von Stipendien zur Verfügung und es gibt die Möglichkeit, Reisekostenzuschüsse oder Ausland-BaföG zu beantragen. Außerdem darf man als deutscher Student in den USA mit dem richtigen Visum bis zu 20 Stunden die Woche arbeiten. Wenn man diese Möglichkeiten kombiniert, wird das Auslandssemester Amerika zwar immer noch kein billiges, aber immerhin ein bezahlbares Vergnügen.
Bleibt genügend Zeit zum Reisen?
Ganz klar: ja! Der Workload an US-Colleges ist zwar höher als an deutschen Unis und besonders die beiden großen Prüfungsphasen im Semester eignen sich vielleicht nicht unbedingt zum Reisen, aber an (langen) Wochenenden bleibt genug Zeit, um das Land zu erkunden. In der Orientierungswoche lernt man meistens schnell viele andere internationale Studenten kennen, die ebenfalls reisehungrig und auf der Suche nach Mitreisenden sind. Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele Amerikaner Fremden gerne ihre Heimat zeigen und dich gerne übers Wochenende zu sich nach Hause oder zu einer Spritztour durch die Gegend einladen. Extratipp: schau mal, ob das International Center günstige Reisen für Austauschstudenten anbietet oder tritt einem Outdoor-Club wie dem an meiner Uni bei. So einen Verein gibt es an fast jeder größeren Uni in Amerika und er eignet sich perfekt, um einerseits viele reisefreudigen Kommilitonen kennenzulernen und andererseits extrem günstige Trips machen zu können (so habe für ein langes Wochenende in Kanada insgesamt nur 50 Dollar gezahlt). Ich war während meines Semesters in den USA zum Beispiel Zelten in Indiana, Campen am Lake Michigan und Surfen in Kalifornien. Ich habe einen Städtetrip nach Chicago gemacht, einen zweiten nach Los Angeles und einen Roadtrip nach Kanada, und ich war in unzähligen Nationalparks und Städten in Michigan, Illinois und Ohio.
Ist das Auslandssemester wirklich so cool, wie es auf Instagram aussieht?
Nein, nicht immer. Denn klar: auf Instagram neigt man dazu, nur die absoluten Highlights festzuhalten. Die tollsten Reisen, die schönsten Orte auf dem Campus, die coolsten Partys. Aber natürlich gibt es Hochs und Tiefs. Vielleicht sogar mehr oder intensiver empfundene Tiefs als zu Hause. Besonders nach den ersten Wochen verfliegt oft die Anfangseuphorie, der Alltag setzt ein. Und damit häufig auch: Heimweh (bei mir zum Glück wirklich kaum). Das Gefühl, fremd zu sein. Eine verhauene Klausur. Immer mehr Dinge, die anfangs neu und aufregend und mittlerweile nur noch nervig erscheinen. Die ständige Freundlichkeit der Amerikaner beispielsweise. Oder der obligatorische Smalltalk an der Supermarktkasse. Oder die gigantische Essensverschwendung in Amerika, der enorme Plastikverbrauch oder schlicht die Tatsache, dass es kein sprudelndes Wasser und kein Vollkornbrot gibt – und niemand, wirklich niemand, deine Sehnsucht danach versteht. Aber: das gehört dazu – und geht mit ein wenig Ablenkung ganz von selbst wieder vorbei. Und ganz ehrlich, so weiß man dann auch die vielen, vielen schönen Dinge im Auslandssemester erst so richtig zu schätzen.
Ist das Collegeleben so wie in den Filmen?
Ja!!! Mit drei Ausrufezeichen. Wenn du in Amerika studierst, wirst du am Samstagvormittag mit 80.000 Kommilitonen im Unistadion deine Footballmanschaft anfeuern (selbst, wenn du Football nicht magst). Du wirst auf ausufernden Fraternity-Partys aus roten Plastikbechern billiges Bier trinken und mit jedem Schluck tiefer in das „Greek Life“ (der Zusammenschluss der amerikanischen Studentenverbindungen) eintauchen. Du wirst nachts im Sommer am Lagerfeuer sitzen, „Smores“ – also Marshmallows zusammen mit Schokolade und Butterkeksen – rösten und „Country Roads“ singen. Du wirst dazu übergehen, beinahe jeden Tag Pullis, Socken oder sogar Ohrringe mit dem Logo deiner Uni zu tragen und es nicht komisch finden. Du wirst dein Unimaskottchen auf dem Weg zum Unterricht treffen, in den riesigen Cafeterien essen und dir höchstwahrscheinlich sogar ein Zimmer teilen (mit Stockbetten, Uniwimpeln an der Wand und vielleicht sogar der aus vielen Collegefilmen berühmt-berüchtigten Socke an der Türklinke). Du wirst – hoffentlich – auf dem Campus leben und wenn du Glück hast nur eine Minute bis zu den Hörsälen brauchen. Du wirst unzähligen Uniclubs beitreten, tausend neue Leute kennenlernen, irgendwann echte Freunde finden. Kurz: ja, es ist wie in den Filmen. Vielleicht sogar noch ein bisschen besser.
Nico
14. Dezember 2020
Hey, ich sehe gerade, dass du wohl zur Michigan State gegangen bist. Ich habe mich in den letzten Wochen auch intensiver mit dieser Uni auseinandergesetzt und sie steht definitiv in der engeren Auswahl.
Kannst du die Uni weiterempfehlen oder würdest du mir rückblickend eher empfehlen mich nach einer anderen umzusehen ? Ich habe außerdem mit einem Kollegen gespropchen der Freunde in Amerika hat und er meinte, dass die meisten Amerikaner nicht gerne On-Campus wohnen und er mir empfehlen würde, ein Apartment off-campus zu suchen. Was hältst du davon ? Ich würde für 1 Jahr bzw. 2 Semester dort hingehen wollen und diese klassische amerikanische College Erfahrung gerne voll miterleben.
Julia Kanning
19. Dezember 2020
Hallo lieber Nico,
toll, dass du dich für die Michigan State University interessierst! Ich persönlich kann dir die Uni absolut weiterempfehlen, insbesondere wenn du auf diese Dinge wert legst:
– Renomée / Bekanntheit der Uni
– Lage der Uni (3h bis Chicago, Detroit und Kanada
– wenig (deutsche) Internationals
– wirklich typisch amerikanisches College-Leben pur (!!!!)
Für mich war damals vor allem der letzte Punkt ausschlaggebend und ich bin an der MSU nicht enttäuscht worden, die „real American college experience“ wirst du dort ganz sicher erleben! 🙂
Tatsächlich ist es so, dass in den USA generell viele – v.a. der älteren – Studierenden off-campus leben, allerdings ist das an der MSU ein bisschen anders. Zum Einen leben idR alle Internationals in den dorms auf dem Campus, zum anderen sind hier auch die off-campus-appartements meistens in unmittelbarer Nähe des Campus und mit dem Rad erreichst du diese innerhalb von 5-15 Minuten. Ich habe während meiner Zeit an der MSU klassisch „on-campus“ gewohnt und würde dir ebenfalls dazu raten – mit meiner Roommate bin ich bis heute eng befreundet, ich war direkt mitten im Geschehen und hatte wirklich das Gefühl, keine Gaststudentin zu sein, sondern eine ganz normale amerikanische Studentin….
Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen und egal für welche Uni du dich letzten Endes entscheidest: viel Spaß in den USA und „go green, go white!“
LG Julia