16. Juli 2024
23 Jahre alt, BA-Spanisch-Absolvent und nun geht es ab nach Brasilien als Lehrassistenz für Deutsch als Fremdsprache. Doch wie habe ich das geschafft? Mein Name ist Lars und in meinem ersten Beitrag werde ich genau diese Frage klären.
Die Welt der Stipendien war für mich als Kind einer Nichtakademiker-Familie sehr neu und unübersichtlich. Auf das Stipendium Deutschlehren.International bin ich eher zufällig gekommen. Als ich mich im letzten Jahr beworben habe, war ich noch sehr unsicher und ich habe noch nicht erkannt, welche Aufstiegschancen dieses Stipendium zu bieten hat. Letzten Herbst, am Ende meines Bachelors im Fach Spanisch stand ich vor vielen richtungsweisenden Entscheidungen: Ich war bereits im siebten Semester und wusste nicht so recht, was ich machen sollte. Soll ich die Bachelorarbeit anmelden und direkt in den Master übergehen? Wenn ja, welchen Master sollte ich wählen? Nur eines war mir klar: Nach meinen guten Erfahrungen im Erasmus-Semester in Spanien und meinem Aufenthalt in Buenos Aires wollte ich wieder weg. Schon als Kind hatte ich den Wunsch, nach Brasilien zu gehen. Dies lag unter anderem an der WM 2014, währenddessen hatte ich mich mehr und mehr mit dem Land auseinandergesetzt und letzten Endes im Studium als Nebenfach Portugiesisch gewählt. Ich bewarb mich zunächst auf ein Auslandssemester bei der Universität Hamburg (meiner Heimatuni) für den Master und wollte schnellstmöglich meine Bachelorarbeit anmelden. Mein Portugiesisch-Dozent empfahl mir das DAAD- Jahresstipendium und wir bereiteten die Bewerbung zusammen vor. Die leitende Professorin meines Studiengangs stoppte mich jedoch in meinem eiligen Vorhaben.
Meine Lehre: Ein Studium braucht Zeit
Zugegeben: Die Funktionsweise der Universität habe ich vor meinem Studium nicht ganz verstanden. Meine Eltern haben nicht studiert und konnten mir so auch keine Tipps geben. Spanisch war in der Schule mein Lieblingsfach, also entschied ich mich, es zu studieren. Während des Studiums hatte ich ständig das Gefühl, es schnell beenden zu müssen, fürchtete mich aber gleichzeitig vor dem, was danach kommen sollte. Ich verstand erst nicht, warum wir manchmal nur zwei Stunden am Tag Vorlesungen hatten, während mein Vater jeden Tag um zwei Uhr aufsteht, um im Drogeriemarkt zu arbeiten. Ich gewöhnte mich an den Alltag in der Universität und nahm an den ersten Programmen teil, wie zum Beispiel eine Erasmus-Summerschool in Porto und organisierte mir sogar selber zwei Auslandsaufenthalte. Da ich im Anschluss mein Studium aber schnell beenden wollte, plante ich bereits vor der Bachelorarbeit den Master. Meine Professorin nahm mich jedoch beiseite und empfahl mir, die Bachelorarbeit sehr gut zu planen und mich völlig darauf zu fokussieren. Ich sollte erst das Kolloquium zur Vorbereitung abschließen und mir meine acht Semester Zeit nehmen für den Bachelor. Durch meine zwei freiwilligen Auslandssemester habe ich nach den BAföG-Sätzen sogar die Regelstudienzeit eingehalten. Die DAAD-Bewerbung war aber schon abgesendet – ich musste sie zurücknehmen.
Das Stipendium „Deutschlehren.International“– neue Perspektiven
Zunächst war ich sehr fertig mit der Welt. Spontan schaute ich eines Abends auf der DAAD-Website umher. Zufällig bin ich auf das Stipendium Deutschlehren.International gestoßen. Als ich die Beschreibung las, fühlte ich mich sofort angesprochen: Es wurden graduierte Studierende gesucht, die ein Jahr als Lehrassistenz in einem anderen Land an Hochschulen Deutsch unterrichten wollen. Das Stipendium richtete sich primär an Studierende der Germanistik oder des Fachs „Deutsch als Fremdsprache“, jedoch konnten sich auch Studierende verwandter Fächer, zum Beispiel der Regionalphilologien bewerben.
