1. November 2020
Ich hatte mich schon richtig in meinem Wohnheimzimmer eingelebt, Freunde gefunden und die Umgebung rund um mein Wohnheim erkundet. Ich dachte, hier könnte ich mein Semester gut aushalten, doch es kommt immer anders als man denkt …
Mittwoch, 21. Oktober 2020
08:46 Uhr: Eine Bewohnerin meines Wohnheimes fragt in unserer WhatsApp-Gruppe, ob wir auch die E-Mail bezüglich des Auszugs bekommen hätten. Anscheinend soll unser Wohnheim zur Quarantänestation umfunktioniert werden. Gerade noch total verschlafen, bin ich auf einmal hellwach. Aus meinem geliebten Wohnheim ausziehen??! Wie bitte?! Na ja, erstmal keine Panik schieben, sondern lieber selbst die Mails checken. Keine da. In der WhatsApp-Gruppe breitet sich Panik aus, nachdem die besagte E-Mail in die Gruppe geschickt wird – allerdings ist diese auf Tschechisch. Also erstmal abwarten.
09:56 Uhr: Mein Kumpel Marvin bestätigt den Auszug. Er ist der Student Representative für unser Wohnheim und hat unserer Erasmus-Koordinatorin in Brünn eine E-Mail geschickt, um zu fragen, was an dem Gerücht dran sei. Ihre Antwort: nicht positiv. Mental bereite ich mich schonmal auf das Schlimmste vor.
10:01 Uhr: In meiner Freundesgruppe werden die ersten Pläne gemacht, wie wir alle zusammen bleiben können, also in welches Wohnheim wir umziehen wollen. Ich würde gerne ins Wohnheim nebenan ziehen, was normalerweise nicht für Erasmus-Studierende ist. Es wäre das Einfachste, da mir die Gegend schon bekannt ist und sie mir gefällt, und weil ich nicht wirklich Lust habe, mit meinem ganzen Gerümpel quer durch die Stadt zu einem anderen Wohnheim zu müssen.
12:36 Uhr: In der großen WhatsApp-Gruppe wird wieder diskutiert: Wir müssen wahrscheinlich ausziehen, aber dürfen nicht wählen, in welches Wohnheim wir wollen. Noch gibt es keine offizielle Bestätigung.
12:49 Uhr: Neue E-Mail im Gruppenchat. Nicht offiziell, aber sie sagt auch, dass wir ausziehen müssen. Da es nur in unserem Wohnheim Einzelzimmer gibt, wird es anscheinend darauf hinauslaufen, dass wir die Zimmer in den neuen Wohnheimen mit unseren Mitbewohnern unserer jetzigen Flat-Unit teilen werden müssen. Im Gruppenchat bricht die Hölle los.
15:35 Uhr: Endlich bekommen wir alle eine offizielle E-Mail, die die Gerüchte bestätigt. Aus unserem Wohnheim wird wirklich eine Quarantänestation für Corona-Infizierte. Ich kann die Maßnahme absolut nachvollziehen, es ist nur wirklich doof für uns, die sich dort schon eingelebt haben. Jetzt heißt es, sich mit seinen Mitbewohnern einig werden, in welches Wohnheim es gehen soll, da man ja zusammen umgesiedelt wird. Mein Problem: Meine Mitbewohnerin ist momentan in Polen. Zum Glück ist es ihr egal, wo wir hinziehen.
15:46 Uhr: Da die Wahl nach dem „first come, first served“-Prinzip abläuft, schreibe ich schnell eine E-Mail an die Verantwortliche der Wohnheime mit dem Wunsch nach Bří Žurků, das Wohnheim nebenan, zu kommen. Meine Freunde tun dasselbe. Ab jetzt heißt es wieder abwarten…
Donnerstag, 22. Oktober 2020
15:46 Uhr: Es ist sicher. Alle meine Freunde werden ins Wohnheim Vinařská umgesiedelt. Ich warte immer noch auf eine E-Mail, die mir sagt, wohin es für mich geht. Um sicherzugehen, dass ich ins selbe Wohnheim wie meine Freunde komme, schreibe ich eine Mail, dass ich auch nach Vinařská möchte.
Freitag, 23. Oktober 2020
09:07 Uhr: Meine Mitbewohnerin schickt mir einen Screenshot von einer Mail, die sagt, dass wir nach Bří Žurků ziehen müssen. Eigentlich wollte ich ja dahin, aber da alle meine Freunde nach Vinařská ziehen, bricht eine kleine Welt für mich zusammen. Eingesperrt in einem Wohnheim, in das ich gar nicht will. Obwohl die E-Mail sagt, dass die Entscheidung final ist, schreibe ich trotzdem eine weitere E-Mail um zu fragen, ob Vinařská nicht vielleicht doch möglich wäre. Ich will nichts unversucht lassen, doch ich habe wenig Hoffnung, da auf meine vorherigen Mails auch nicht geantwortet wurde.
