studieren weltweit

(Podcast-Transkript zu Folge 12) Die Liebe und andere Herausforderungen: Ein Semester im Kaukasus

00:00:00:00

[Musik]

Lene:

Also es war ein fremdes Land auch und dann auch einfach Freunde finden, ausgehen, auch die Uni überhaupt, wie man damit alles umgeht, was man lernt, was so Ängste sind, die man hatte auch. Ja, es war viel, aber gut, im guten Sinne. Also deswegen macht man ja auch ein Auslandssemester, um Sachen zu erfahren und nicht nur das Gute. Also es soll schon ruhig alles dabei sein.

[Sound]

00:00:26:03

[Musik]

Lene:

Willkommen zurück bei „studieren weltweit – der Podcast“. Schön, dass ihr auch bei der zweiten Staffel dabei seid. Ich bin Lene und ich nehme euch zusammen mit meinen Gäst:innen wieder mit ins Ausland. Ich spreche mit ehemaligen Auslandsstudierenden über ihre Erfahrungen. Was war schön? Was waren die Schwierigkeiten? In dieser Staffel fragen wir uns: Studieren im Ausland? Immer alles so easy? Los geht’s.

[Sound]

00:00:51:24

Off-Sprecher:

Achtung: In dieser Folge werden Themen behandelt, die möglicherweise emotional belastend sind. Schau für weitere Informationen in die Shownotes.

[Sound]

00:01:00:05

Lene:

David, voll schön, dass du heute da bist vor Ort und dass du mit mir heute über das Thema … es werden ganz viele verschiedene Themen sein. Du warst super viel in allen möglichen Ländern. Du warst schon in vielen Ländern.

00:01:13:11

David:

Ich bin schon herumgekommen, ja.

00:01:15:09

Lene:

Genau. Ich erkläre mal ganz kurz deinen Hintergrund. Du bist in Ungarn geboren und groß geworden und hast dort auch deinen Bachelor gemacht, angefangen und hast dann in deinem Bachelor ein Auslandsjahr in den Niederlanden gemacht, von 2019 bis 2020.

00:01:32:08

David:

Ja.

00:01:32:16

Lene:

Und dann bist du zurück nach Ungarn, hast dort den Bachelor beendet, bist dann nach Berlin gekommen beziehungsweise Potsdam und hast dort angefangen, deinen Master zu machen und hast innerhalb von diesem Studium noch mal ein Auslandssemester gemacht und zwar in Georgien, in Tiflis, oder auch –

00:01:53:09

David:

Genau.

00:01:54:15

Lene:

– Tbilisi. Und zwar von September 2023 bis Februar 2024. Genau und wir wollten heute ein bisschen die Schwierigkeiten, die Herausforderungen ansprechen, die „Heartbreaks“, die du so durchgemacht hast. Vielleicht auch so ein bisschen in einer gewissen Weise ein paar politische Dinge, kulturelle Dinge, Kulturschocks, Selbsterkennung und vieles mehr. Da freue ich mich schon sehr drauf. Als du in Georgien angekommen bist, bist du erst mal nach Batumi gegangen.

00:02:27:21

David:

Ja, das ist korrekt.

00:02:29:19

Lene:

Und da hast du dir eine Drag-Show angeguckt.

00:02:32:15

David:

Ja, also Batumi ist quasi die zweitgrößte Stadt in Georgien. Die liegt an der Schwarzmeerküste und es ist eine Stadt, die hat jetzt einen megagroßen Aufschwung bekommen und ist in den letzten zehn, fünfzehn Jahren richtig hochgekommen und es wird viel investiert. Es gibt sehr viele Casinos und Nachtleben und so. Es ist auch eine ganz komische Stadt und ich empfehle es nicht unbedingt …

[Sound]

als erste Stadt in Georgien, um anzukommen und so.

[Sound]

Aber ich habe es gemacht. Und ich war auch noch alleine da. Also ich habe da auch niemanden gekannt und so. Und dann war ich so: Okay, was mache ich denn jetzt? Und dann habe ich zufälligerweise irgendwie mitbekommen, dass da eine Drag-Show ist. Und Georgien hat eine wahnsinnig interessante und gute Drag-Szene, aber die ist in Tbilisi oder in Tiflis und nicht irgendwie in Batumi. Weil Batumi ist auch eher ein bisschen konservativ und sehr russisch geprägt und ist es ein anderes Publikum in der Stadt. Und dann bin ich einfach auf diese Drag-Show gegangen und es war richtig gut. Es hätte auch hier in Berlin sein können, so von der Qualität her.

00:03:48:10

Lene:

Ja.

00:03:48:20

David:

War natürlich ein bisschen anders als hier, weil man hat ja auch …

[Sound]

… einen richtigen Security-Check bekommen, dass man überhaupt so rein kann und man durfte auch nicht filmen.

[Sound]

00:03:58:00

David:

Und ja, ich war halt alleine. Es war auch mega „awkward“, aber ich habe es gemacht und dann war ich auch richtig glücklich.

00:04:03:00

Lene:

Cool!

00:04:03:15

David:

War auf jeden Fall eine gute Erfahrung.

00:04:05:20

Lene:

Ja, du hattest damals … also ich habe mir den Blog vorher angeschaut, auf „studieren weltweit“. Und da hattest du das betitelt als das Las Vegas, so ein bisschen.

00:04:14:14

David:

Genau.

00:04:15:16

Lene:

Genau, hätte ich nicht erwartet, so was in Georgien zu finden.

00:04:17:19

David:

Ja, Las Vegas ist auch finde ich ein bisschen übertrieben.

00:04:20:05

Lene:

Okay.

00:04:21:07

David:

Aber schon.

00:04:21:17

Lene:

For the clicks.

00:04:22:06

David:

Man muss sich das so vorstellen: Das sind wirklich große Glashäuser und wirklich viel, also wie man sich so eine Casino-Stadt halt vorstellt. Und du kommst auch an, zum Beispiel in Kutaisi am Flughafen und sofort kriegst du irgendwie auf diesen Werbeplakaten irgendwie so: „Invest in Batumi.“ Oder auf Instagram habe ich dann diese Ads bekommen: „Kauf eine Wohnung.“ I’m not the target audience, babe. Sorry. Aber ja, es boomt richtig. Aber ich habe auch gelernt die Stadt ein bisschen besser zu lieben. Aber ich musste auf jeden Fall noch ein zweites Mal dahin.

00:04:59:00

Lene:

Okay. Ja, ich habe gesehen, du bist viel herumgekommen in Georgien. Du hattest geschrieben, Georgien ist ungefähr so groß wie Bayern. Hätte ich nicht gedacht. Sieht auf der Karte irgendwie größer aus. Wie dem auch sei. Auf jeden Fall hast du da einiges gesehen und hattest auch zur Ankunft in die Familien-Chat-Gruppe geschrieben, dass du angekommen bist und da hat deine Omi drauf geantwortet. Ich fand das lustig, weil du das nämlich gepostet hast. Ich habe für dich gebetet: „Pass auf dich auf. Ist Georgien nicht ein armes Land? Wieso haben sie so hoch gebaut?“ Fand ich sehr lustig, weil du anscheinend Fotos geschickt hast von den ganzen Hochhäusern. Was sagst du zur Architektur von Georgien? Wie sieht es da so aus?