Neben meinem Studium arbeite ich bereits seit 2023 in einer Sprachschule und hatte dadurch über 300 Stunden Unterrichtserfahrung sammeln können. Außerdem begann ich zur gleichen Zeit das „Sprachcaf´é Deutsch“ an der Universität Hamburg zu leiten. Fähigkeiten zur Didaktik und Unterrichtsplanung konnte ich mir in den Fächern Portugiesisch- und Spanisch als Fremdsprache aneignen. Es gab einige Universitäten in Brasilien, für die ich mich bewerben konnte. Der Bezug zu Brasilien war für mich von Anfang an eindeutig: Ich studiere Portugiesisch und habe durch die kleinen Klassen stets Kontakt zu meinen beiden Lektoren gehalten, die uns viel über die Kultur und Sprache Brasiliens beigebracht haben und von beiden habe ich mir Tipps für meine eigenen Klassen holen können. Mit meinem Portugiesisch-Lektor recherchierte ich viel über die brasilianischen Unis, wir suchten passende Standorte für mich und er gab mir Tipps für meine Bewerbung. Er schrieb mir auch ein Fachgutachten und stellte mir einen Sprachnachweis aus, weil ich sämtliche Sprachkurse belegt habe und somit als sicher in der Sprache gelte.
Sein wichtigster Tipp war, dass meine Bewerbung stets einen Fokus haben sollte: Die Auswahlkommission muss sehen, dass ich mich mit dem Land, der Uni und der Materie auseinandergesetzt und einen klaren Plan für meine Vita habe. Dieser lag für mich auf der Hand: Ich würde gerne Fremdsprachenlektor für die Sprache Deutsch an Hochschulen werden. Vielleicht in Brasilien, vielleicht in Spanien oder auch gerne hier in Deutschland. Ich habe also meine Bewerbung geschrieben und alles gemäß der Frist abgesendet.
Deutschlehren.International
Kulturelle und akademische Erfahrung
Das Stipendium Deutschlehren.International ist die perfekte Möglichkeit, um Lehrerfahrung mit Auslandserfahrung zu kombinieren. Die Ausschreibung beginnt meistens im Herbst. Einige Standorte werden im Frühling ausgeschrieben. Das Stipendium wird vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) vergeben.
Den Auswahlprozess und Bonn erleben
Meine Bewerbung war sehr gut ausgearbeitet und durchdacht, deswegen war ich zwar erleichtert, aber nicht überrascht, dass ich zum persönlichen Auswahlgespräch eingeladen wurde. Ich nahm mir den Februar frei und ließ die Bachelorarbeit pausieren, um mich intensiv in das Thema Germanistik, Deutsch als Fremdsprache und Didaktik einzulesen. Schließlich studierte ich Sprachwissenschaften und war somit eher auf theoretische Fragen der romanischen Sprachen fokussiert. Außerdem musste ich eine Unterrichtseinheit vorbereiten, die ich der Auswahlkommission präsentieren sollte. Auch hierbei sprach ich mich stets mit meinem Dozenten ab und erhielt wertvolle Tipps. Die Einheit musste ein klares Ziel verfolgen und sollte lediglich ein Thema behandeln.
Als ich nach Bonn zum Auswahlgespräch gefahren bin, war ich sehr aufgeregt. Ich kam extra einen Tag früher an, damit ich mich noch mal gut erholen konnte. Am nächsten Morgen betrat ich das Gustav-Stresemann-Institut und musste vor der Kommission vorsprechen. Diese war mir zum Glück wohlgesonnen und setzte mich nicht unter Druck. Die Fragen, die sie mir stellten, konnte ich meiner Meinung nach gut beantworten. Es ging um meine Planung, um akademische Alternativen zum Stipendium, um linguistische bzw. grammatische Fragen und um die Frage der Umsetzung meiner Unterrichtseinheit. Erleichtert verließ ich das Gespräch nach 15 Minuten und spürte merklich, wie der aufgestaute Druck von mir abfiel. Dann gings für mich als Hamburger erst mal nach Maastricht. Wenn ich schon mal so nah an den Niederlanden war, wollte ich doch gerne mal wieder rüberfahren und Freunde besuchen.
