28. Januar 2021
Wer die Infektionszahlen in den Vereinigten Staaten verfolgt, wird erkennen, dass das Land stark von der Pandemie betroffen ist. Schnell kommt die Frage auf, warum ich mich trotz der Umstände für ein Auslandssemester hier entschieden habe. Um dies zu beantworten, erzähle ich ein wenig aus meinem Corona-Alltag im Norden der USA.
Wo bin ich überhaupt?
Ich befinde mich in Geneva, einer Kleinstadt nahe der kanadischen Grenze. In der gesamten Ontario-Region, in dessen Hauptstadt die Universität liegt, gibt es zurzeit täglich circa 50 neue Fälle. Die Gegend ist sehr weitläufig und bietet viel Natur, sodass Massenbegegnungen selten sind.
Die Uni ist sehr gut auf die Situation vorbereitet. Alle Studierenden und Mitarbeiter*innen wurden bei Ankunft am College getestet, unter Quarantäne gestellt und einige Tage später erneut einem Test unterzogen. Erst nach zwei Negativergebnissen darf man am Campus-Leben teilnehmen. Zusätzlich wird Jede*r mindestens alle vier Wochen getestet, sodass neue Fälle auch ohne Symptome frühzeitig erkannt werden.
„Du hast Vorlesungen in Präsenz?“
Dank dieser Vorsichtsmaßnahmen kann ich hier erstaunlich viel erleben. Der Unterricht findet beispielsweise überwiegend in Präsenz statt – wofür ich sehr dankbar bin. Es erleichtert mir definitiv den Zugang zu amerikanischen Kommiliton*innen und motiviert mich im Lernen für mein Studium mehr als Online-Meetings. Dennoch sind auch hier die Lehrkräfte für Notfälle vorbereitet. Jeder Kurs wird parallel via Zoom übertragen, sodass ich im Krankheitsfall nichts verpassen müsste. Einige Studierende können so auch das Semester miterleben, ohne auf dem Campus anwesend sein zu müssen.
Präsenz heißt natürlich nicht Präsenz wie in Vor-Corona-Zeiten. Auf allen öffentlichen Plätzen, demnach auch in Unterrichtsräumen, herrscht Maskenpflicht. Viele Gebäude haben ein Einbahnstraßensystem, um Kontakte einzuschränken. Und ganz wichtig natürlich: Abstand halten. Diese Regel ist besonders bei Vorlesungen wichtig. Da ein Zwei-Meter-Abstand in Seminarräumen oft nicht möglich ist, wurden über den gesamten Campus verteilt, Orte explizit für diesen Zweck umfunktioniert. So sind Sporthallen, Theater oder Lesesäle der Bücherei nun Vorlesungsräume.
Darüber hinaus gibt es auch außerhalb des universitären Rahmens viele Angebote. Einige Clubs der Uni werden trotz der Umstände angeboten, sofern „Social-Distancing“ möglich ist. So kann man sich beispielsweise für Tennis, Cross Country oder den Debattierclub anmelden. Mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen finden auch kleine Zusammenkünfte statt. Vom „Winter Wonderland“, einer Art Jahrmarkt mit Eislaufbahn, Pferdekutschfahrten, S’mores (das ist ein amerikanischer Snack bestehend aus schmelzender Schokolade, Marshmallows und Keks) und Lagerfeuer, werdet ihr sicher auf meinem Instagramkanal einiges mitbekommen.
Zurzeit sind viel weniger internationale Studierende hier als üblich. Das hat den Vorteil, sich noch mehr aus seiner Komfortzone (gleichzusetzen mit der „Austauschstudenten-Bubble“) herausbewegen zu müssen, um Menschen kennenzulernen. Auch das wir inzwischen schon ein Jahr mit der Pandemie leben müssen, bringt den Vorzug, dass die Uni besser damit umzugehen weiß und so mehr Angebote für Studierende zur Verfügung stehen.
Es ist eine besondere Herausforderung, gerade jetzt ein Auslandssemester anzutreten. Ich bin froh, die Entscheidung getroffen zu haben, da ich mich – soweit man sich in einer Pandemie sicher fühlen kann – hier sicher fühle und viel erleben darf. Ganz normal ist mein Aufenthalt hier verständlicherweise nicht. College-Parties und Aktivitäten in großen Gruppen gibt es nicht; auch Besuch in den Wohnheimen ist untersagt. Dennoch bin ich sehr dankbar für die Möglichkeit, momentan im Ausland studieren und leben zu dürfen. Die Einschränkungen und Maßnahmen nehme ich dafür gern in Kauf. Auch in einem besonderen Auslandssemester wie diesem kann ich über mich hinauswachsen, Herausforderungen meistern (das sogar mehr als sonst) und Neues über mich und die Welt erfahren.