24. März 2023
Seit mein Freund und ich uns im Sommer 2021 kennengelernt haben, waren wir nie wirklich länger als eine Woche voneinander getrennt. Wir haben in zwei angrenzenden Städten gewohnt und so viel Zeit zusammen verbracht wie möglich. Doch mit meiner Entscheidung für das Auslandssemester war klar: Das wird sich jetzt ändern. Unsere Beziehung wurde mit meiner Abreise zur Fernbeziehung auf Zeit.
Für längere Zeit die eigene Heimat zu verlassen ist nie einfach. Doch wenn zu Hause ein Partner oder eine Partnerin wartet, eine Person, die man am liebsten immer um sich haben möchte – dann fällt der Abschied noch schwerer. Kaum jemand würde sich wohl freiwillig dafür entscheiden, eine Fernbeziehung zu führen. Schließlich sind plötzlich viele Dinge nicht möglich, die zu einer Beziehung eigentlich dazugehören: Sich in den Arm nehmen, gemeinsam etwas unternehmen, im gleichen Bett einschlafen.
Meine Ängste vor der Abreise
Auch ich habe mir vor meiner Abreise viele Gedanken darüber gemacht, ob meine Beziehung zu meinem Freund diese lange Trennung aushält – und was es mit uns macht, wenn wir uns wochenlang nur über Videoanrufe sehen können. Meine größte Angst war es, dass das Vermissen so groß wird, dass es sich nicht mehr aushalten lässt. Ich habe mir Sorgen gemacht, dass es meinem Freund schlecht geht und ich ihm nicht helfen kann – Schuldgefühle inklusive, weil ich ihn alleine gelassen haben. Und was ist, wenn ich mich durch das Leben im Ausland so sehr verändere, dass es einfach nicht mehr passt zwischen uns?
Bisher haben sich diese Ängste zum Glück nicht bestätigt. Im Gegenteil: Nach dem ersten Monat Fernbeziehung muss ich sagen, dass es besser funktioniert als ich vorher dachte. Ich habe sogar das Gefühl, dass die Distanz unsere Beziehung stärker macht und ich mir noch sicherer geworden bin, dass mein Freund der richtige Partner für mich ist.
Der erste Besuch in Estland
Vier Wochen nach meiner Ankunft ist mein Freund nach Estland geflogen, um mich zu besuchen. Dieser Termin stand schon vor dem Beginn meines Auslandssemesters fest. Das war sehr hilfreich, weil ich dadurch von Anfang an wusste, dass wir uns bald wiedersehen. Die eine Woche, die wir gemeinsam in Estland verbracht haben, war wunderschön. Wir wussten die gemeinsame Zeit noch mehr zu schätzen als im Alltag zu Hause in Deutschland. Es hat mir viel Spaß gemacht, meinem Freund all die Orte zu zeigen, die ich in meinen ersten Wochen in Tartu entdeckt habe – und mit ihm gemeinsam neue zu erkunden.
Was ich zuvor jedoch unterschätzt habe: Der Besuch war auch sehr emotional. Wir beide schwankten zwischen dem Glück, einander wiederzuhaben, und der Angst vor dem erneut bevorstehenden Abschied. Freuden- und Trauertränen wechselten sich ab. Natürlich verging die Woche wie im Flug und schon standen wir wieder am Flughafen. Dort, wo ich wenige Tage zuvor voller Vorfreude darauf gewartet hatte, ihn durch die Tür kommen zu sehen, musste ich mich nun wieder verabschieden.
Schon wieder Abschied nehmen
Dieser Abschied ist mir extrem schwer gefallen. Ich hatte in den folgenden Tagen immer wieder mit Heimweh zu kämpfen. Ein Teil von mir wollte einfach mit ihm in das Flugzeug steigen, um wenige Stunden später wieder zu Hause in Deutschland zu sein, in gewohnter Umgebung, mit all meinen Lieben. Aber das habe ich nicht getan. Stattdessen habe ich mich umgedreht, die Tränen abgewischt und bin in den Bus nach Tartu gestiegen. Ich bin stolz auf mich selbst, dass ich das geschafft habe.
Am Abend hat meine Mitbewohnerin Eiscreme bestellt und mit mir einen Disney-Film geguckt. Das war genau die richtige Ablenkung und ich war in diesem Moment wieder einmal heilfroh, in Tartu nicht alleine zu wohnen, sondern mich für eine WG entschieden zu haben. Ich verstehe mich super mit meiner Mitbewohnerin und tatsächlich fühlt sich ihre Anwesenheit mittlerweile auch schon ein bisschen nach zu Hause an.
Ich vermisse meinen Freund sehr, aber ich versuche daran zu denken, dass wir uns in weniger als acht Wochen wiedersehen. Dann kommt er mich zum zweiten Mal in Tartu besuchen. Ich bin unglaublich dankbar dafür, dass er die Möglichkeit hat und trotz des Aufwands und der Kosten bereit dazu ist, mich mehrmals im Ausland zu besuchen – das ist nicht selbstverständlich.
Bis wir uns wiedersehen bleiben wir über Videoanrufe und Nachrichten in Kontakt. An dieser Stelle also auch nochmal vielen Dank an das Internet, dafür dass das heute kein Problem mehr ist! 😉