Zusage und Vorbereitungen
Über einen Monat musste ich warten, bis ich den Nominierungsbescheid für die Universidade Estadual de Campinas erhalten habe. Ich nahm die Nachricht recht gefasst auf – uns Norddeutschen wird ja eine gewisse Reserviertheit nachgesagt. Natürlich war ich aber sehr glücklich, da dieses Programm perfekt zu mir passt und der Zeitpunkt zwischen Bachelor und dem Master ein sehr guter ist. Zum einen gibt es mir Zeit, mich für den richtigen Master zu entscheiden und zum anderen bekomme ich die Möglichkeit, einmal die Rollen zu wechseln und selber als Unterrichtender vor einer Klasse zu stehen – dies ist schließlich aktuell mein Berufswunsch.
Was nun folgt, ist Papierkram: Dokumente unterschreiben, Nebentätigkeiten melden, das Visum beantragen, auf Rückmeldung der Gastuni warten. Gerade der finanzielle Aspekt war ein zentrales Thema, dies möchte ich aber in einem eigenen Blogeintrag besprechen.
Besonders gut gefiel mir der Vorbereitungsworkshop: Dieser bestand aus zwei Tagen verpflichtende Online-Workshops und aus zwei weiteren Tagen in Präsenz. Ich besuchte einen Workshop zum Thema „Phonetik des Deutschen“, in dem ich lernte, welche Melodie die deutsche Sprache hat und wie ich sie vermitteln kann. Außerdem gab es einen Workshop, der sich mit wissenschaftlichen Arbeiten von Deutschlernenden auseinandergesetzt hat. Nach welchen Maßstäben sollten diese bewertet werden?
Im Gustav-Stresemann-Institut wurden uns Zimmer reserviert, sogar Einzelzimmer mit eigenem Bad. Wir lernten uns kennen und konnten spannende Workshops besuchen. Besonders das Connecten mit den anderen Stipendiat:innen hat mir sehr gut gefallen. Wir waren circa 100 Personen, die in alle Welt reisen. Außerdem bot es gute Möglichkeiten, sich auch mit den DAAD-Mitarbeitenden auszutauschen, um wertvolle Tipps zu bekommen. Zum Beispiel stellte eine Koordinatorin ein Programm vor, bei dem ihr bis zu fünf Jahre im Ausland als angehende Lektor:innen eine Lehrtätigkeit ausführen könne. Diese Art der Berufs- bzw. Einstiegsmöglichkeiten waren mir bisher fremd und somit beeindruckte mich das Wochenende in zweierlei Hinsicht: Ich habe ein komplett neues akademisches Umfeld kennengelernt und uns wurden Hotelzimmer, die Anreise und das Essen komplett bezahlt.
Was ist mein Ziel und was könnt ihr erwarten?
Neben dem Kennenlernen von Land und Leuten und dem Knüpfen neuer Freundschaften habe ich vor allem ein akademisches Ziel: Ich möchte wertvolle Unterrichtserfahrung sammeln, mein Portugiesisch verbessern und schauen, ob die Lektorentätigkeit wirklich etwas für mich ist. Außerdem möchte ich nebenbei eine Fortbildung im Goethe-Institut zum „Deutsch als Fremdsprachenlehrer“ machen. In diesem Blog möchte ich vor allem Nichtakademiker-Kinder dazu ermutigen, sich auf Stipendien zu bewerben und euch allen zeigen, wie ihr einen Auslandsaufenthalt organisiert und was es für einen persönlich bringt. Außerdem müssen wir natürlich auch über Geld reden: Ein Thema, das mir in der akademischen Bubble manchmal zu kurz kommt. Aber nicht jeder kann lange studieren, sich einen Auslandsaufenthalt selber finanzieren oder „erst mal den Bachelor beenden und dann mal sehen“- auch ich nicht. Doch Auslandsaufenthalte und Stipendien sind nicht nur etwas für eine kleine Elite.
Ich erhoffe mir von dem Stipendium ein Upgrade für meinen Werdegang. Schließlich plane ich noch einen Master im Bereich Deutsch als Fremdsprache und habe das Ziel ein Fremdsprachenlektor zu werden. Meinen Bachelor habe ich letzte Woche beendet- zwei Wochen vor meiner Ausreise. Somit wartet nun der nächste Schritt auf mich.