00:05:41:16

David:

Also Batumi ist gar nicht repräsentativ für den Rest des Landes. Also so wirklich hohe Häuser wirst du irgendwo anders nicht sehen. Also in Tiflis vielleicht so ein paar, aber Georgien ist da, … also Batumi ist da so bumm. Und es ist auch nicht unbedingt sehr ästhetisch. Georgische Architektur, natürlich sind Kirchen und alte Architektur sehr bekannt, aber es gibt auch einen richtigen Tbilisi-Style auch von den Innenhöfen zum Beispiel und den Terrassen und generell, wie auch … Das ist so ein Stil, der ist überall auf dem Land den man irgendwie verbreitet, der ist auch richtig schön. Und auch die Altstadt von Tiflis ist halt ein Träumchen. Es ist aber auch sehr natürlich sowjetisch geprägt und ich finde auch so überhaupt Städte … also so Ästhetik ist halt ein wahnsinnig interessantes Thema, auch wie die Gesellschaft damit umgeht und welche Ästhetik ist dann das, was irgendwie positiv und welches, was negativ angenommen wird. Da wird ja immer so ein Mehrwert damit verbunden. Und zum Beispiel mag ich eigentlich diese Blockhäuser. Und in Ungarn habe ich auch nie in so Blockhäusern gelebt. Ich musste erst nach Berlin ziehen und jetzt wohne ich im DDR-Prachtviertel. Und davon gibt es natürlich auch viele.

00:07:10:00

Lene:

Sehr schön. Du hast so schöne Bilder gepostet.

00:07:14:01

David:

Danke schön.

00:07:15:00

Lene:

Das war so schön. Du warst auch in Armenien. Da möchte ich später auch noch mal ein bisschen drauf eingehen und einfach wunderschön, wie es da aussieht. Eigentlich dachte ich immer, ich wäre die Typin, der Typ für wärmere Regionen, aber nachdem ich die Bilder gesehen habe, dachte ich: Nein, eigentlich zieht es mich auch nach Georgien und Ähnliches.

00:07:35:01

David:

Es kann aber auch sehr warm sein.

00:07:37:06

Lene:

Und du hast dort ja studiert. Wie war denn das Campusleben? Wie ist denn der Campus dort?

00:07:41:19

David:

Also ich war an der TSU, das ist die Tbilissi State University, was eine der größten Unis überhaupt in Tiflis ist, oder in Georgien. Das Campusleben kann ich gar nicht so sehr beschreiben, weil ich glaube, ich war schon ein bisschen in meiner Exchange-Bubble drin, was ja auch meistens der Fall ist. Aber Ich hatte auch wahnsinnengroßes Glück mit den Leuten, die auch da waren,

[Sound]

weil ich habe wirklich so das Gefühl gehabt, ich habe jetzt meine Gang gefunden und dafür bin ich auch sehr, sehr dankbar.

[Sound]

Also da sind wirklich gute Freundschaften dadurch entstanden.

00:08:26:19

Lene:

Mit der Exchange-Bubble möchtest du sagen, dass du eben nur mit Austauschstudierenden unterwegs warst? Oder was meinst du damit?

00:08:34:07

David:

Ja, schon. Man hat jetzt nicht wirklich viel Kontakt mit den georgischen Studis gehabt, weil die hätten auch theoretisch bei den Kursen teilnehmen können. Also es war jetzt nicht so, dass wir komplett da abgeschottet worden sind, aber von den Kursen, so, keine Ahnung, „Introduction to the South Caucasus“. Also wenn man in Georgien lebt, muss man keinen Introduction-Kurs nehmen. So ist das irgendwie nicht zustande gekommen, aber ich habe dann auch viele aus Georgien kennengelernt, aber weniger über die Uni, sondern über andere Wege.

00:09:10:20

Lene:

Da möchte ich auch auf jeden Fall, … so viele Themen, über die wir heute reden können. Erst mal noch die Frage: Hast du Georgisch vorher gelernt oder hast du da einen Sprachkurs gemacht?

00:09:21:18

David:

Ich habe einen Sprachkurs gemacht. Ganz liebe Grüße gehen an Miss Ketevan, beste Lehrerin ever. Nein, also der Kurs war richtig gut und ich habe auch dann die Freunde durch diesen Kurs auch wirklich kennengelernt, weil der hat zwei Wochen vor Semesterbeginn oder Kursbeginn, hat der Sprachkurs schon gestartet. Und ja, ich meine, Georgisch ist auch eine Sprache, die ist mit keiner anderen Sprache verwandt, hat auch nichts mit dem russischen zu tun, was auch viele auch so annehmen, weil …

00:09:56:15

Lene:

… der Klang ähnlich ist?

00:09:57:18

David:

Gar nicht. Also nur irgendwie sowjetische Geschichte und …

00:10:02:10

Lene:

Ich bin kurz gegen das Mikrofon gekommen.

00:10:04:23

David:

… Sowjetische Geschichte und halt einfach die Nähe zu Russland. Und davon haben viele Leute einfach die Vorstellung, dass es eine slawische Sprache ist, was nicht stimmt. Also Georgisch und Armenisch zum Beispiel auch, die haben beide ein eigenes Alphabet, eine ganz eigene Sprachfamilie. Also Familie … es ist halt nur eine Sprache. Aber ich wollte das unbedingt machen, weil zum Beispiel in den Niederlanden musste ich nicht unbedingt Niederländisch lernen, weil Englisch ist voll gängig und mit Deutsch versteht man sehr viel. Aber in Georgien ist das … also ich habe das irgendwie auch als Zeichen von Respekt empfunden. Und die Leute waren immer sehr, sehr beeindruckt, wenn du als Deutscher zum Beispiel etwas auf Georgisch irgendwie bestellst oder so, einen Small Talk machen kannst. Das ist richtig gut.

00:11:00:17

Lene:

Das ist super. Wie viel hast du denn mitgenommen? Kannst du noch …

00:11:04:00

David:

Ja.

00:11:04:20

Lene:

Wie gut kannst du reden? Wollen wir kurz mal auf Georgisch switchen?

00:11:09:10

David:

Ara (არა). Ara (არა) ist nein.

00:11:11:07

Lene:

Ich dachte, es wäre ja.

00:11:15:09

David:

Also ich würde schon … eine stolze A1 habe ich schon geschafft.

00:11:18:03

Lene:

Okay, cool.

00:11:19:14

David:

Also so Basic conversation. Also ich könnte irgendwie auf den Markt gehen und fragen, was etwas kostet. Und wenn ich Glück hatte, haben die dann auch eine Zahl gesagt, die ich auch verstanden habe. Das war natürlich nice. Aber doch, so die Basics. Und meistens reicht das auch.

