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Gastuniversität versus Heimatuniversität

Worin unterscheidet sich meine Gastuniversität von meiner Universität in München? Nachdem ich ein Semester an der Queens University Belfast studiert habe, kann ich einige Unterschiede aufzählen.

An einer anderen Universität zu studieren fand ich sehr spannend. Ich habe dadurch noch mal auf meinen Unialltag in München anders blicken können. Tatsächlich finde ich vieles ein bisschen schöner an meiner Gastuniversität als in München. Das macht es mir natürlich nicht leichter zurückzugehen. Was genau war denn so schön und anders?

Mehr Tiefgang und weniger Kurse

Was mich am meisten überrascht hat, war, dass im Soziologistudium an der Queens University pro Semester nicht mehr als drei Kurse belegt werden. Die Kurse sind dafür aber viel intensiver und verlangen auch einiges an Selbststudium. Ein Kurs hat meistens 20 CATS Punkte, das sind umgerechnet 10 ECTS! In München belege ich meistens Kurse für die ich nur drei oder sechs Credits bekomme. Mein Stundenplan ist dementsprechend voller, als es für mich hier in Belfast war. Ehrlich gesagt habe ich den Aufwand für die Kurse nicht großartig anders empfunden als in München. Der entscheidende Unterschied ist vielleicht, dass ich hier tatsächlich die Zeit habe, mich in die Thematik zu vertiefen bei diesem übersichtlichen Stundenplan. In München habe ich in vielen Kursen das Gefühl, dass mir ganz viele weiterführende Information präsentiert wurden, aber unmöglich durchzuarbeiten sind. Der Workload ist höher mit mindestens sechs verschiedenen Kursen und zusätzlichen Tutorien.

Ich hatte an der Queens University drei Vorlesungen und jeweils ein Tutorium dazu. Insgesamt waren das nur 12 Stunden in der Woche, in der ich in der Uni sass. Obwohl alles Vorlesung (lecture) genannt wurde, war es manchmal mehr das, was ich in München ein Seminar nennen würde. Die Grösse war überschaubar und es wurde deutlich mehr Teilnahme von allen Studis gefordert. Eine Vorlesung hatte ich, die war im klassischen Sinne der Frontalunterricht im großen Hörsaal. Die Tutorien wurden teilweise von den Dozierenden selbst gehalten und haben mich manchmal mehr an Schule erinnert. Oft gab es dann immer Fragen, die zuerst in der Gruppe besprochen und dann im Plenum gesammelt wurden.

Im Selbststudium habe ich vieles lesen und mich selbstständig tiefer in die Thematik einarbeiten müssen. Dazu gab es für jeden Kurs immer gut strukturiert, alle Inhalte und alles Weiterführendes auf der uniinternen Online-Plattform. Das fiel mir positiv auf, da ich es in München so kenne, dass das Onlinependant zu den Kursen sehr stark von den Dozierenden abhängig ist.

Die Vorlesungen und die Tutorien waren letztendlich mehr ein Wegweiser und eine Hilfestellung für das, was wir uns hauptsächlich selbst erarbeiten sollten. Die Essays haben abgebildet, was wir selbst erarbeitet haben. Das war zum Beispiel eine kommentierte Literaturrecherche oder ein Vergleich von zwei Theorien. Am Ende des Semesters war in allen Kursen ein eigenes Essaythema angesagt, das in meinem Verständnis mehr einer Hausarbeit im kleineren Sinn gleicht. Die Prüfungsleistungen waren mehr über das Semester verteilt. Für mich gab es dadurch während des Semesters zwei Phasen, in denen ich an den Essays geschrieben habe. Was mich positiv überrascht hat, war die sogenannte Reading Week. In dieser Zeit finden keine Vorlesungen und Tutorien statt, damit genug Zeit zum Essay schreiben und Nacharbeiten bleibt.

Soziologie ist nicht gleich Soziologie

Wie ein Kurs inhaltlich aufgebaut ist, unterscheidet sich meiner Meinung sehr. Ich habe die Kurse hier in Belfast als sehr niederschwellig wahrgenommen. Ich hatte weniger soziologische Vorkenntnisse gebraucht, um den Unterricht zu verstehen, mehr eine wissenschaftliche Arbeitsweise mit Literatur zum Beispiel. Dabei wurden die Basics von einer wissenschaftlichen Herangehensweise sehr regelmäßig wiederholt, bis es jede:r verstanden hatte. Theoretische Konzepte wurden eher angerissen und nicht inhaltlich in den Kursen vertieft. Das ist etwas, was ich sehr ausführlich in meinen Soziologiekursen an der LMU München bisher erlebt habe. Meine Kursauswahl fand ich ideal, weil es meine persönlichen Interessen in Nordirland abgedeckt hat. Ich hatte Kurse zu Friedensprozessen, sozialer Ungleichheit und aktuellen Fragestellungen Irlands. Inhaltlich war die Soziologie mehr ein soziologischer Blick, der mit ein bisschen Politikwissenschaft und allgemeiner Sozialwissenschaft gemischt wurde. Ein soziologisches Verständnis von einer Thematik war für mich an der LMU München sonst immer etwas, dass ich mir durch das Erarbeiten von Grundlagentexten aufbauen musste. In Belfast waren meine Kurse vielmehr mit etwas Praktischem, mit einem klaren Sachverhalt wie der Nordirlandkonflikt oder Brexit verbunden. Das ist etwas, was mir in München gefehlt hat, ich hatte das Gefühl, ich verliere mich etwas in all den theoretischen Konzepten und finde keinen Bezug mehr zu etwas gesellschaftlich Konkretem. Insofern hat mir die Kursauswahl hier gutgetan.

