11. Juni 2024
Meine Mission im Ausland ist es, viel neue Praxiserfahrungen in der Schule zu sammeln und große sowie kleine Abenteuer im irischen Klassenzimmer zu erleben. Dass ich ein so großes Abenteuer erleben würde, hätte ich allerdings vor meinem Praktikumsstart nicht gedacht
Vor dem Start meines Praktikums in Dublin war ich ganz schön aufgeregt. Nicht nur beschäftigte mich die Sorge, ob mein Englisch wirklich gut genug ist, sondern auch, ob ich immer noch das Zeug dafür habe, Lehrerin zu werden. Denn meine letzte Praxiserfahrung lag schon zwei Jahre zurück und ich hatte das Gefühl, mich in dieser Zeit nicht stark weiterentwickelt zu haben. Für mich ist es außerdem immer aufregend, neue Menschen kennenzulernen, auch wenn ich bisher kaum negative Erfahrungen diesbezüglich gemacht habe.
An dem Wochenende vor meinem ersten Praktikumstag habe ich mich mit den anderen Praktikant*innen zum besseren Kennenlernen in einem Restaurant in Dublin getroffen. Durch eine Mail des Schulleiters hatten wir bereits die Kontaktdaten voneinander, persönlich kennengelernt hatten wir uns allerdings noch nicht. Insgesamt sind wir fünf Praktikant*innen und wir kommen alle aus Deutschland. Das Kennenlernen und der Austausch taten uns allen sehr gut, schließlich waren wir alle in derselben aufregenden Situation. Wir haben uns also viel über unsere ersten Eindrücke von Dublin, Sorgen und Erwartungen ausgetauscht.
Mit zahlreichen Gedanken und Gefühlen im Gepäck stiefelte ich Anfang April frühmorgens los zur Schule, um meinen ersten Praktikumstag zu bestreiten. Tag 1 von 90. Was, wenn es mir an der Schule nicht gefällt? 90 Tage sind eine lange Zeit und diese Zeit an einem Ort zu verbringen, an dem ich mich nicht wohlfühle, stellte ich mir wirklich nicht schön vor. Allerdings verflogen meine Sorgen schnell, nachdem ich sehr herzlich vom Schulleiter und der mir zugeteilten Lehrerin empfangen und begrüßt wurde. Ich wurde den Senior Infants zugeteilt. In Irland startet die Schule für die Kinder schon früher als in Deutschland. Sie kommen bereits mit vier Jahren in die Schule und sind dann die Junior Infants. Die Senior Infants sind fünf bis sechs Jahre alt.
Meine ersten Praktikumstage in Dublin
Als ich auf die Senior Infants traf, waren wirklich all meine Sorgen verflogen. Die aufgeschlossenen und neugierigen Kinder verwickelten mich schnell in Gespräche und ich konnte mich gut mit ihnen auf Englisch unterhalten. Ich fühlte mich direkt wohl in der Klasse und merkte schon an Tag eins, dass ich immer noch Lehrerin werden möchte und dieser Beruf einfach meine Leidenschaft ist. Es hat sich direkt richtig und gut angefühlt, nach zwei Jahren reinem Theorie pauken an der Uni endlich wieder in einer Schule und unter Kindern sein zu können.
In den ersten Praktikumstagen habe ich viele Materialien für die Klassenlehrerin vorbereitet. Ich stand also viel am Laminiergerät oder habe Blätter zurechtgeschnitten. Aber ich hatte auch ausreichend Zeit und Möglichkeiten, um mit den Kindern zu interagieren und ihnen bei ihren Aufgaben zu helfen. Dadurch konnte ich sie Tag für Tag besser kennenlernen und auch besser einschätzen.
Interessant zu wissen:
In Irland startet die Grundschule nicht mit der ersten Klasse! Die Kinder kommen hier bereits mit vier Jahren in die Schule und sind dann die sogenannten Junior Infants. Nach ihrem ersten Schuljahr sind sie die Senior Infants und erst danach kommt die erste Klasse. In der ersten Klasse sind die meisten Kinder bereits 7 Jahre alt.
Meine ersten Tage an der Schule verflogen wirklich wie im Flug. Die Kinder bauten mehr und mehr Vertrauen zu mir auf und ich fühlte mich immer sicherer im Umgang mit ihnen. Das bemerkte auch die Lehrerin. So kam es, dass sie mich vor kurzem gefragt hat, ob ich nicht Lust hätte, ihre Klasse zwei Tage lang alleine zu unterrichten, da sie terminlich bedingt an zwei Tagen nicht in der Schule sein würde. Ich musste nicht lange überlegen und habe das Angebot dankend angenommen – so eine großartige Chance bekommt man schließlich nicht alle Tage.