00:11:38:15

Lene:

Da hast du recht. Ich finde auch, das ist super gut, wenn man in einem anderen Land ist und bereits einige Wörter zumindest kennt. Die Leute sind so viel offener und verständnisvoller und haben so das Gefühl: „Ach, die Person möchte sich wirklich mit uns und unserem Land auseinandersetzen.“ Du hast eben den Markt erwähnt und ich hatte gesehen, du hast irgendwie einen Kurs belegt, bei dem du auf den Markt gehen solltest und dir dann dort die Geschichte anhören und anschauen solltest. Kannst du das noch mal genauer erzählen?

00:12:07:23

David:

Ja, klar. Das war auch mein Lieblingskurs von den Kursen, die ich an der Uni hatte. Das war „Anthropology of Post-Socialist Societies“. Es war eigentlich ein Anthropologiekurs, also nicht Soziologie, was ich jetzt studiere, aber das ist natürlich ähnlich in vieler Hinsicht. Und da hatten wir die Aufgabe, … es gibt einen Markt, einen Basar. „Dezerter Bazaar“ heißt der. Das ist der größte Markt in Tbilisi und ist halt megachaotisch. Aber es ist nicht so für Touristen, es ist nicht gentrifiziert. Da sind halt so wirklich Alltagsleute, die benutzen den immer noch, also richtig authentisch.

Und auf dem Markt sind wir auch eigentlich durch diesen Kurs am Anfang auch gekommen, weil die Aufgabe war: Wir mussten dahin gehen. Dann gab es so eine Audio-Tour oder so eine Guided-Tour, die hat uns dann durch den Markt geführt und dann Lebensgeschichten …

[Sound]

… von den Verkäufern und Verkäuferinnen erzählt oder was sie machen, woher sie kommen, wieso sind sie da. Und man hatte dann auch ein paar Aufgaben. Es war manchmal ein bisschen praktisch, aber manchmal auch ein bisschen abstrakt. Also irgendwie: Bleib am Punkt X stehen, guck dich um, siehst du die Farbe Rot? Was ist das? Und dann konntest du dann einen Moment stehen bleiben und einfach so wirklich diesen „observing-Modus“ einschalten.

00:13:42:01

David:

Oder wie zum Beispiel auch so Essen und Identität. Was verbindest du zum Beispiel mit dem … also hast du überhaupt einen Bezug zum Markt an deinem Heimatort? Oder was bedeutet es zum Beispiel für eine Community, so einen Markt zu haben? Geht es wirklich nur darum, … ich gehe da hin und kaufe mir was zu essen? Oder was sind da für Facetten und Lebensgeschichten auch dahinter?

00:14:03:03

Lene:

Das klingt super –

00:14:04:03

David:

Das war richtig interessant.

00:14:05:10

Lene:

Ja, das ist echt eine supercoole Idee, um Leuten etwas beizubringen und ein bisschen die Augen zu öffnen. Richtig, richtig cool. Muss ich auch machen. Vielleicht sollte ich den nächsten Austausch auch in Georgien machen?

00:14:18:22

David:

Auf jeden Fall.

00:14:22:03

Lene:

Du schreibst immer wieder vom „Bassiani“ beziehungsweise hast du einen Paper /Beitrag dazu geschrieben. Du hast echt recherchiert ohne Ende. Was ist das Bassiani?

00:14:34:09

David:

Also Bassiani ist, ganz einfach gesagt, ein Techno-Club in Georgien, aber er wird oft als der Beste oder einer der besten Techno-Clubs auf der Welt bezeichnet. Also er hat schon sehr, sehr hohes Standing, so ähnlich wie das Berghain. Und ich darf da jetzt nicht zu viel herausholen, aber Techno in Georgien überhaupt ist ein megainteressantes Thema, weil es ist schon so ein bisschen „random“. Wieso ist jetzt Tbilisi die Techno-Hauptstadt und wie kommt das überhaupt dazu? Aber es ist tatsächlich sehr viel Queer-Kultur. Die ganze Gesellschaft ist schon sehr traditionell geprägt und auch von der Kirche und so weiter. Aber man hat diese kleine Parallel-Welt dazu, die natürlich irgendwo noch so underground ist, aber gar nicht so underground, wie man das denken würde. Und Bassiani ist einer der leitenden Clubs in der ganzen Szene und die haben auch weit über den Club hinweg auch vieles gemacht, auch viel Soziales und engagiert für die ganze, … für die Stadt und Communities. Und das ist wirklich so ein Safe-space, auch für…

[Sound]

… Queer-Leute oder überhaupt. Und ja, Bassiani war dann oft Teil meiner Wochenenden.

[Sound]

00:16:04:13

Lene:

Du hattest nämlich auch gesprochen von einem „Space of Urgency“, also Räume der Dringlichkeit. Was genau ist das?

00:16:13:07

David:

Ja, das ist ein bisschen auch so ein abstraktes Konzept, weil das ist eigentlich so eine Kooperation von verschiedenen Spaces. Müssen nicht unbedingt Clubs sein, die in irgendwelchen verschiedenen sozialen Settings sich für irgendeinen Grund oder irgendein Ziel einsetzen. Und dazu kann ich jetzt nur ein Beispiel nennen: Es gibt auch einen in Budapest, „Aurora“ heißt das. Und das ist zum Beispiel auch so ein Community-Space, wo sehr viele Workshops gemacht werden und Events. Eigentlich ist es eher mehr so eine Bar-Kneipe, also jetzt kein Club, aber die bieten diesen Space, wo dann verschiedene Events, die normalerweise woanders nicht stattfinden können, da organisiert werden.

00:17:11:23

Lene:

Schön.

00:17:12:016

David:

Ja, und dafür steht ja Bassiani auch. Es ist ja nicht nur zum Feiern und Techno bekannt, sondern dieses soziale Engagement dahinter. Ja.

00:17:21:18

Lene:

Sehr schön. Bei deinem Beitrag zum Thema Armenien hattest du geschrieben, dass es mehr Schwierigkeiten gab, Queer in Armenien zu sein. Wie ist dir das aufgefallen, auch im Vergleich zu Georgien oder im Vergleich zu Ungarn und Berlin?

00:17:39:09

David:

Also bei Armenien … man kann nicht wirklich von so einer großen Szene reden, wie in Tiflis. Also Tiflis hat ja nicht nur Bassiani, sondern es gibt auch andere Clubs und zum Beispiel auch Pride Events, die jetzt auch nicht so sind, wie man sich die in Westeuropa vorstellt. Aber es gibt zumindest auch einen zivilen Sektor, der sich auch dafür einsetzt und sich auch mobilisiert. Und Armenien ist da einfach noch nicht angekommen. Und viele meinten dann auch, Jerevan ist die nächste Stadt, die das Modell von Tiflis übernehmen könnte. Und wir waren auch feiern da in einem Club, aber der hat zwei Wochen danach zugemacht, weil die Regierung denen quasi so eine Lizenz abgenommen hat. Also jetzt vereinfacht gesagt. Aber das waren dann zum Beispiel auch so Sachen, wo man merkt, wie fragil dieses ganze System ist und dass man jetzt … für uns ist es vielleicht in Berlin nur ein Club, aber für die Leute war das zum Beispiel die einzige Möglichkeit, überhaupt in Armenien mal feiern zu gehen, in dem Sinne. Und ja, ist schon anders.

