14. Juni 2020
Mein Erasmusjahr in Toulouse war eines der aufregendsten, abwechslungsreichsten und wunderbarsten Jahre meines Lebens, und ich werde noch lange daran zurückdenken. Ich habe so unglaublich viel gelernt, wunderschöne Orte gesehen, tolle Menschen kennengelernt und mich als Mensch weiterentwickelt. Was ist mein Fazit nach diesem Jahr?
Wie war die Erwartung vs. die Realität?
Ich erinnere mich noch genau an den Moment, an dem ich meine Zusage für Toulouse erhalten habe. Es war meine erste Wahl und ich war überglücklich. Da ich davor schon einmal eine Woche in Toulouse gewesen bin, wusste ich in etwa, was mich erwarten würde. Südfrankreich, rote Backsteinhäuser, viel Sonne und Palmen, gutes Essen und eine lebendige Studentenstadt voller Musik. Natürlich hatte ich auch ein bisschen Angst und Respekt vor all den Hürden, die auf mich zukommen könnten. Plötzlich alles nur noch auf Französisch, inklusive Prüfungen, Mietvertrag und Freunde finden?
Trotzdem überwog die Vorfreude und ein kribbeliges Gefühl im Bauch. Würde mein Auslandsaufenthalt auch so großartig werden, wie der von meinen Freunden, die nicht mehr aufhören konnten, von ihren zu schwärmen? Hatte ich mit Frankreich und Toulouse die richtige Wahl getroffen? Ob ich danach wohl fließend französisch sprechen würde?
Ich kann definitiv sagen: Ich wurde nicht enttäuscht, ich spreche fließend französisch und ich durfte eines der schönsten Jahre meines Lebens erleben.
Was war besonders gut oder überraschend?
Ich hatte das Glück, einen Cousin in Toulouse zu haben, der mir vor allem zu Beginn bei allem geholfen, mich beraten und seinen Freunden vorgestellt hat. Zudem habe ich gleich am ersten Tag einen Franzosen kennengelernt, mit dem ich mich dann ziemlich schnell angefreundet und das ganze Jahr hinweg viel Zeit verbracht habe. Das alles hat mir den Anfang und das Einleben deutlich erleichtert.
Anfang September war ich auch mit zwei anderen Erasmusmädels auf einem Festival, und somit hatte ich gleich zwei gute Freundinnen gefunden, mit denen ich noch allerlei mehr Abenteuer erleben sollte.
Was mir außerdem noch geholfen hat, war meine WG, mein Erasmus-Buddy, das Cheerleading-Team und meine Hochschulgruppe. All diese Faktoren haben dazu beigetragen, dass ich mich gleich von Anfang an pudelwohl und integriert gefühlt habe.
Überraschend war für mich, wie sich am Ende doch immer alles zum Guten gefügt hat. Egal wie stressig oder unüberwindbar mir eine Hürde erschienen ist, von verzweifelter Wohnungssuche über Geldbeutel verlieren bis hin zu Prüfungsstress, letzten Endes ging immer alles gut und ich konnte danach stolz auf mich sein.
Außerdem war es überraschend zu sehen, wie anders die Franzosen und ihre Kultur bei genauerem Hinsehen doch sind, obwohl man meinen könnte, dass ein Nachbarland doch gar nicht so viel anders sein kann.
Zudem ist Toulouse die perfekte Wahl für ein Erasmusjahr. Meine Zeit hier war erfüllt von so viel Sonnenschein, Lachen und Momenten, in denen ich einfach nur überglücklich war, dass ich gar nicht die richtigen Worte finde, um es zu beschreiben.
Auf was hätte ich verzichten können?
Definitiv die französische Bürokratie! Eine Wohnung finden, ein Bankkonto eröffnen, Wohngeld beantragen … all diese Dinge haben viel Zeit und Nerven gekostet, leider kommt man aber nicht drum herum.
Auch die zweimonatige Corona-Unterbrechung war nicht unbedingt das Gelbe vom Ei, aber leider auch nicht zu vermeiden.
Der Generalstreik im Dezember mit mehrwöchiger Schließung der Uni war zwar spannend und interessant, trotzdem hätte ich lieber ganz normal Uni gehabt.
Alles in allem gibt es also nichts, was ich ändern wollen würde, deshalb lohnt es sich auch gar nicht erst, viel darüber nachzudenken.
Was würde ich anders machen?
Vielleicht würde anfangs mehr darauf vertrauen, dass schon alles werden wird, sich nicht zu sehr stressen lassen und noch ein paar Croissants mehr essen. Ansonsten würde ich alles genau so wieder machen, denn es war wunderbar, so wie es war.
Die besten Tipps für ein Erasmus findet ihr hier.
Inwiefern hat mich das Jahr verändert, vorangebracht, meinen Blick für die Zukunft geschärft?
Ich denke auf jeden Fall, dass mich das Jahr in Frankreich verändert hat. So viele neue Eindrücke, Menschen, Erlebnisse und Erfahrungen gehen nicht spurlos an einem vorbei. Ich habe viel darüber gelernt, was für ein Mensch ich eigentlich bin, wie ich schwierige Situationen meistern kann und was ich mir für meine berufliche Zukunft und meinen Master vorstellen kann.
Ein Jahr lang allein in ein anderes Land zu gehen bedeutet, auch viel auf sich allein gestellt zu sein und eigene Lösungen für Probleme finden zu müssen. Ohne Eltern und die vertrauten Freunde wird man plötzlich selbst zur wichtigsten Ansprechperson, was einen aber definitiv wachsen lässt.
In eine andere Gesellschaft mit anderen Sichtweisen, Kulturen und Meinungen einzutauchen, lässt einen auch viel infrage stellen und andere Sichtweisen entwickeln. Es gibt mehrere Dinge, über die ich meine Meinung geändert habe und die ich seitdem anders sehe. Themen wie Feminismus, aktive Demokratie und Frankreich als Land betrachte ich jetzt mit anderen Augen.
Ich bin selbstbewusster geworden, kann nun besser mit Problemen umgehen und finde mich leichter in unbekannten Situationen zurecht. Zeitgleich habe ich auch viele Dinge an meinem deutschen Leben und Deutschland generell zu schätzen gelernt, die mir davor gar nicht so bewusst waren. Dazu gehören unter anderem das deutsche Brot, unsere Mülltrennung und unsere Angewohnheit, Dinge im Voraus zu planen und zu organisieren.
Ich würde mein Erasmusjahr gegen nichts eintauschen wollen
Das war vorerst mein letzter Blogbeitrag. Die Zeit als Correspondentin hat mir unglaublich viel Spaß gemacht, und natürlich stehe ich auch in Zukunft jederzeit auf Instagram für Fragen oder Ratschläge zur Verfügung. Ich kann jedem nur ans Herz legen, sich zu trauen und sich diese einmalige Erfahrung nicht entgehen zu lassen! Ich bin sehr froh, dass mir noch ein paar Wochen in Toulouse bleiben, denn ich weiß nicht, wie ich mich jemals von hier verabschieden soll.
Ich würde mein Erasmusjahr gegen nichts eintauschen wollen, und bin unglaublich dankbar für all die Erfahrungen, die ich machen durfte. Eingebettet zwischen den Bergen, der Garonne und dem Meer, wird ein kleiner Teil von mir wohl immer in dieser okzitanischen Stadt im Süden Frankreichs bleiben.
À bientôt !
Clara