5. Dezember 2016
Es wird Zeit euch ein wenig über meine Schule zu erzählen! Also machen wir einen imaginären Rundgang durch mein Lyzeum. Alles anschnallen, es könnte ungewohnt werden…
Portiere, Fanfare, Mensa, Zivilverteidigung
Das erste was einem auffällt, wenn man das Lyzeum Nr. 176 betritt, ist dass man nicht einfach so reinkommt. Es gibt Drehtüren, die durch eine bestimmte Karte oder einen Knopfdruck des Portiers geöffnet werden. Erst dann kann man die Schule betreten. Fremde oder Eltern müssen sich meist anmelden.
Als nächstes sieht man den Flur entlang verschiedene Bilder oder Aufsteller von Schülern und eine riesige Menge an Pokalen und Urkunden. Mir ist aufgefallen, dass in Russland sehr viele Wettbewerbe stattfinden. Sport, Gesang, Theater, Mathe, Physik, Kunst für alles und jeden gibt es den passenden Wettbewerb. Die Schüler verbringen gefühlt ihre komplette Freizeit in der Schule, um Theaterstücke, Filme, Videos, Roboter und mehr für Wettbewerbe anzufertigen. Gewinner solcher Wettbewerbe sind bei den Lehrern und der Schulleitung sehr angesehen, da sie der Schule Prestige bringen. Im Flur hängen riesige Tafeln mit Aufschriften wie „Unser Stolz“, darunter befinden sich Bilder von besonders guten oder erfolgreichen Schülern.
Spätestens wenn es dann aber im Flur klingelt, möchte man schnellstmöglich in sein „Fachkabinett“, also den Unterrichtsraum! Das Klingeln in meiner Schule ist tatsächlich eine Fanfare, zudem ist sie wirklich laut.
Also schnell die Treppen hoch, im zweiten Stock befindet sich das Deutschkabinett. Einige Lehrer haben ihr eigenes Fachkabinett, wie meine Mentorin oder dienstags bis donnerstags ich! Das Kabinett können die Lehrer gestalten, wie sie möchten. Zudem befinden sich dort meist viele Unterrichtsmaterialien. Die meisten dieser hat meine Schule als „Pasch„-Schule vom Goethe Institut bekommen.
Gleich klingelt es also wieder und der Unterricht beginnt. Unterrichtet wird von Montag bis Samstag. Der Unterricht findet in zwei Schichten statt, da viele Schulen zu klein sind, um alle Schüler gleichzeitig zu unterrichten. Daher kann es vorkommen, dass man als Lehrer Unterricht von 8.00 – 18.25 Uhr hat. Auch die Schüler können sich teilweise solange in der Schule aufhalten.
Dies kann sehr anstrengend für alle Parteien sein, denn der Schulhof wird nicht benutzt. Die Schüler ziehen sich um, nachdem sie in der Schule angekommen sind. Ihre Kleidung wird in der Garderobe eingeschlossen, einfach mal kurz raus ist also nicht. Zudem tragen die Schüler in der Schule eine Art Uniform. Es handelt sich hierbei nicht um die selbe Kleidung, sondern sehr schicke Kleidung. Sich umziehen dauert also ziemlich lange…
Die Kleiderordnung wird übrigens einmal die Woche von älteren Schülern überprüft. So eine Überprüfung findet mitten im Unterricht statt. Alle Schüler müssen aufstehen, sie werden kurz begutachtet und dann kann der Unterricht weitergehen. Lehrer haben sich in Russland auch förmlich zu kleiden. Die meisten Frauen tragen Kleider und hohe Schuhe. Die Männer Anzüge. Jeans sind eigentlich tabu. Ich sage eigentlich, da ich meine Gott sei Dank tragen darf, da sie einfarbig sind. Somit brauche ich nicht zwei Stunden morgens mit den öffentlichen Verkehrsmitteln bei durchschnittlich -20°C im Röckchen zu frieren!
Es klingelt wieder! Eine Unterrichtsstunde dauert nur 45 Minuten in Russland und darauf folgt meistens eine 20-minütige Pause, in der man fix zur Mensa essen gehen kann. Ich bin nicht wirklich begeistert vom Schulessen. Es ist zwar wirklich sehr günstig, aber die meistens Sachen sind mir wirklich viel zu süß. Ich wundere mich auch nicht mehr, dass meine Schüler so aufgedreht sind. In Russland trinkt man en masse Schwarztee (teilweise mit gefühlten 5 Löffeln Zucker die Tasse), zudem kaufen sich die Schüler in den Pausen häufig süße Brötchen. Bei dem Zuckerkonsum ist es kein Wunder, dass man bei einigen das Gefühl hat, dass sie nicht still sitzen können.
Auf dem Weg von der Mensa zu meinem Klassenzimmer komme ich beim Kabinett für „OBZH“ vorbei. Übersetzen könnte man dieses Fach mit dem Wort „Zivilverteidigung“. Tatsächlich ist es mein liebstes Fach und das Einzige in dem ich hospitiert habe (neben Russisch), weil es mich so interessiert hat! Die ersten beiden Wochen schlich ich in den Pausen immer vorbei, was daran interessant ist? Der OBZH-Lehrer stellt den Schülern in den Pausen immer zwei Tische auf den Flur, mit Munition und einer Kalaschnikow. Die Schüler versuchen auf Zeit die Kalaschnikow auseinander- und wieder zusammenzubauen oder eben das Magazin schnellstmöglich mit Munition zu füllen und wieder zu leeren. Nach gewisser Zeit sprach ich den Lehrer eines donnerstags an, ob ich bei ihm hospitieren dürfte, da ich eine Freistunde hätte, auf russisch „Okoshko“, Fensterchen. Woraufhin er mir mitteilte, dass er als nächstes seine Nachmittagsgruppe/AG betreuen würde und sie in den Keller gingen und ich keine Angst haben sollte. Da der zweite Deutschlehrer gerade vorbeikam bat ich ihn fix ein wenig zu übersetzen, da mir Militaria und deren russisches Vokabular fremd waren. Kurzerhand stand ich 20 Minuten später im Keller mit einem Luftgewehr in der Hand und lernte schießen. Was soll ich sagen? Es hat echt Spaß gemacht und ich war anscheinend ein Naturtalent, zumindest darf ich jetzt immer kommen und meine Zielscheibe sah vielversprechend aus! Und keine Angst, die Schüler lernen auch andere Sachen, z.B. Knoten schnüren oder erste Hilfe. Die Schüler die die Arbeitsgemeinschaft besuchen nehmen an verschiedenen Wettkämpfen teil und messen sich in diesen Disziplinen mit anderen Schulen.
Wir wären nun am Ende des imaginären Rundgangs angekommen. Besuchen Sie uns bald wieder!