00:18:55:14

Lene:

Ich finde es sehr schön. Du hast nämlich auch geschrieben, dass Tanzen politisch ist.

00:19:00:09

David:

Ja.

00:18:02

Lene:

Genau. Und jetzt, wie du das erklärst, eben diese ganze Technoszene. Ich muss sagen, ich komme nicht aus der Szene. Ich bin nicht unbedingt die Techno-Maus. Von daher habe ich da nicht so die Kontaktpunkte. Aber ich finde es super schön, was das so für eine Energie mit sich bringt. Du beschreibst deine Auslandszeit,

[Sound]

… deinen Auslandsaufenthalt in einem Wort als Selbstfindung.

[Sound]

00:19:23:08

David:

Oh ja.

00:19:24:10

Lene:

Warum?

00:19:25:18

David:

Weil ich habe sehr viel über mich selbst herausgefunden . Es war auf jeden Fall „a learning experience“ in jedem Sinne, wie akademisch, wie auch persönlich. Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt irgendwie eine Erwartung gehabt habe, dass das so kommt. Natürlich habe ich es schon gedacht, aber es war jetzt nicht irgendwie, … es hat auf jeden Fall meine Erwartungen in dem Sinne absolut übertroffen. Und ja, ich weiß nicht.

[Sound]

00:20:05:23

Off-Sprecher:

[Zugeinfahrt; Bremsen quietschen]

Kurzer Zwischenstopp für die Werbung. Hast du schon Pläne für dein Auslandssemester? Wir hätten da noch eine Idee. Werde DAAD-Correspondent und berichte auf Social Media von deiner Auslandserfahrung. Bewerben können sich alle Studierenden. Bewerbungsschluss ist jedes Jahr zum 1. Mai für das Wintersemester und 1. November für das Sommersemester. Also auf ins Ausland und raus mit den Stories. „studieren weltweit – Erlebe es“. Alle Infos und Links findest du in den Shownotes.

[Sound]

00:20:33:17

David:

Ja, vielleicht sollte ich diese Frage noch mal neu formulieren.

00:20:39:01

Lene:

Alles gut.

00:20:39:12

David:

Selbstfindung … ja also …

00:20:46:20

Lene:

Ist auch schwierig, oder?

00:20:47:10

David:

Ja, es ist schwierig. Man muss also wirklich so unter Selbstfindung … ich könnte so viele Aspekte jetzt reinholen, wie gesagt, vom Akademischen bis zum Persönlichen. Aber ich wurde mir auf jeden Fall meinen Zielen auch klar. Ich habe auch so ein kleines Stockholm-Syndrom mit Osteuropa zum Beispiel. Ich bin aus Ungarn gegangen und ich dachte: Okay, ich gehe da nicht mehr zurück. Und ich will jetzt auch Georgien nicht mit Ungarn so vergleichen, aber es war doch dieser osteuropäische Kontext. Und das Land war auch so inspirierend. Und in vieler Weise habe ich dann einfach so gesehen, okay, zum Beispiel im Studium, die Sachen, die ich auch lerne. Oder ich bin sehr interessiert, wie zum Beispiel NGOs im Zivilsektor arbeiten. Und dann in Georgien das auch zu sehen, okay, es gibt große Probleme und großen Widerstand. Es gibt aber trotzdem so eine Art und Weise, wie sie sich wirklich durchsetzen setzen können. Und das war so inspirierend auch, zum Beispiel. Und auch so die ganzen zwischenmenschlichen Beziehungen, die ich hatte, von den Freunden, also wie gesagt, von dieser Erasmus-Bubble. Die meisten von uns haben …  es waren ein paar Journalisten dabei oder International Relations Students oder Politik oder Geschichte.

00:22:14:08

David:

Und das alles kam in so eine Masse zusammen und war natürlich immer so ein bisschen „nerdy“, aber es waren richtig coole Leute. Und da habe ich auch irgendwie so gemerkt, okay, ich kann auch mit meinen nerdy Sachen gut bei Leuten ankommen, die das auch „appreciaten“ können.

[Sound]

Und ja, es war halt einfach wirklich so ein bisschen so, als ob ich zu meinen Roots zurückgekommen wäre in vieler Hinsicht.

[Sound]

Und ja, keine Ahnung, auch in diesen ganz fremden, also es war ein fremdes Land auch. Und dann auch Freunde finden, ausgehen, auch die Uni überhaupt, und wie man damit alles umgeht, was man lernt, was so Ängste sind, die man hatte. Ja, es war viel, aber gut, im guten Sinne. Deswegen macht man ja auch ein Auslandssemester, um Sachen zu erfahren und nicht nur das Gute. Es soll schon ruhig alles dabei sein.

00:23:18:02

Lene:

Das finde ich sehr schön ausgedrückt von dir. Ich habe auch das Gefühl, irgendwo … ich meine, klar, in den schweren Zeiten ist es schwierig, sich daran festzuhalten und zu sagen: Irgendwas nehme ich daraus mit, aber gerade wenn man danach noch mal drüber schaut, denkt man sich: Das habe ich eigentlich gebraucht, vielleicht sogar. Irgendwo musste ich da vielleicht durch, irgendwas anderes erkennen zu können oder besser zu verstehen: Was habe ich eigentlich? Womit kann ich alles arbeiten, um dann das zu überstehen?

00:23:46:10

David:

Ja, dieses: Ich brauche es, das war ein gutes Wort, weil so habe ich das auch wirklich empfunden. Ich war so: Ich habe das wirklich gebraucht. Es sind mir wirklich so viele Sachen klar geworden, die ich davor, ohne Georgien, gar nicht irgendwie begreifen hätte können.

00:24:05:08

Lene:

Gehabt haben hätte.

00:24:06:19

David:

Ja, Deutsch. Was ist Deutsch?

00:24:14:01

Lene:

Zum Thema Selbstfindung noch mal ganz kurz. Wenn wir Georgien anschauen, dann haben wir dort zum einen die Geburtsstadt von Stalin und wir haben da auch Assureti, auf Deutsch Elisabethtal. Und auf beides möchte ich noch mal eingehen, aber vorher: Es ist erst mal wichtig zu wissen, du bist Donauschwabe beziehungsweise deine Familie ist Donauschwäbisch?

00:24:40:05

David:

Ja.

00:24:40:19

Lene:

Genau. Was bedeutet das?

00:24:42:06

David:

Meine Mama kommt ja aus Ungarn und ihre Familie, also beide meine Großeltern, sind Donauschwaben. Ich bin das eigentlich auch in dem Sinne. Das bedeutet, in vielen Stellen in Osteuropa gab es deutsche Kolonien. Sie hießen Kolonien. Es wurden von den jeweiligen Ländern, also nicht Gastarbeiter, aber Arbeiter für längere Zeit eingeladen, die sich dann auch da …

00:25:15:00

Lene:

… niedergelassen haben?

