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Niederländisch lernen ja oder nein?


Ihr müsst kein Niederländisch sprechen, wenn ihr hier studieren wollt. Warum es aber trotzdem nicht verkehrt ist, erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Die Sprachbarriere

Allen möglichen Artikeln und Studien zufolge sind die Niederländer*innen Weltmeister, was das Beherrschen von Englisch betrifft. Auf eine wirkliche Sprachbarriere werdet ihr dementsprechend kaum stoßen. Ich habe noch nicht erlebt, dass ich mich mit einer Person nicht perfekt auf Englisch hätte unterhalten können, egal, ob jung oder alt. Die Jüngeren haben oft nicht mal einen Akzent und unterscheiden sich in ihrer Aussprache kaum von Muttersprachler*innen. Wenn ihr mit einer Gruppe Niederländer*innen unterwegs seid, könnt ihr meiner Erfahrung nach davon ausgehen, dass in den meisten Fällen nur Englisch gesprochen wird. Wenn sie dann doch mal ins Niederländische rutschen, habe ich auch erlebt, dass ihre Landsmänner und
-frauen sie zurechtgewiesen haben. Das führt dazu, dass ihr euch immer in die Gruppe eingeschlossen fühlt. Ihr müsst kein Niederländisch lernen, um euch zurechtzufinden. Allerdings könnt ihr meiner Meinung nach ein Land nie zu 100 Prozent kennenlernen, wenn ihr die Sprache nicht sprecht. Meine bisherige Unkenntnis des Niederländischen stößt mir mittlerweile immer mehr auf.

Meine Hobbies, Niederländisch und ich

In Deutschland war ich begeisterte Leichtathletin. Schon als Grundschülerin habe ich nichts lieber getan, als meine freien Stunden nach der Schule auf der Tartanbahn zu verbringen. Wenn man älter wird, kommen immer mehr Verpflichtungen dazu und die Zeit im Stadion wird dementsprechend weniger. Ich bin dann irgendwann dazu übergegangen, mehr andere zu trainieren, als mir selber die Spikes anzuziehen. Den Kindern beizubringen, wie man technisch schön in einen Sandkasten springt, hat mir immer viel Spaß gemacht. Aber mein Trainerschein und -erfahrung bringt mir hier in den Niederlanden absolut nichts. Ich weiß ja nicht mal, was Weitsprung auf Niederländisch bedeutet. (het verspringen. Habe ich natürlich nicht nur extra für den Beitrag nachgeschlagen.) Das perfekte Englisch, wie es die erwachsenen Niederländer*innen im Schlaf beherrschen, kann ich von einem sechsjährigen Kind nicht verlangen. Einem Leichtathletikverein bin ich trotzdem bereits beigetreten. Das klappt super, mittlerweile schreibe ich sogar die englischen Artikel für die Vereinszeitung. Aber meine Trainerkarriere muss wohl gerade etwas pausieren.

Ich sitze auf der Treppe. Unsere Wände sind gelb gestrichen. Die Treppe führt ins obere Stockwerk. Ich habe die Beine über einander geschlagen und halte ein grünes Buch in der Hand. Dieses ist mein Niederländisch-Kursbuch.
Ich in einer sehr natürlichen Pose beim Niederländisch lernen.

Ich würde mich gerne einbringen. Ich kann das auch. Aber irgendwie dann doch nicht.

Ich würde mich gerne gesellschaftlich engagieren. Dazu habe ich in Groningen unzählige Möglichkeiten. Ich kann allen möglichen Nichtregierungsorganisationen beitreten und mich für Klimaschutz, Menschenrechte oder Feminismus einsetzen. Das ist super. Hat aber eben auch seine Grenzen. Man kann eben kaum mit anderen Menschen arbeiten, wenn man sich nicht richtig mit diesen unterhalten kann. So bewegt sich viel von meinem Aktionismus häufig eben nicht aus der Studierendenblase hinaus.

Die Sache mit dem Geldbeutel

Und dann ist da noch die Sache mit dem Arbeiten. Ich studiere ein Fach, das mich, wenn ich ehrlich bin, nicht wirklich irgendwo hinbringt. Wo der Weg für Medizin-, Jura-, oder Lehramtsstudent*innen hingeht, ist allen klar. Für Leute wie mich, die eine Geisteswissenschaft studieren, ist es aber ungleich wichtig, praktische Erfahrungen zu sammeln. In Deutschland würde ich mich vermutlich um einen Job als Werkstudentin bemühen. Der würde es mir vielleicht ermöglichen, schon mal erste Kontakte in irgendeiner Branche zu knüpfen. Das ist hier aber natürlich viel schwieriger. Wenn man es von eventuellen türöffnenden Jobs mal absieht, ist die Jobsuche allgemein als Person ohne Sprachkenntnisse viel schwieriger. Wann immer man es mit Menschen zu tun hat, ist es eigentlich ein Muss, Niederländisch sprechen zu können. Das grenzt die Auswahl leider ganz schön ein.

Eine Sache des Respekts?

Die Niederländer*innen sind mit die freundlichsten Menschen, denen ich begegnet bin. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie ins Englische wechseln, wenn sie merken, dass du sie nicht verstehst, ist bemerkenswert. Trotzdem ist es mir manchmal unangenehm, wenn ich ein Online-Meeting mit dem Komitee meines Vereins habe und alle nur wegen mir Englisch sprechen müssen. Ich weiß, den meisten von ihnen fällt das nicht unbedingt schwer. Aber trotzdem denke ich oft darüber nach, dass ich das Ganze für sie schon anstrengender mache. Ich gehe nicht grundsätzlich davon aus, dass sie mit mir Englisch sprechen. Wenn wir aber ehrlich sind, haben sie letztendlich auch nicht wirklich eine Wahl, wenn sie mit mir kommunizieren wollen. Ich verstehe sie ja sonst nicht. Aber eigentlich bin doch ich diejenige, die in ihr Land gekommen ist, um dort zu studieren. Dann nehme ich mir vor, mich wieder ein bisschen mehr zu bemühen, die Sprache bald zu erlernen.

Man sieht ein Textbuch über die niederländische Sprache, ein aufgeschlagenes Vokabelheft und Textmarker.
Hier seht ihr meine Bemühungen, Niederländisch zu lernen!

Mein Niederländischsprachkurs

In meinem Studienfach International Relations and International Organization müssen wir ab dem zweiten Semester eine weitere Fremdsprache belegen. Ich habe mich nach langem Hin und Her und der Einsicht, dass sich mein Französischtalent schon in Schulzeiten als begrenzt erwiesen hat, für Niederländisch entschieden. Ich belege den Kurs jetzt schon seit zwei Wochen und die Sprache zu lernen, macht einfach Spaß. Mein niederländischer Kumpel meinte damals zu mir, dass die Wahl zu Niederländisch eine gute Entscheidung war. Er meinte, dass ich mit Niederländisch-Kenntnissen eine andere, womöglich intensivere Erfahrung in Groningen machen werde. Ob er recht hat? Vielleicht kann ich darauf bald eine Antwort geben.

 

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