Dr. Jan Springob leitet die AG Internationales im Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität zu Köln. Im Interview berichtet er, welchen Einfluss der Coronavirus auf die Auslandsmobilität von Lehramtsstudierenden hat.
Was waren vor Corona die häufigsten Fragen von Studierenden, die sie erreichten?
Studierende wenden sich mit ganz unterschiedlichen Anliegen und Fragen an mich und meine Kolleginnen und Kollegen der AG Internationales am Zentrum für LehrerInnenbildung (ZfL). Sie möchten sich ganz allgemein über Möglichkeiten eines Auslandsaufenthalts im Lehramtsstudium, unser Praktikumsprogramm Internships@schoolsabroad, das wir in Kooperation mit dem zentralen International Office unserer Universität realisieren, oder die Verknüpfung eines obligatorischen Auslandsaufenthaltes mit einer ebenfalls obligatorischen Praxisphase informieren. Auch die Finanzierung von Aufenthalten im Ausland spielt häufig eine wichtige Rolle.
Blickwechsel: Welche Fragen beschäftigen die Studierenden aktuell während der Corona-Zeit?
Zu Beginn und für die ersten drei bis vier Wochen ging es vor allem um den (bevorstehenden) Abbruch des Auslandsaufenthalts und die Beendigung des Studiums oder Praktikums an den unterschiedlichsten Orten dieser Welt. Neben der Organisation einer sicheren Rückkehr nach Deutschland, teilweise gar nicht so leicht und schnell umzusetzen, tauchten natürlich auch Fragen rund um die Anerkennung oder mögliche Ersatzleistungen auf. Aktuell geht es nun vor allem um in die Zukunft gerichtete Fragen: Wie sieht es mit Auslandsaufenthalten ab August oder September aus? Finden die Vorbereitungs- und Begleitveranstaltungen wie geplant statt? Verliere ich mein bereits bewilligtes Stipendium?
Eine Frage des Eindrucks: Sind mehr Studierende im Ausland geblieben oder doch mehr nach Deutschland zurückkehrt?
Wir stehen in engem Austausch mit den von uns betreuten Studierenden und der Großteil ist tatsächlich zurück nach Deutschland gekommen. Vereinzelt haben sich Studierende bewusst entschieden, im Ausland zu bleiben. Hier handelt es sich jedoch vor allem um Studierende, die einen längeren Aufenthalt absolvieren, wie zum Beispiel eine Fremdsprachenassistenz oder einen Studienaufenthalt von mindestens einem Semester.
Wie gestalten sich Auslandspraktika für die, deren Schulen im Ausland geschlossen wurden?
Eine nicht unerhebliche Anzahl Studierender konnte ihr Praktikum an einer Schule im Ausland noch wie geplant beenden beziehungsweise es fehlen nur ein paar wenige Tage. Als Ersatzleistung reichen sie eine schriftliche Arbeit ein, wie beispielsweise einen Essay zu einem relevanten wie zum Auslandsaufenthalt passenden Thema. Dieses wird mit den Studierenden individuell abgestimmt. Natürlich gibt es leider auch Studierende, die nach nur wenigen Tagen ihr Praktikum abbrechen mussten oder gar nicht erst antreten konnten. Sie werden versuchen, dieses Praktikum, sobald das möglich ist, fortzusetzen oder nachzuholen. Der Einsatz als digital trainee an Schulen im Ausland könnte darüber hinaus eine Option darstellen, müsste jedoch konzeptionell ausgeschärft werden – vor allem, da die Studierenden weder die Kolleginnen und Kollegen noch die Schülerinnen und Schüler in den Schulen in zum Beispiel Großbritannien, Peru oder den USA kennen.
Ein Auslandsaufenthalt für Lehramtsstudierende: Aktuell eine große Herausforderung oder vielmehr eine Chance?