[Sound]

00:25:16:13

David:

… niedergelassen haben und auch geblieben sind.

[Sound]

Und in Ungarn ist das dann so ab dem 17. / 18. Jahrhundert und bis heute zählen da 250.000 Leute zu. Die sagen immer noch: „Wir gehören noch zu dieser Minderheit dazu.“ Und aus dem kleinen Dorf, das ist ein Vorort vor Budapest, wo meine Großeltern herkommen, das ist so ein traditionelles Dorf von Donauschwaben, liegt auch an der Donau. Wow, „shocking“.

00:25:46:21

Lene:

Ach Deswegen.

00:25:47:04

David:

Ich bin da auch auf eine deutsche Nationalitätenschule gegangen.

00:25:52:08

Lene:

Okay.

[Sound]

00:25:53:15

[Musik]

Off-Sprecher:

Die Community-Fragen, bitte.

[Sound]

00:25:57:14

Lene:

Wollte ich ganz kurz mal fragen. Und zwar, die Community hat auch eine Frage an dich.

00:26:00:17

David:

Wow.

00:26:01:03

Lene:

Und die Community möchte wissen: Was hat dich im Auslandssemester besonders überrascht?

00:26:08:08

David:

Das ist eine gute Frage. Überrascht? Ich glaube, das war tatsächlich dieses Nightlife in Tiflis. Weil ich wusste schon, … aber ich war mir jetzt nicht wirklich den Dimensionen klar. Und es ist einfach wirklich so interessant, dass, … und in Tiflis selbst, einfach so viele verschiedene Facetten irgendwie zusammenkommen und koexistieren. Ich glaube, das war halt einfach so: Wow.

00:26:43:10

Lene:

Sehr schöne Antwort.

[Musik]

[Sound]

00:26:49:20

Lene:

Du hast dich dafür entschieden, ohne eine Wohnung ins Ausland zu gehen.

00:26:57:01

David:

Ja.

00:26:57:24

Lene:

Ja, wenn du magst, kannst du gerne auch die Geschichte aus den Niederlanden erzählen. Habe ich im Vorgespräch nämlich schon einen Sneak Peek gehört.

00:27:05:14

David:

Ja, also Niederlande war halt … ach, da ist halt extreme Wohnnot. Also da ist halt einfach gar kein Wohnraum für Studis, aber die nehmen … jetzt ist, glaube ich, ein Kurswechsel schon. Also in den Niederlanden gibt es halt eine extreme Wohnnot und die nehmen halt auch voll viele Studis an, ohne dass da irgendwie jetzt eine Unterkunft geleistet wird.

[Sound]

Und da musste ich dann einen Monat in einem Student Camp im Zelt wohnen.

[Sound]

00:27:34:16

Lene:

Student Camp?

00:27:36:08

David:

International Student Camp, Tilburg.

00:27:38:07

Lene:

Dass es dafür auch noch einen Begriff gibt. Okay, ja.

00:27:40:15

David:

Die haben das dann selbst organisiert, weil die einfach gemerkt haben: Wow, hier kommen voll viele Internationals an und die haben einfach keinen Platz, also nirgendwo.

00:27:50:17

Lene:

Das war noch richtig so ein Zelt?

00:27:53:06

David:

Ja, wurde dann auch gesponsert, sozusagen. Wir durften dann die Zelte alle behalten und so. Das war nice und lohnt sich immer noch. Aber es war auch eine sehr „Bonding-Experience“, weil da habe ich dann auch meine späteren Leute dann auch kennengelernt. Und unter anderem sind wir dann auch zur nächsten Housing-Situation gekommen, was dann quasi illegal war. Das war so ein Bürogebäude, wo wir drin gewohnt haben, aber wir wussten das irgendwie so alles nicht. Wir wurden da so komplett über den Tisch gezogen. Und dann war unser Vermieter auch irgendwie kriminell. Die Polizei war da und es wurde alles geräumt, wir mussten raus. Dann durften wir noch zwei Monate da bleiben. Dann fing Covid an und dann bin ich auch da geblieben. Dann hatte ich erst mal eine Wohnung, weil alle nach Hause gegangen sind. Ich war so: Ich bleibe hier. Auch als ich nach Berlin gekommen bin, bin ich auch ohne Wohnung hier gelandet.

00:28:52:22

Lene:

Das ist keine gute Idee.

00:28:54:07

David:

Ich habe 14 Monate gesucht.

00:28:56:04

Lene:

Wo bist du denn untergekommen?

00:28:59:02

David:

Zwischenmieten. Ach, krass. Aber ich hatte auch immer Glück im Unglück. Ich glaube, das ist so meine Persönlichkeit, so in einem Satz. „The most crack situations“ und ich hole mich da irgendwie immer raus. Ich habe da auch sehr viel Hilfe bekommen, aber ich habe es geschafft. Und als ich dann die Wohnung hatte, war ich so: Georgien.

00:29:19:02

Lene:

Jetzt habe ich eine Wohnung, jetzt brauche ich eine neue Wohnung.

00:29:23:11

David:

Und bei Georgien, da kann ich das mir auch gar nicht schönreden. Ich war einfach faul. Ich habe nicht angefangen, rechtzeitig Wohnung zu suchen. Empfehle ich jetzt auch niemandem, aber nach all diesen Erfahrungen würde man ja denken, dass ich denke: Okay, ich muss mich darum kümmern, aber eigentlich hat es mir nur beigebracht: Ich schaffe es sowieso.

00:29:43:04

Lene:

Okay, ja auch gut.

00:29:44:00

David:

Ja, also es ist so eine ganz andere Herangehensweise. Und dann habe ich dann auch in zwei Airbnb’s gewohnt in Tiflis und dann auch meinen späteren Mitbewohner, den tollen Christian, kennengelernt, der auch von der Uni Potsdam ist, aber wir haben uns vorher nicht gekannt. Ich wollte auch erst mal nicht so eine deutsche WG, diese Erasmus-Bubble.

00:30:09:12

Lene:

Ich habe immer das Gefühl, dass die Deutschen im Ausland nicht auf Deutsche treffen wollen.

00:30:14:14

David:

Das würde ich gar nicht so sagen.

00:30:16:00

Lene:

Okay.

00:30:16:07

David:

Das würde ich wirklich nicht so sagen. Am Ende, … wir wollten das irgendwie so gar nicht und wir waren auch eine sehr gemischte Truppe, aber es war dann auch so eine Berlin-Potsdam-Gang dabei von vier, fünf Leuten und wir haben uns wirklich alle nicht vorher gekannt und dann doch sehr, sehr „close“ geworden. Das war richtig schön.

00:30:36:18

Lene:

Wie sich so Freundschaften entwickeln im Auslandsjahr.

00:30:39:01

David:

Ja.

