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Deutschunterricht in Japan: Ein Sprung ins kalte Wasser

In Japan mache ich ein freiwilliges Praktikum, da ich alle Pflichtpraktika, auch eins im Ausland, schon abgeschlossen habe. Kurz vor meinem Staatsexamen sollte ich eigentlich alles draufhaben – aber gefühlt ist das noch lange nicht so.

„Hey Marie – kannst du morgen meine Deutschstunde übernehmen?“ – „Klar, gerne! Kein Problem.“ Aber ist es wirklich kein Problem? Den gesamten Nachmittag habe ich mir über die Stunde Gedanken gemacht. Was ist mein Unterrichtsziel? Wie steige ich ein? Wie kann ich Abwechslung und Methodenvielfalt schaffen, ohne die Schüler zu überfordern? Selbst jetzt, kurz vor meinem ersten Staatsexamen und demnächst vor meiner ersten eigenen Klasse im Referendariat, zweifle ich manchmal an mir selbst. An meiner Kompetenz, besonders in Fächern, die ich bisher seltener unterrichtet habe. Deutsch ist eins dieser Fächer. Andere Lehrer planen ihren Unterricht gefühlt im Handumdrehen, während ich Stunden, teilweise Tage brauche, um eine einzige Unterrichtsstunde so zu konzipieren, dass ich damit zufrieden bin.

Unterrichtsmaterialien Deutsch
Meine Vorbereitung auf die Deutschstunde der 3. Klasse


Diese und ähnliche Gedanken begleiteten mich auch in meinem Praktikum in Japan. Aber entspricht das wirklich der Realität? Die Deutschstunde, die mich unvorbereitet „getroffen“ hat, war total aus dem Kontext gerissen. Ich hatte die Klasse vorher nicht im Deutschunterricht gesehen und wusste nur das Thema: Elfchen und Akrostichon. Ich wusste nicht, was die Kinder davor gemacht hatten, wie leistungsstark sie waren oder welche Rituale sie kannten. Es war meine erste eigene Deutschstunde. Hätte die Stunde besser laufen können? Vermutlich. Hatten die Schüler Spaß und Freude am Unterricht? Ja. Haben sie was gelernt? Auf jeden Fall. Und ich? Absolut.


Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass Unterricht nicht immer perfekt laufen muss, damit die Schüler etwas lernen. Oftmals kommt es mehr darauf an, dass sie Freude am Lernen haben und aktiv mitmachen. Manchmal reicht es, ihnen den Raum zu geben, sich selbst zu entfalten – und das habe ich in Japan besonders gelernt.

Lehren und Lernen im Ausland: Ein Perspektivenwechsel

Im Ausland lernt nicht nur die Lehrkraft dazu, sondern auch die Person dahinter – vielleicht sogar mehr als in den Praktika im Inland. Hier kann ich nicht nur eine andere Art des Unterrichts beobachten, sondern auch Neues ausprobieren. Die oben beschriebene Stunde war nicht die einzige, die ich gehalten habe. Meine Mathestunde zum Beispiel fiel mir deutlich leichter, obwohl der Matheunterricht hier ganz anders abläuft als in Deutschland.

Der Unterricht an der DSKI ist offener und stärker schülerorientiert. Der Lehrerinput beschränkt sich auf eine kurze Einführung zu Beginn der Stunde, gefolgt von gezielter Unterstützung. Das klingt zunächst nach weniger Aufwand für die Lehrkraft, aber die 45 Minuten aus Deutschland sinnvoll auf etwa 10 Minuten zu kürzen, ist eine echte Herausforderung. Auch die freie Erarbeitungszeit will gut geplant sein: Was sollen alle Schüler bis zum Ende der Stunde erreicht haben? Wie lassen sich die Aufgaben differenzieren, damit jeder gefordert und gefördert wird?

International curriculum

An meiner Praktikumsschule (der DSKI) wird nach dem „International Curriculum“ unterrichtet.
Über 10.000 Schulen in über 160 Ländern folgen dem Cambridge-Lehrplan. Die Schüler:innen erwerben weltweit anerkannte, internationale Cambridge-Abschlüsse. Da die Schulen den Lehrplan von Cambridge auch mit anderen Lehrplänen kombinieren können, wird an der DSKI für Kinder mit Deutsch als Muttersprache auch zusätzlich der Thüringische Lehrplan angeboten.

Von dieser Art des Unterrichts wird oft an der Uni gesprochen: Die Schüler arbeiten viel selbstständiger, während die Lehrkraft als Unterstützer agiert, das fördert auch die Selbstständigkeit der Schüler. Genau dieser Unterschied – der offene, schülerzentrierte Unterricht – hat mir gezeigt, wie unterschiedlich Schulsysteme sein können. Japan bzw. die DSKI hat mir in dieser Hinsicht viele neue Perspektiven eröffnet und mich darin bestärkt, auch im Referendariat weiterhin offen für neue Ideen zu bleiben.

Ein Blick auf das Schulsystem: Offener, fordernd

Ehrlich gesagt, wenn ich frisch in diesen offenen Unterricht komme und die klaren Strukturen aus Deutschland gewohnt bin, sieht es zunächst nach viel Chaos aus. Doch je länger ich im Praktikum war, desto mehr erkannte ich die Strukturen, an die sich die Schüler halten und innerhalb derer sie frei agieren können. In Deutschland haben wir vor diesem geordneten Chaos oft noch Respekt und halten gerne an den gewohnten Strukturen fest. Dabei entgeht uns vielleicht manchmal der große Entdeckergeist der Kinder, der in diesem Schulsystem sehr gestärkt wird. Die Kinder werden hier zu Experten auf den Gebieten, die sie sich selbst erarbeiten. Die 3. Klasse konnte mir auch ein Jahr später noch genau erklären, wann, wie und warum die erste Landkarte der Welt entstand. Während meiner Zeit mit der Klasse beschäftigten sie sich gerade mit dem Thema menschlicher Körper. Nach einer Kunststunde zeigten sie mir stolz ihre Körpermodelle aus Knete, komplett mit verschiedenen Organen.

Es sind diese Momente, in denen mir klar wurde, wie viel Potenzial ein offener, schülerzentrierter Unterricht birgt. Die Kinder lernen durch eigene Entdeckungen und behalten das Wissen, weil sie es sich selbst erarbeitet haben. Es ist faszinierend zu sehen, wie sehr sie sich für ein Thema begeistern, wenn sie den Raum bekommen, ihrer Neugier zu folgen und Verantwortung für ihr eigenes Lernen zu übernehmen.

Natürlich ist es herausfordernd, diesen Ansatz im eigenen Unterricht zu integrieren – besonders, wenn klare Strukturen vertraut sind. Doch gerade darin liegt der Wert: den Mut zu haben, neue Wege zu gehen, alte Muster zu hinterfragen und sich von den Schülerleiten zu lassen. Japan und die DSKI haben mir gezeigt, dass „geordnetes Chaos“ nicht nur funktioniert, sondern Schülersogar zu echten Expertauf ihrem Gebiet machen kann.

Im Referendariat werde ich versuchen, dieses Vertrauen in die Fähigkeiten der Kinder und die Offenheit für neue Methoden mitzunehmen. Denn letztlich geht es nicht darum, alles perfekt zu machen, sondern die Schülerauf ihrem Weg zum selbstständigen Lernen zu begleiten – sei es in Deutschland oder Japan.

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