Prinzipiell wie aktuell: Sowohl als auch. Ein Auslandsaufenthalt ist vor allem eine einmalige Chance, sich selbst in einem neuen Umfeld zurechtzufinden und stellt Individuen tagtäglich vor Herausforderungen. Das beginnt schon mit der Vorbereitung, wenn beispielsweise die Finanzierung eines Auslandsaufenthalts geklärt werden muss. Chancen und Herausforderungen machen einen Auslandsaufenthalt aus meiner Sicht so spannend und werden in einem fremden Umfeld oftmals unter einem Brennglas viel intensiver wahrgenommen. Eine zentrale Frage ist aktuell, inwieweit und wie lange die weltweite SARS-CoV-2-Epidemie das Reisen einschränken wird. Wir denken als Universität auch in diesem Feld über digitale Alternativen nach, doch werden diese natürlich niemals die tatsächlichen Erfahrungen im Ausland, vor Ort, ersetzen können.
Die aktuelle Situation erfordert neue Arbeitsweisen. Inwieweit sind Lehramtsstudierende davon betroffen? Auch mit Blick auf ihre Zukunft als Lehrerinnen und Lehrer.
Ohne Zweifel: Das Bildungssystem und die Schulen müssen digitaler werden. Hier wird nicht erst durch die weltweite Epidemie eine Baustelle offengelegt. Die Gesellschaft und die Arbeitswelt verändern sich stetig, aktuell, gefühlt und teilweise, auf der Überholspur. Zukünftige Lehrerinnen und Lehrer müssen heute in die Lage versetzt werden, ihre Schülerinnen und Schüler auf eine Welt von morgen vorzubereiten. Lehramtsstudierende sind somit stark betroffen und schon jetzt entscheidende Akteurinnen und Akteure des Wandels. Der Einsatz von neuer Technik ist hier mit Sicherheit ein Aspekt, doch geht es vor allem auch um neue Lehr- und Lernmethoden.
Beenden Sie bitte folgenden Satz: Neue Perspektiven sind immer gut, denn …
… sie ermöglichen einen Perspektivwechsel und erweitern im wahrsten Sinne des Wortes den eigenen Horizont.
Inwieweit kommen bereits gewonnene Auslandserfahrungen den Lehramtsstudierenden jetzt zugute?
Viele Studierende, die eine gewisse Zeit im Ausland gelebt haben – das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen – gehen offener und zugewandter auf neue Menschen und auch Situationen zu. Sie sind resilienter, Unerwartetes bringt sie weniger schnell aus der Ruhe. Ein Auslandsaufenthalt, der über das touristische Reisen hinausgeht, fordert Menschen heraus. Er hält trotz einer umfassenden Vorbereitung Überraschungen bereit, die teilweise schön, teilweise aber das Gegenteil sind und in dem Moment von dieser Person gelöst werden müssen – oftmals allein, da das gewohnte Umfeld viele Kilometer entfernt ist. Nicht zuletzt können bereits gewonnene Erfahrungen aktuell auch dazu beitragen, dass die globale Solidarität nicht abebbt und Menschen den gesamten Globus im Blick haben.
Ganz konkret: Welche Möglichkeiten gibt es aktuell, sich weiter für ein Auslandspraktikum an einer Schule zu bewerben?
Studierende der Universität zu Köln können sich nach wie vor eigeninitiativ oder über unser Internships@schoolsabroad-Programm für ein Praktikum im Ausland bewerben. Ob diese, wie ursprünglich geplant, ab August 2020 auch stattfinden werden, können wir aktuell natürlich nicht beantworten. Wir befinden uns im engen Austausch mit sowohl unseren Kolleginnen und Kollegen des International Office und den Fakultäten als auch den Kolleginnen und Kollegen an unseren weltweiten Partnereinrichtungen. Vielleicht, so die Hoffnung, können Studierende ihr Praktikum in der zweiten Jahreshälfte in einzelnen Ländern tatsächlich realisieren.
Inwieweit können Studienleistungen, die im Ausland erbracht werden sollten, bei denen jetzt aber der Aufenthalt abgebrochen werden musste, anerkannt werden – ohne dass den Studierenden ein Zeitverlust droht?
Die zuständigen Kolleginnen und Kollegen in den Prüfungsämtern und den Fakultäten sind natürlich bemüht, eine Verlängerung des Studiums durch einen abgebrochenen Auslandsaufenthalt so gering wie irgendwie möglich zu halten. Teilweise werden auch hier verschiedene Ersatzleistungen herhalten müssen; teilweise, ich halte das nicht für ausgeschlossen, mag die Epidemie hier zu einem Zeitverlust für die Studierenden führen.