00:30:41:16

Lene:

Du bist jetzt schon wieder zurück in der Heimat. Eine Heimat, Entschuldigung. Du bist zurück in …

00:30:48:14

David:

Ja, schon eine Heimat, würde ich schon sagen.

00:30:53:17

Lene:

Und wie sieht es da aus mit dem Kulturschock? Hattest du einen Kulturschock in den Niederlanden, in Georgien? Hast du jetzt wieder einen Reverse Kulturschock? Oder wie sieht das aus?

00:31:02:24

David:

Also in den Niederlanden nicht so sehr. Das war jetzt nicht so prägend. In Georgien hatte ich vielleicht am Anfang einen Kulturschock. Als ich dann in Batumi ankam, musste ich auch sofort am ersten Tag das Hotel wechseln und so alles. Das war alles nicht gut. Und irgendwie musste ich mich dann doch einstellen: Okay, jetzt lass mal bitte deine „Expectations“ so ein bisschen. Leg das mal an die Seite und lass dich überhaupt auf dieses Land ein. Ist ja auch ganz anders strukturiert, als das, was ich vorher gekannt habe. Es ist jetzt nicht wirklich alles so reguliert, wie wir das wirklich in Europa kennen. Und das war für mich so die erste Erfahrung in dem Sinne. Und man muss sich auf sehr viel Spontanität einlassen. Also es ging schnell. Auf solche Sachen reagiere ich auch immer ganz gut. Ich passe mich da auch super easy an. Was mir tatsächlich viel schwieriger fällt, ist dieser „Reverse Culture Shock“, nach Deutschland zurückzukommen und einfach mit der jetzigen Lebensrealität von mir sich so auseinanderzusetzen. Und ich mache das nicht zum ersten Mal, aber ich glaube, ganz Georgien war einfach so intensiv vom Guten, vom Schlechten, also so wirklich. Und ja, und jetzt bin ich hier und es ist vorbei und sad.

00:32:20:02

Lene:

Jetzt erstmal wieder angekommen. Hast du da irgendwie schon einen Weg gefunden, wie du wieder ankommst oder dich so ein bisschen … wieder da bist und so ein bisschen die Realität auch annehmen kannst?

00:32:32:20

David:

Also ich glaube, die besten Tipps werde ich jetzt nicht haben, aber was ich auf jeden Fall bei mir gemerkt habe, dass ich einfach auch krass ungeduldig mit mir selbst war. Ich denke, ich zumindest habe jetzt ein paar Wochen gebraucht, bis ich überhaupt so Tritt gefasst habe. Jetzt ist es leichter. Ja, aber es braucht Zeit. Und ich glaube, ich bin immer noch in der Phase, das noch alles aufzuarbeiten. Es ist absolut kein abgeschlossener Prozess, sondern ich bin da noch wirklich mittendrin. Aber ich denke, das Schlimmste, was man machen kann, ist diese delusional Gefühle unterdrücken oder irgendwie sich einfach nicht mit Sachen beschäftigen oder immer in der Vergangenheit so präsent sein, also so im Kopf. Weil natürlich, für mich war das wirklich, …

[Sound]

… ich würde sogar sagen, die schönste Zeit meines Lebens. Also wirklich, das sind große Worte, aber ich meine es wirklich. Und ich wusste natürlich, dass es zu Ende geht. Und das ist ja zu Ende.

[Sound]

Und als ich dann auch gegangen bin, ich habe sehr viele Sachen gemacht. Ich bin ständig gereist, ich war unterwegs und alles. Und ich denke, ich habe wirklich das Meiste, was mir zur Verfügung stand, habe ich wirklich rausgeholt aus diesem ganzen Erlebnis.

00:32:32:20

David:

Aber meine Bucketlist ist immer noch „so long“. Und als ich dann gegangen bin, da war ich aber trotzdem an so einem Punkt, wo ich dachte: Okay, ich habe es gemacht und ich freue mich wiederzukommen, weil es tausend Gründe gibt, noch mal wiederzukommen. Das plane ich auch.

00:34:14:00

Lene:

Wie war die Vorbereitung für dich, wenn du von der Bürokratie immer so ein bisschen einen Downer bekommst?

00:34:21:03

David:

Ja, ich und deutsche Bürokratie, das ist kein Match auf keinen Fall. Aber ich muss sagen, wir hatten eine richtig gute Betreuung von der Uni Potsdam. Ich hatte immer auch das Gefühl, dass ich, wenn ich Fragen habe oder hätte, ich kann mich jederzeit melden. Und so wurde mir vieles in die Wege geleitet. Das muss ich schon sagen, das war eine große Hilfe. Weil es ist ja meistens, … man muss ja immer … also Bürokratie gehört dazu, das ist Fakt. Man muss sich einfach hinsetzen und das machen. Aber es ist genau dieses Hinsetzen und Machen, was schwierig ist oft. Das braucht ein bisschen Überwindung, aber es lohnt sich dann natürlich am Ende. Aber manchmal würde ich mir schon wünschen, dass bestimmte Sachen vielleicht Einfacher ablaufen. Aber ich hatte mehr Probleme, zum Beispiel mein Master in Deutschland anzufangen oder mir zum Beispiel Sachen anrechnen zu lassen, als jetzt irgendwie ins Auslandssemester zu gehen.

00:35:24:02

Lene:

Wie hast du dich denn da finanziert vor Ort? Hattest du eine Förderung? Wie hast du das gemacht?

00:35:30:00

David:

Ja, das war eine Hochschulpartnerschaft zwischen der Uni Potsdam und der Uni in Tiflis. Das war über DAAD GoEast, aber das ist jetzt auch eine Summe, die ist natürlich sehr hilfreich, aber deckt die ganzen Kosten nicht. Also ich musste schon da irgendwie auch ein bisschen privat mit einstecken und auch Gespartes und natürlich die Wohnung untervermietet in Berlin. Also ich musste mir das schon ein bisschen clever zusammenbasteln. Aber Lebenshaltungskosten sind in Georgien auch nicht so unheimlich teuer. Also es ist schon deutlich günstiger als Deutschland, obwohl …

00:36:08:18

Lene:

Moment!

00:36:09:11

David:

Ja, also die Miete war schon ein bisschen teuer. Also bei uns waren das so um die 400 €, aber zur Relation zu Georgien ist das halt schon ein Sümmchen. Und auch Supermärkte sind erstaunlich teuer, weil vieles wird importiert. Dazu kann ich mich immer noch aufregen, weil ich kann es mir leisten als Studi, der dahin geht, aber ich denke immer an die Leute, die vor Ort leben, und das finde ich gar nicht gut. Aber gut, so ist es halt.

00:36:44:04

Lene:

Genau, so was nimmt man dann auch mit und sieht so was.

David:

Ja.

00:36:46:10

Lene:

Ich hatte ganz am Anfang zum Intro angemerkt, dass wir auch noch über Breakups reden werden.

00:36:54:21

David:

Lieblingsthema.