Persönlicher und familiärer

In der englischen Sprache gibt es keine Unterscheidung zwischen „Du“ und „Sie“. Im Prinzip ist der Umgang von Student:in zu Dozent:in trotzdem im übertragenden Sinn per Du. Die Anrede wurde seltenst benutzt oder überhaupt eingefordert von den Dozierenden, stattdessen haben alle sich schneller beim Vornamen genannt. Das fand ich sehr befremdlich. „Ich kann doch meine Dozentin nicht einfach mit Vornamen ansprechen?“, habe ich mir oft gedacht. Aber alle E-Mails, die ich mit meinen Dozierenden oder auch anderen Mitarbeitenden der Uni geschrieben habe, enden nur mit dem Vornamen. Eigentlich eine schöne Sache. Grundsätzlich war der Umgang von meinen Dozierenden sehr herzlich, wohlwollend und hilfsbereit. Ich hatte oft das Gefühl, wenn ich in den Pausen meine zehn Nachfragen gestellt habe, dass alle Dozierenden sich gefreut haben mir noch mal persönlich weiterhelfen zu können.

Der Umgang unter Kommiliton:innen fand ich ein bisschen schwieriger – von mehr Distanz geprägt. Vielleicht lag das mit auch am Altersunterschied. Die meisten studieren direkt nach ihrem Schulabschluss weiter und fangen einen Master mit 21 Jahren an. Dementsprechend habe mich viele gefragt, ob ich mit meinen 25 Jahren im Master bin oder promoviere. Schön wärs! Mir persönlich fiel es ein bisschen schwer mit meinen Kommiliton:innen warm zu werden, wenn ich sie nicht außerhalb der Uni schon kannte. Gleichzeitig war es auch schwierig, sich zu vernetzen, da es keine Anwesenheitspflicht in den Kursen gibt. Manche Kommiliton:innen habe ich einfach wochenlang oder sogar gar nicht wieder gesehen. Einmal bin ich in meine Vorlesung gelaufen und dachte, ich bin im falschen Kurs, weil ich kein einziges Gesicht wieder erkannt hatte.

Alles beisammen was das Studiherz begehrt

Wenn ich Freunde zu Besuch hatte, ist allen aufgefallen wie studierendenfreundlich der Campus der Queens University gestaltet ist. Das Studierenfreundliche macht vor allem das Angebot aus. Ich finde, hier lässt es sich sehr gut in seiner Unibubble leben. Die Uni selbst hat ein riesige Gebäude das Student Centre, das nur dazu da ist, um Studierenden einen öffentlichen Raum zu geben: Es gibt einen Supermarkt, ein Café, eine Konzerthalle, eine Bar mit Terrasse (wird auch wahlweise zum Club nachts) und sehr viele gemütliche Plätze zum Rumsitzen oder Lernen. In diesem Gebäude gibt es auch weitere Räume für die Studierendenschaft oder für die sogenannten Clubs and Societies, um sich versammeln zu können. Es gibt aber auch auf dem Campus eine Sporthalle mit einem studifreundlichen Angebot zu allen möglichen Sportkursen und ein Kino, indem manchmal sogar kostenlos Filme geschaut werden können. In der Sporthalle habe ich in den Klettersessions vom Mountaineeriung Club die meisten meiner Freund:innen kennengelernt. Bei alldem ist mein Herz aufgegangen, weil genau dieser Raum für das sich versammeln und sich einfach mal hinsetzen fehlt in München.

Es gibt auch eine große Bibliothek, in der es viele Lernplätze gibt mit einem Café und einem Aufenthaltsraum ohne Konsumzwang. So konnte ich mir sehr viele Plätze aussuchen zum Lernen. Der vielleicht größte Unterschied ist, dass ich hier nirgends meinen Rucksack oder meine Jacke wegsperren muss. Ich kann hier mit allem, was ich habe, reinspazieren. In München muss unbedingt alles an Taschen und Jacken weggesperrt werden (auch die Laptoptasche!).

Eine akademische Reise

Alles in allem, denke ich, hat mir das Studieren in Belfast etwas besser gefallen von den Studienangeboten und der Studienatmosphäre. Inhaltlich finde ich das Bachelorstudium in München zu Soziologie besser für fundierte Soziologiekenntnisse. Dafür aber auch etwas anspruchsvoller, als ich es in Belfast erlebt habe. Ich könnte mir tatsächlich vorstellen, einen Master in Belfast zu machen. Falls ich denn überhaupt einen Master mache. Worin – bin ich mir noch nicht sicher. Die größte Hürde wären da die Studienkosten, die für internationale Studis am höchsten sind (ab 18.800 Pfund pro akademisches Jahr!). Aber als internationale Queens Alumni bekomme ich tatsächlich 20 Prozent Rabatt, was eine Menge Geld ist. Wer weiß, wohin mich meine akademische Reise noch hintreibt. Die Zeit an der Queens University Belfast gehört auf jeden Fall bisher zu den schönsten Semestern, die ich im Bachelor hatte.

Cheers,
Lane

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