1. August 2021
Hoppala, das ging schnell! Nun ist mein Erasmus-Semester in Zürich schon vorbei. Da passt es doch, zurückzuschauen. Was habe ich für mich mitgenommen? War ich glücklich mit der Wahl meiner Gaststadt in der Schweiz?
Es war ein äußerst ungewöhnliches Erasmus-Semester (genauer: SEMP) in Zürich für mich. Daher möchte ich mit euch auf meine sechs Studienmonate in der Schweiz zurückblicken und schauen, welche Erfahrungen ich eigentlich für mich persönlich und mein Studium mitnehmen konnte. Was war gut, was vielleicht schlecht?
Züri und ich
Wenn man ins Ausland geht, sollten Gastland und -stadt gut überlegt sein, denn hier wird man die nächsten Wochen und Monate verbringen. Wie sah es bei mir und Zürich aus? Was hatte die Stadt für mich zu bieten?
Wie ich schon in meinem ersten Blogbeitrag schrieb, gab es vor allem aus dem Freundes- und Bekanntenkreis einige konfuse Blicke, als ich erwähnte, in der Schweiz ein Auslandssemester machen zu wollen. So nah? Und dann noch hauptsächlich deutschsprachig?
Für mich persönlich war das jedoch auch rückblickend die richtige Entscheidung. Das hat viele Gründe.
Zum einen hat Zürich genau die richtige Größe für mich. Es gibt ständig Neues zu entdecken und trotzdem bin ich schnell in allen Ecken der Stadt mit dem ÖPNV. Das Stadtzentrum ist vor allem am Wochenende sehr belebt und man kann sich vom Großstadt-Trubel mitreißen lassen, wenn man möchte: Es gibt allerlei angesagte Clubs, die Bahnhofstraße mit endlos vielen Shoppingmöglichkeiten und Restaurants mit Spezialitäten aus aller Welt. Wenn ich dann doch mal etwas Ruhe gesucht habe, bin ich im Belvoirpark oder Rechberggarten ebenfalls fündig geworden.
Die Vielfalt hat mich mit am meisten fasziniert an Zürich; es gibt den schickeren Kreis sechs, direkt daneben den ruhigeren Kreis elf und auf der anderen Seite der Limmat die urbanen Kreise vier und fünf mit ihren Clubs und Bars. Wie eigene kleine Welten in einer großen Stadt. Zwischendrin hatte ich dabei keinesfalls das Gefühl, „nur“ im deutschsprachigen Ausland zu sein. Zürich ist eine der internationalsten Städte, die ich kennengelernt habe und noch nie hatte ich so viel Kontakt zu Menschen mit verschiedener Herkunft.
Das wichtigste, was ich gelernt habe: Die Schweiz ist so viel mehr als nur ein kleines Deutschland.
Onlinestudium an der Universität Zürich
Wegen der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie kann ich nur vom virtuellen Eindruck von der Universität Zürich (UZH) berichten, dennoch bin ich hier sehr zufrieden. Die Professoren haben das gesamte Semester über eine angenehme und persönliche Atmosphäre zur (Online-)Lehre zu schaffen. Am Anfang der Vorlesungen wurde sich meist nach internationalen Studierenden, ihrer Herkunft und Heimatuni erkundigt. Vor meinem mündlichen Prüfungsgespräch zu „European Private Law“ habe ich außerdem selbst ein wenig mit meinem Professor über meine Heimatstadt und meine Erfahrungen in Zürich geredet. Man hatte immer das Gefühl, als Individuum wahrgenommen zu werden und nicht als virtuelle Masse an Studierenden. Insbesondere im Kurs „Demokratie“ fand ein sehr intensiver Austausch mit den einzelnen Studierenden statt. Ich hatte am Ende fast das Gefühl, alle persönlich zu kennen.
Trotzdem muss ich ehrlich sagen, dass ich mir die „klassische“ Präsenzlehre sehr gewünscht hätte. Auch weil es gerade am Anfang durch die strikteren Corona-Verordnungen sehr schwer war, andere Studierende kennenzulernen. Rückblickend würde ich mich aber immer wieder für die UZH entscheiden.
Was habe ich für mich mitgenommen?
Habe ich erreicht, was ich mir für mein Studium vorgenommen habe? Was habe ich außerhalb der UZH und außerhalb von Zürich für mich mitnehmen können?
Mit all den wunderschönen Erlebnissen der letzten sechs Monate könnte ich noch so einige Blogs füllen. Um es kurz zu halten, kommen hier meine Favoriten: Ich bin im Engadin auf einem gefrorenen Waldweg Schlittschuhe gelaufen, bin kilometerweit bergab geschlittelt und habe gemeinsam mit anderen Studierenden die Region um Lausanne und das Lindtmuseum besucht. Ohne mein Auslandssemester hätte ich ein einziges Land wohl nie so intensiv erkundet.
Neben den wundervollen Erlebnissen habe ich auch sprachlich einiges für mich persönlich mitgenommen. Was ich definitiv nicht erwartet hätte: Mein Englisch hat sich merklich verbessert. In meinem Alltag in Deutschland musste ich kaum einmal Englisch reden. In Zürich sah das ganze anders aus. Ob bei englischsprachigen Mastervorlesungen oder gemütlichen Runden mit den anderen Erasmus-Studierenden: Englisch war die Sprache Nummer eins. Und das war gut so!
Für mein Studium hatte ich mir hauptsächlich vorgenommen, den schon gelernten Stoff besser verstehen zu können. Das ist mir tatsächlich vor allem durch meine Mastervorlesungen „Demokratie“ und „European Private Law“ gut gelungen. „Über den Tellerrand hinausschauen“ lautete mein zweites Ziel. Leider ist eine Vorlesung (Seerecht) schlussendlich komplett entfallen. „Kriminaltechnik“, eine Vorlesung die es so nicht an meiner Heimatuni gegeben hätte, war aber ein würdiger Ersatz. So praxisnah habe ich mein Studium bisher noch nicht erlebt.
Ein kleiner Blick in die Zukunft: Ich habe bewusst die regulären Prüfungen an der UZH gewählt anstelle der Mobilitätsprüfungen, die frühzeitiger stattfinden und speziell für ausländische Studierende konzipiert sind. Sollte ich mich also in der Zukunft einmal entscheiden, einen Master an der UZH zu studieren, werden mir die Credit Points hierfür voll anerkannt. Der Nachteil dabei: Ich muss immer noch auf meine Prüfungsergebnisse warten.
Und weil dieser Blog langsam den Rahmen sprengt, hier noch ein Schlusswort: Geht ins Ausland! Geht in das Land, in dem ihr schon immer studieren und leben wolltet. Am Ende nehmt ihr all die Erfahrungen (und es werden viele sein) für euch mit, nicht für diejenigen, die eure Entscheidung mit hochgezogenen Augenbrauen beobachten.
Beinahe hätte ich ja das Wichtigste vergessen: Ich habe meine Mission erfüllt! Mittlerweile ist in meinem Briefkasten die sogenannte B-Bewilligung eingetrudelt. Mit ihr bin ich berechtigt, fünf Jahre in der gesamten Schweiz zu leben und zu arbeiten. Zwei Jobs habe ich ja bereits. Außerdem besitze ich nun auch eine vollwertige schweizerische Krankenversicherung. Ich habe mir also praktisch ein kleines Zuhause eingerichtet hier. 😉