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Halbzeit in Estland und Gefühlschaos in meinem Kopf

Die Hälfte meines Auslandssemesters ist vorbei und in Tartu ist der Frühling angekommen. Die Stadt erwacht zum ersten Mal seit meiner Ankunft so richtig zum Leben, vieles verändert sich – und in meinem Kopf herrscht Gefühlchaos. Eine Zwischenbilanz nach zweieinhalb Monaten Studium in Estland.

Es ist verrückt, wie schnell die Zeit vergeht. Diesen Satz hat wahrscheinlich jeder und jede einzelne Erasmus-Student:in schon mindestens einmal in den Mund genommen. Aber tatsächlich ist die Geschwindigkeit, in der die Zeit während eines Auslandssemesters vergeht, einfach anders hoch. Und besonders klar wird einem das, wenn ganz plötzlich schon die Hälfte des Aufenthalts vorbei ist. Ich fühle mich zerrissen zwischen „Ich bin doch gerade erst hier angekommen und habe noch so viel vor” und „Es fühlt sich an, als würde ich schon ewig hier leben.”

Junge Frau steht im Dunkeln vor dem beleuchteten Rathaus auf dem Rathausplatz in Tartu
Einer meiner Lieblingsorte in Tartu ist der Rathausplatz. Hier fühle ich mich schon richtig heimisch, weil ich fast jeden Tag dort vorbeilaufe.

Mein Leben in Tartu hält nur kurz an

Wenn ich darüber nachdenke, finde ich das Konzept eines Auslandssemesters ziemlich verrückt: Du entscheidest dich bewusst dafür, deinen regulären Alltag und deine gewohnte Umgebung zurück zu lassen, um dir in einem fremden Land ein vollkommen neues Leben aufzubauen, nur um dieses dann nach wenigen Monaten wieder hinter dir zu lassen.

Vor dem Beginn meiner Reise wusste ich genau, dass diese nur eine bestimmte Zeit dauern würde – in meinem Fall ziemlich genau fünf Monate. Die Vorstellung, „noch nicht einmal ein halbes Jahr” weg zu sein, hat den Abschied natürlich leichter gemacht. Doch jetzt, da ich bereits einige Zeit hier bin, ist es ein komisches Gefühl, dass mein Leben in Tartu nur für eine relativ kurze Zeit existiert. Mein Uni-Alltag, neue Freundschaften, die Lieblingsplätze in der Stadt: All das wird am Ende des Sommers bereits nur noch eine Erinnerung sein.

Heimkommen: Vorfreude und Ängste

Wenn ich daran denke, in etwa zehn Wochen zurück nach Hause zu fliegen, spüre ich große Vorfreude. Ich vermisse meinen Freund, meine Freundinnen, meine Familie, und all die Orte, die immer zu meinem Alltag gehörten, sehr. Auch wenn ich insgesamt gut damit zurecht komme: Das Heimweh und die Einsamkeit holen mich immer mal wieder ein. Die Vorstellung, zurück bei meinen Liebsten zu sein, nach Hause zu kommen, macht mich deswegen sehr glücklich.

Paar (junger Mann und junge Frau) stehen mit den Füßen im Wasser am Meer, im Hintergrund geht die Sonne unter
Worauf ich mich zu Hause am meisten freue: Ganz viel zusammen mit meinem Freund zu unternehmen. So wie hier an unserem Jahrestag letzten Sommer, an dem wir an die Nordsee gefahren sind.

Aber im gleichen Moment macht sie mir auch Angst. Was ist, wenn plötzlich alles anders ist, wenn ich wieder da bin? Wenn sich in meiner Abwesenheit so vieles verändert hat, dass ich nicht mehr richtig reinpasse? Oder, vielleicht noch schlimmer: Was ist, wenn ich mich im Ausland so verändert habe, dass mich meine gewohnte Umgebung gar nicht mehr glücklich macht? Und ich dann immer zwischen zwei Welten hänge und nicht mehr weiß, wo ich eigentlich hingehöre? All diese Ängste sind wahrscheinlich vollkommen normal – und die meisten davon hoffentlich auch überflüssig. Trotzdem beschäftigt mich das Thema aktuell mehr, als noch zu Beginn des Auslandssemesters.

Dankbarkeit für die tolle Zeit

Auf die vergangenen Wochen schaue ich vor allem mit jeder Menge Dankbarkeit zurück. Mir ging es die meiste Zeit über sehr gut. Auch wenn es mal Probleme gab, hat sich immer eine Lösung gefunden. Ich habe mich in Tartu schnell eingelebt, fühle mich wohl in der Stadt und in meiner WG. An der Uni belege ich Kurse, die mir Spaß machen. Ich habe viele Dinge zum ersten Mal ausprobiert, Neues erfahren und mich selbst dabei ein bisschen besser kennengelernt.

So manches habe ich in den vergangenen Wochen zu schätzen gelernt und werde es in Deutschland sicher sehr vermissen: Die Altstadt von Tartu mit ihren wunderschönen pastellfarbenen Häusern, die vielen Parks und Grünflächen mitten in der Stadt, die saubere Luft und die Ruhe, meine WG-Mitbewohnerin, das schnelle Einkaufen mit einem eigenen Scanner, und so weiter.

Worin ich mir trotz der ganzen Unsicherheiten und des Gefühlschaos sicher bin: Die Entscheidung dafür, ein Auslandssemester in Estland zu machen, war genau richtig. Ich habe sie kein einziges Mal bereut. Und ich freue mich auf alles, was mich in der zweiten Hälfte meines Aufenthalts noch erwarten wird!

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