Wochenende
Das ganze Wochenende über versuche ich, nicht so viel über den Umzug nachzudenken, sondern die letzten paar Tage im gleichen Wohnheim wie meine Freunde zu genießen. Eine Antwort auf meine E-Mails erwarte ich nicht – ist ja Wochenende. Am Sonntagabend trudelt doch eine ein. Sie sagt, dass kein Zimmer mehr frei ist und dass es auch keine Warteliste gibt, auf die ich kommen könnte. Verzweifelt schreibe ich nochmal ein paar E-Mails an andere Verantwortliche.
Montag, 26. Oktober 2020
Der letzte Tag in meinem Wohnheim. In meinem Zuhause auf Zeit. Ich packe meine Sachen und mein Zimmer sieht aus, als hätte ich hier nicht den letzten Monat gelebt. Am Abend spielen meine Freunde und ich ein letztes Mal gemeinsam Karten.
Dienstag, 27. Oktober 2020
07:34 Uhr: Ich bin früh wach. Heute ziehe ich um. Da meine Mitbewohnerin noch in Polen verweilt, muss ich nicht nur meine, sondern auch ihre Sachen ins andere Wohnheim schleppen. Ein Gutes hat das Ganze: Das neue Wohnheim ist nur um die Ecke. Zwischen den Touren vom alten ins neue Wohnheim und mehreren Meltdowns, schreibe ich als letzten Versuch nach Vinařská zu kommen doch noch unserer Erasmus-Koordinatorin, die mit den Wohnheimen eigentlich gar nichts am Hut hat. Aber man weiß ja nie, vielleicht bringt es ja doch etwas. Schlimmer als ein Nein kann es ja nicht sein.
11: 32 Uhr: Eine Antwort von meiner Koordinatorin. Sie sagt, dass sie meine Sorgen verstehen kann und dass sie auch nochmal mit den Verantwortlichen geschrieben hätte. Endlich hat mir und meinen Sorgen jemand zugehört. Und anscheinend hängt meine E-Mail nun im Büro der Wohnheim-Verantwortlichen und ich stehe auf einer Warteliste, so dass ich nun, sofern jemand in Vinařská auszieht, dort einen Platz bekomme. Ich muss die Hoffnung, zu meinen Freunden ins Wohnheim zu ziehen also doch noch nicht aufgeben.
An meinem Corona-Auslandssemester kann mich mittlerweile gar nichts mehr erschrecken – ich bin gespannt was als Nächstes kommt. Obwohl ich natürlich weiß, worauf ich mich eingelassen habe, kommt so etwas wie jetzt trotzdem unerwartet. Von dem einen auf den anderen Tag von meinen Freunden getrennt zu werden ist nicht leicht, gerade jetzt, wo die Maßnahmen hier in Tschechien so verschärft wurden. Aber natürlich kann ich es verstehen, die Sicherheit von uns allen geht nun mal vor. Von dem Schock des Umzugs habe ich mich mittlerweile etwas erholt, nachdem ich die eine oder andere Träne verdrückt habe. Ich denke, diese ganze Sache kann auch eine Lektion fürs Leben sein, da läuft auch nicht immer alles glatt. Egal was kommt – gut oder schlecht – irgendwie wird man damit fertig. Sich zu fragen „Warum passiert mir das?“ bringt in dem Fall nichts.
Wir alle müssen gerade mit den Auswirkungen von Corona klarkommen. Ich in meinem Fall werde mich erstmal mit dem neuen Wohnheim arrangieren, doch es gibt einen kleinen Hoffnungsschimmer in Form der Warteliste, dass ich vielleicht doch noch nach Vinařská zu meinen Freunden ziehen kann. Ich werde auf jeden Fall berichten 🙂
W
9. November 2020
Liebe Lara,
Ich bin derzeit auch im Auslandssemester in Tschechien, Prag und mich hat hier auch der Corona/Lockdown Blues getroffen. Ich bin aber sehr froh, dass ich hier auf deine Seite mit deinen Erfahrungsberichten gestoßen bin, das hilft mir, zu sehen, dass ich in dieser Situation nicht die einzige bin, denn ich habe hier auch schon einiges erlebt! Ich komme übrigens ursprünglich auch aus Flensburg :-).Ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns vielleicht noch mehr über die Situation in Tschechien, Erasmus usw. austauschen könnten.
Lara
9. November 2020
Hallo 🙂
Vielen Dank für deinen Kommentar! Es freut mich zu hören, dass dir meine Blogbeiträge gefallen.
Ja, momentan ist hier gerade wirklich viel los in Tschechien. Sich austauschen klingt da sehr gut, ich bin gerade nämlich auch wirklich vom Corona-Blues gefangen. Wenn du möchtest, kannst du bei mir bei Instagram gerne eine Nachricht schreiben, oder wenn das für dich in Ordnung ist, könnte ich dir auch eine E-Mail schicken.
Liebe Grüße aus Brünn,
Lara
W
11. November 2020
Hallo 🙂
E-Mail ist am besten, da ich kein Instagram habe..
Liebe Grüße aus Prag
W
Anja
1. November 2020
😍🤗🤗🤗
Lara
1. November 2020
Danke! 🙂