00:36:56:09

Lene:

Das müssen wir den Kuchen natürlich auch anschneiden an der Stelle. Du hast vor Ort in Georgien jemanden kennengelernt. Wie habt ihr euch kennengelernt? Und wie war das so?

00:37:09:19

David:

Darf man Online Dating-Plattform ganz neutral sagen? Ja, auf jeden Fall. Ich finde übrigens Dating-Platforms richtig gut, auch im Auslandsemester. Das muss ich nur mal sagen, weil das ist auch zum Beispiel eine Möglichkeit, wo man local Leute kennenlernen kann. Also natürlich ist es deine Sache, wie du die nutzt, aber ich habe damit immer positive Erfahrungen gemacht. Und ich habe dann auch einen Typen kennengelernt und das ging eigentlich sehr schnell am Anfang. In meinen Augen war das „Match made in heaven“ und mir war gar nicht …

[Sound] … irgendwie so bewusst, wie ich in diesen pinken Nebel herumlaufe, aber es war schon eigentlich so ein Bilderbuch:

[Sound]

„Oh, my God, I’m in love.“ Er ist voll okay, er hat auch irgendwie nichts falsch gemacht. Ich glaube, ich habe da auch viele Erwartungen auf ihn ein bisschen projiziert. Das weiß ich jetzt schon nach paar Monaten, rückblickend. Und was passiert ist, wir haben uns einen Monat eigentlich gedatet, sehr viel Zeit miteinander verbracht und sind auch richtig close geworden, aber er hatte einfach nicht dieselben Gefühle für mich. Aber passiert. Passiert natürlich auch. Und es war jetzt nicht ein klassisches Breakup, aber es war halt wow, weil ich dann auch sehr viel über diese Person, der Georgier war, auch mit dem Land verbunden habe.

00:38:39:04

David:

Das ist so klischeehaft, aber dann bin ich irgendwie so mal hergelaufen und habe auf ein Gebäude geguckt und dann war ich so: Oh mein Gott, hier waren wir. Und das waren so etwas von den kleinen Sachen.

00:38:48:15

Lene:

Hier war unser erster Kuss. Ich war erstes Mal Händchen halten. Entschuldigung.

00:38:53:00

David:

Nein, alles gut. Aber das war einfach schwierig. Und ich hatte so was noch nie, im Auslandssemester überhaupt. Und der ist dann auch weggezogen. Wir konnten auch nicht wirklich Kontakt haben. Und dann habe ich mich sogar zum zweiten Mal noch mal verliebt. Ich will jetzt gar nicht das Bild von mir erwecken, dass ich mich so easy verliebe, weil das passiert wirklich nicht. Also ich bin so: Nothing happens most of the time.

00:39:28:14

Lene:

Aber selbst wenn, das ist doch auch schön.

00:39:30:00

David:

Ja, ist ja auch okay. Aber für mich war das alles so neu und ich war dann plötzlich in Georgien und damit habe ich jetzt auch nicht gerechnet. Also das war jetzt auch eine Überraschung. Und die zweite war dann aber deutlich anders. Das war im Freundeskreis und wir waren zuerst befreundet und dann wurde es ganz, ganz langsam mehr. Aber es war sehr schön. Aber am Ende, … ich finde das Wort „scheitern“ auch nicht richtig angebracht, weil ich nehme es nicht an, dass wir da irgendwas falsch gemacht hätten oder dass da irgendwie was falsch gelaufen ist, sondern einfach: Er ist zurück in sein Heimatland nach seinem Erasmus und ich bin hier. Wir sind aber immer noch in Kontakt und ich glaube, die Freundschaft wird auch bleiben. Und das sind wieder so menschliche Beziehungen. Ich schätze das so sehr und beide waren neu für mich. Und ich meine, ich habe auch selbst von mir so viel gelernt, wirklich so Ängste oder Muster überhaupt, die mir gar nicht irgendwie bewusst waren. Und Ich glaube, dazu habe ich auch wirklich so ein Setup gebraucht.

00:40:45:03

Lene:

Schön. Sehr schön, wie du das gesagt hast.

00:40:47:08

David:

Ja, ich finde es auch eigentlich … also rückblickend, ich würde es auch nicht anders machen.

[Sound]

00:40:52:20

[Musik]

Off-Sprecher:

Nächster Halt: Fragenhagel.

[Sound]

00:40:55:12

Lene:

Ich habe hier noch einen schicken Fragenhagel für dich.

00:40:58:14

David:

Ja.

00:40:58:17

Lene:

Das sind vier schnelle Fragen mit vier schnellen Antworten.

00:41:03:13

David:

Gut.

00:41:05:00

Lene:

So, erste Frage: Wenn du die Möglichkeit hättest, für einen Monat in einem Land deiner Wahl zu leben, welches wäre es?

00:41:11:19

David:

Oh, schnelle Frage, oder? Ich würde sagen, Armenien oder irgendwo in Zentralasien, eines der Länder.

00:41:20:04

Lene:

Dann … gut, das könnte ich schon fast für dich beantworten. Hast du eine Fähigkeit, auf deinen Reisen entwickelt, um mit neuen Menschen zu connecten?

00:41:32:16

David:

Ja, Online-Dating.

00:41:33:08

David & Lene:

[Herzhaftes Lachen]

00:41:34:01

Lene:

Mit einer Zeitmaschine, an welchem Ort würdest du wann reisen? Das ist schwierig, oder?

00:41:44:03

David:

Das ist eine gute Frage. Ich würde auf jeden Fall in die Vergangenheit reisen. Ich bin, glaube ich, da eher so angelegt. Ich würde sagen, 60er-Jahre-Iran.

00:41:57:09

Lene:

Das ist sehr spezifisch.

00:41:59:02

David:

Bisschen random.

00:42:00:11

Lene:

Aber ist ja kurz und schnell, deswegen kann ich jetzt nicht weiter nachfragen. Welches war der außergewöhnlichste Transportweg, um an einen Reiseort zu gelangen?

00:42:11:11

David:

Außergewöhnlichste Transportweg?

00:42:14:00

Lene:

You tell me.

00:42:15:00

David:

Also ich finde, alle Transportwege sind ziemlich außergewöhnlich in Georgien. Aber ich würde sagen, wahrscheinlich die Fahrt am Silvestertag oben auf zur Gergeti Church bei Kasbeke. Kasbeke ist der größte Berg in Georgien. Und da haben wir eine Taxifahrt genommen im Tiefschnee.

00:42:35:16

Lene:

Oh, wow.

00:42:36:09

David:

Ja. Und das war dann auch so ein Minivan, so ein Allradantrieb. Und der Schnee war einfach so zwei Meter hoch und die Straße war „geräumt“.

00:42:47:03

Lene:

Die Klammern hat man hier nicht gesehen.

00:42:49:14

David:

Ja, aber die Klammern sind definitiv da.

00:42:51:20

Lene:

Okay, Klammern … Hasenfüße.

00:42:54:00

David:

Ja, da hatte ich ein bisschen Todesangst. Da war ich: Was mache ich hier? Aber hat sich dann auch gelohnt. Ja.

