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Advent, Advent, viel Lichtlein brennt Vorweihnachtszeit libanesisch


15 Grad und (fast) jeden Tag Sonne – Da kann ja keine Weihnachtsstimmung aufkommen, denke ich. Drei gute Gründe warum die LibanesInnen jene trotzdem meisterhaft verbreiten und was Weihnachten in einem Land ohne christliche Mehrheit bedeutet.

1. Weihnachtsbäume…

Spitz zulaufender Weihnachtsbaum mit Lichtern in Byblos
Der Weihnachtsbaum in Byblos

Noch nie habe ich in meinem Leben so viele kitschige Weihnachtsbäume gesehen. Der libanesische Klassiker in Beirut, Dhourcheir, Byblos und Co: Eine dreiecksförmige Stahlkonstruktion, entweder mit Sternen, Engeln und Schneeflocken aus Lichterketten, oder Plastikgrün dekoriert. In den Häusern findet man meist die Plastikvariation einer tatsächlichen Weihnachtstanne mit grünen, roten, gelben und, mein Favorit, blauen LED Lichterketten, die zum gemütlichen Verweilen einlädt.

Weihnachtsbaum mit Kugeln an einem Schaufenster
Weihnachtsdekoration im Supermarkt um die Ecke

2.) … und andere Dekosünden

Rote Weihnachtsmänner, Kunstschnee und Peace/Love/Joy Zitate stehen und hängen an jeder Ecke prägen das Straßenbild. Da darf die passende Weihnachtsmusik natürlich nicht fehlen: Zwischen Jingle Bells in der Jazzversion und dem weihnachtlich angepassten 90er Jahre Hit ‚Coco Jambo‘ bleibt kein vorweihnachtlicher Wunsch unerfüllt. Der libanesische Grundtenor bei all diesen größeren und kleineren Dekosünden ‚ktir 7elu‘ – frei übersetzt ‚wunderschön‘. Was man hier jedoch kann, das muss ich ihnen lassen, ist Feuerwerk. Jeder Weihnachtsbaum wird mit einer kleinen Party eingeweiht und die Bevölkerung auf die Weihnachtszeit eingestimmt. Dazu gehört, neben der Pyrotechnik, in Beirut sogar ein sogenannter ‚Christmas Carneval‘, mit allerhand verkleideten Figuren.

Feuerwerk über der Al-Amin Moschee liegt
Vorweihnachtliche Feier auf dem Beiruter Hauptplatz, an dem auch die repräsentative Al-Amin Moschee liegt

3.) Vier Kirchen, Vier Chöre, Ein Feuerwerk: Besuch in Dhour Choueir

 

Mitglieder des Chors in roten Roben
Der protestantische Chor, bestehend aus NEST Studierenden, in Dhour Choueir

Der kleine, vorwiegend christliche, Ort Dhour Choueir, ca. 30  Kilometer östlich von Beirut in den Bergen gelegen, lässt sich in der Voweihnachtszeit etwas ganz besonderes einfallen. In laufbarer Distanz findet man dort eine protestantische, eine maronitische, eine griechisch-orthodoxe und eine griechisch-katholische Kirche um den Hauptplatz gruppiert. Jeweils eine halbe Stunde haben die vier Kirchen Zeit den Bewohnern von Dhour Choueir und Gästen, die aus dem halben Land anreisen, ein Programm zu gestalten. Vom NEST-Chor in amerikanischen Gospeloutfits bei den Protestanten, über typisch rein männliche Gesänge des griechisch-orthodoxen Männerchores bis zum gemischten Chor bei den Maroniten samt kleinem Orchester wird den unterschiedlichsten musikalischen Traditionen gelauscht. Anschließend versorgt man sich auf dem kleinen Weihnachtsmarkt mit einem Dutzend Büdchen mit Crêpes, Sandwiches oder einer deutschen Wurst im Brötchen und macht sich auf den Weg zum Weihnachtsbaum auf dem Hauptplatz, wo mit Feuerwerk (was sonst) und einem ‚Gloria in excelsis Deo‘ der Weihnachtsbaum ‚angezündet‘ wird.

Weihnachtsbaum mit beleuchteten Motiven: Sterne, Schneeflocken, Engel
Schneeflocken aus Licht

Weihnachten Under Construction

Weihnachtsbaum auf einer Baustelle
Auch die Beiruter Baustellen machen sich Weihnachten schön

Eines ist im Straßenbild des Libanon das ganze Jahr über deutlich präsenter als in Deutschland: Polizei und Militär. Mittlerweile habe ich mich schon daran gewöhnt auf Straßenzüge zu stoßen, die aussehen wie abgesperrt (es dann aber meistens nicht sind) und Soldaten, die regelmäßig für mich an nicht ersichtlichen Punkten der Corniche patrouillieren, beim Joggen freundlich zu grüßen. Mittlerweile fällt mir die Präsenz von Sicherheitskräften aller Art nichtmal mehr besonders auf, außer, in der Weihnachtszeit. Da scheint sich diese nämlich sogar für libanesische Verhältnisse deutlich zu erhöhen. Und die libanesischen Behörden, die Verantwortlichen für Polizei und Armee, sind sich wohl darüber bewusst, dass dieses höchste Fest des Christentums ein sensibler Punkt für die Sicherheitspolitik des Landes darstellt. Vielleicht einer der sensibelsten Punkt im fragilen Gebilde des interreligiösen Zusammenlebens.

Moschee in Downtown Beirut bei Nacht, mit Lichterketten dekoriert und angestrahlt
Moschee in Downtown Beirut, mit Lichterketten dekoriert

Umso schöner, dass sich christliche und muslimische Gläubige gemeinsam an der Vorweihnachtszeit erfreuen, Moscheen die Weihnachtsdekoration anlegen und Frauen mit und ohne Kopftücher gleichermaßen Selfies vor Weihnachtsbäumen machen. Theologisch gesehen übrigens vollkommen verständlich, Jesus war schließlich auch für die Muslime ein Prophet, und damit könnte eigentlich schon die erste Grundlage für ein friedliches Weihnachtsfest gelegt sein.

 

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