Plötzlich Klassenlehrerin in Irland
Zudem traute ich mir diese verantwortungsvolle Aufgabe auch zu. In aller Ruhe habe ich mit ihr vorher besprochen, was ich mit den Kindern machen soll beziehungsweise kann und sie hat mir einen ausführlichen Plan per E-Mail geschickt. Allerdings habe ich viele Freiheiten von ihr bekommen und durfte die zwei Tage so gestalten, wie ich es für am besten für die Kinder hielt. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht nervös war. Eine Klasse von 25 Kindern in einem fremden Land hatte ich schließlich noch nie unterrichtet und auch wenn ich mich bereit für diese Aufgabe fühlte, kann ja bei der Arbeit mit Kindern immer etwas schiefgehen – egal wie gut die Vorbereitung ist.
Obwohl zuletzt nicht viel Praxiserfahrung gesammelt hatte, keine fertig ausgebildete Lehrerin bin und ich auf einer Sprache, die nicht meine Muttersprache ist, unterrichten musste, war mein Debüt als Klassenlehrerin in Irland ein voller Erfolg. Die Senior Infants haben mich als ihre neue Klassenlehrerin auf Zeit sofort akzeptiert und respektiert. Und wir hatten zwei sehr schöne gemeinsame Schultage. Ich habe mit ihnen ein neues Thema angefangen, wir haben uns Wildtieren beschäftigt. Und sie durften das erste Mal mit Ton arbeiten und ihre Lieblingswildtiere töpfern. Natürlich gab es auch den ein oder anderen Konflikt zwischen Kindern, aber die Streitigkeiten konnte ich zum Glück schnell schlichten.
Den Plan, den ich mir vorher für beide Schultage überlegt hatte, konnte ich auch fast komplett umsetzen. Lediglich an wenigen Stellen musste ich mehr oder weniger spontan etwas auslassen beziehungsweise abändern, was mir wieder einmal vor Augen führt, wie flexibel Lehrkräfte sein müssen. Mir ist in den zwei Tagen auch wieder bewusst geworden, wie anspruchsvoll und schwierig es ist, allen Bedürfnissen von so vielen Kindern gleichermaßen gerecht zu werden.
Eine Praktikantin aus Deutschland und 25 irische Schulkinder
Als einzige Fachkraft in einer Klasse dafür zu sorgen, dass es mit dem Unterrichtsstoff vorangeht, alle Kinder gut mitkommen und lernen können, es keine Konflikte gibt und, dass es allen Kindern gut geht, ist anstrengend. Ehrlicherweise ist es leider unmöglich, all diese Aspekte gleich gut zu berücksichtigen. Ich wünschte, es wäre anders, doch das ist die bittere Realität und Wahrheit. Und wenn es, wie in meinem Fall, der eigene Anspruch ist, den individuellen Bedürfnissen aller Kinder gleich gut gerecht zu werden, tut es sehr weh, sich das einzugestehen. Meiner Meinung nach müssten mindestens zwei Lehrkräfte und am besten noch eine zusätzliche pädagogische Fachkraft in so einer großen Klasse sein, damit alle Kinder gleich gut versorgt sind. Ob wir in Deutschland jemals dorthin kommen? Ich kann es nur hoffen.
Neue wertvolle Erfahrungen und Erkenntnisse
Obwohl die zwei Tage anstrengend waren, bin ich sehr dankbar dafür, dass mir die Klasse anvertraut wurde und stolz darauf, wie gut die zwei Tage abgelaufen sind. Hätte mir jemand vor wenigen Monaten gesagt, dass ich mal so erfolgreich und ohne große Probleme eine ganze Schulklasse in Irland unterrichten würde, hätte ich das sicher nicht geglaubt! Meine Mission „Abenteuer irisches Klassenzimmer“ läuft also bisher wirklich super, denn ein größeres Abenteuer, als eine komplette Schulklasse alleine zu unterrichten, hätte ich wohl nicht bekommen können. Durch diese tolle Möglichkeit habe ich nicht nur Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen sowie viele wertvolle Erfahrungen im Unterrichten dazugewonnen. Ich habe auch die Bestätigung erhalten, dass ich immer noch das Zeug dazu habe, Lehrerin zu werden und, dass ich das auch immer noch möchte. 👩🏻🏫
Hättet ihr euch getraut, eine Klasse im Ausland alleine zu unterrichten? Lasst es mich gerne wissen!
Bis bald, Sophie