00:43:01:18

Lene:

Danke dafür!

00:43:02:24

[Musik]

[Sound]

00:43:08:04

Lene:

Ich glaube, noch eine deepe Frage und dann nähern wir uns dem Ende.

00:43:13:06

David:

Okay.

00:43:16:15

Lene:

Du hast auf deinen Blog geschrieben, du hast über Post-Erasmus-Depression geschrieben. Das ist ein ganz schön starkes Wort und jetzt wollte ich gerne wissen, was bedeutet das für dich?

00:43:30:14

David:

Ich denke, das ist einfach ein Begriff… also ob das jetzt tatsächlich Depression ist, da kann man sich natürlich differenzieren, aber meistens sind ja Auslandsaufenthalte, wenn man das Glück hat, wie ich das bei meinen zwei hatte, sehr prägende und sehr erlebnisreiche Erfahrungen, die man macht. Aber ist eine Bubble. Du bist halt da, du hast nicht die Sorgen von zu Hause, du bist nicht den Problemen ausgesetzt, die du halt aus deinem Alltag kennst, sondern es ist halt so: Ich bin jetzt im Ausland und

[Sound]

ich habe die Zeit meines Lebens. Und einfach, dann gehen alle nach Hause.

[Sound]

Du gehst auch nach Hause und du musst diese ganzen Goodbyes sagen, die Verabschiedung. Und du bist zu Hause und das Leben sollte weitergehen. Und plötzlich bist du dann so: Okay, ist das jetzt alles passiert? Wie verarbeite ich das? Im Herzen bin ich immer noch da. Und oft kann das auch vorkommen, dass dann die eigene Lebensrealität ganz anders ist oder dass man Schwierigkeiten hat, sich wieder zu connecten mit den Leuten, weil man verändert sich auch sehr viel und das ist auch gut, aber es ist auf jeden Fall schwierig. Und das war jetzt zum Beispiel bei bei mir mit den Niederlanden so. Danach war es richtig schlimm.

00:44:56:19

David:

Ich glaube, ich habe da auch wirklich ein Jahr gebraucht, bis ich dann das wirklich so loslassen konnte, weil die meisten meiner Friends sind Vollzeitstudis gewesen und sie waren immer noch da. Und Ich war nicht mehr da und ich war nicht mehr da. Und ich habe dann irgendwie so FOMO gehabt und wäre auch wirklich gerne bei denen geblieben. Aber ich habe natürlich auch schöne Sachen dann in Ungarn erlebt und das war ja so in Ordnung. Aber es hat Zeit gebraucht und hier ist wieder der Stichpunkt: Geduld. Ich bin nicht so geduldig. Und jetzt ist das auch ganz ähnlich. Aber jetzt mache ich diese Erfahrung mit 25 und nicht mit 21 und ich merke auch, dass es anders ist und da auch natürlich so paar Prioritäten sich verschoben haben. Aber ich glaube, für mich ist es einfach … ich fühle so sehr, das hört sich so klischeehaft an, oh mein Gott, aber ich habe mich so in Georgien verliebt und connected und alles. Ich will einfach wirklich gern noch mal zurück und ich werde diese Zeit wirklich, wirklich sehr, sehr vermissen. Dass ich da mit den Leuten zu der Zeit, an dem Ort war, das kommt halt einfach nicht wieder.

00:46:05:15

David:

Und da muss man auch, glaube ich lernen, so wirklich den Moment zu schätzen.

00:46:12:14

Lene:

Ja, wollte ich gerade sagen.

00:46:14:12

David:

Anders geht’s nicht.

00:46:16:06

Lene:

Ja, du hast vollkommen recht. Ich finde es super schön, was du alles erzählt hast, wie du so einen kleinen Selbstfindungsjourney hier beschrieben hast. Und ich glaube, das bringt es ganz gut auf den Punkt, dass man den Moment wirklich nutzen muss. So cheesy, käsig, wie das auch klingt, ist es einfach so. Und ich denke, so ein Auslandssemester zeigt das noch mal ganz genau, dass man alles einfach mitnehmen muss, was man so erlebt. Das bedeutet gar nicht, dass man feiern gehen muss oder trinken gehen muss oder sonst was, sondern einfach richtig das Land mitnehmen sollte und die Kultur und einfach mal offen sein und vielleicht auch mal was Neues ausprobieren und für sich selbst sagen: Hey, normalerweise bin ich ungeduldig. Wie wäre es denn mal, wenn ich geduldig bin? Oder Ähnliches beim „neues Land, neues Glück, so in etwa“.

00:47:06:20

David:

Ich meine auch, man kann es auch so sehen, dass wenn man diese Post-Erasmus-Depression hat, das ist ja eigentlich ein Zeichen davon, dass man das ja alles erleben durfte. Der Schmerz ist ja eigentlich auch nur ein Zeichen der Menschlichkeit und dass du das alles durchgemacht hast und so. Es muss ja nichts Negatives sein. Und ich finde, … das ist nur mein persönlicher Ansatz: Es geht ja nicht nur darum, schöne Dinge zu erleben, es geht darum zu erleben. Und da gehört einfach alles andere auch dazu. Und überhaupt von dieser Komfortzone rauszugehen. Und ich empfehle auch niemandem, irgendwie keine Wohnung zu suchen, bevor sie irgendwo hinfahren. Das sage ich überhaupt nicht, aber boy, I did learn. Man macht diese Erfahrungen und die sind wichtig, weil du kommst nach Hause und das alles kannst du dann später in deinem eigenen Leben anwenden. Es ist jetzt nicht so, dass du das einmal machst und das ist zu Ende und bumm, sondern das wird dich …

[Sound]

… dein ganzes Leben begleiten.

00:48:08:12

Lene:

Richtig.

00:48:09:00

David:

Und deswegen macht man das ja, ich zumindest.

[Sound]

00:48:12:17

Lene:

Ach Mensch, David, das hast du so schön gesagt. Ich glaube, ich lasse dich jetzt die letzten abschließenden Worte … nein, ich versuche mein Bestes.

00:48:19:10

David:

Okay.

00:48:20:03

Lene:

Vielen lieben Dank, dass du da warst, dass wir so schön quatschen konnten. Ich habe sehr viel mitgenommen. Zum Thema Georgien selbst, auch so viel historischen Hintergrund. Ich weiß jetzt endlich, was Donauschwaben sind.

00:48:33:01

David:

Die sind aber nicht in Georgien. Da gibt es keine Donau. Ja.

00:48:40:13

Lene:

Und ich finde es einfach super, dass du da immer den Blick drauf hast, dass eben auch Hürden oder schwierige Momente Teil des Lebens sind und dass man auch die Trauer irgendwo genießen kann in einem gewissen Maß. Das finde ich sehr schön. Super, vielen lieben Dank. Und beim nächsten Mal tanzen gehen, werde ich an dich denken.

00:48:59:01

David:

Gut. Danke, dass ich hier sein durfte.

00:49:01:21

Lene:

Auf jeden Fall.

00:49:03:09

David:

Danke schön!

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