Generell ist es nicht empfehlenswert, euch während eures Auslandsjahres ein Tier anzuschaffen, es sei denn ihr findet dafür ein Zuhause wenn ihr zurück geht oder ihr könnt es mit nach Deutschland nehmen. In meinem Fall ist beides möglich. Diese Geschichte habe ich zuerst auf Englisch für einen Wettbewerb geschrieben, bei dem ich den zweiten Platz gewann. Der Preis war eine Trophäe und einmal kostenlos waschen und Krallen schneiden für den Hund.

Ich wollte schon als Kind einen Hund haben, aber meine Mutter meinte, es wäre nicht fair einen Hund in der Wohnung zu halten und stattdessen bekam ich Meerschweinchen. Die waren super und wurden 10 Jahre alt, aber sie liefen einfach nicht an der Leine und ich musste sie vor echten Hunden beschützen.

Als ich für meinen Master zurück nach Galway kam hatte ich plötzlich einen großen Garten und die Strandpromenade direkt vor der Haustür. Nachdem ich einen Hund auf den ich zwei Wochen lang aufpasste am Liebsten nicht zurück gegeben hätte, beschloss ich mir endlich einen Kindheitstraum zu erfüllen. Eines Tages tauchte ich also in einem lokalen Tierheim auf und als ich gefragt wurde, nach was für einem Hund ich denn suchte, gab ich die präzise Antwort:

„Keine Ahnung, etwas kleineres, terrierähnliches, das mittelmäßig viel Auslauf braucht und auch mal für ein paar Stunden alleine bleiben kann.“ Anzunehmen das kleine Hunde weniger Arbeit machen ist übrigens ein typischer Ersthundebesitzerirrtum.

„Wie wäre es dann mit einem Jack Russell?“

„Oh ja, die Eltern meiner besten Freundin haben drei davon und es ist eine von ungefähr drei Hunderassen, die ich erkennen würde.“

Natürlich verliebte ich mich in den ersten Hund der mir gezeigt wurde: Ein Jack Russell, namens Mixer. Er rollte sich auf den Rücken um sich von mir den Bauch kraulen zu lassen, stand dann auf und rannte selbstbewusst umher um ein paar Sträucher zu beschnüffeln. Die Tierheimmitarbeiter nannten ihn Mixer, kurz für Concrete Mixer (Betonmischer), da er auf einer Baustelle umherstreunte und nachts unter dem Betonmischer schlief. Die Bauarbeiter bauten ihm eine kleine Hütte und fütterten ihm Wurstbrote, aber als ihre Arbeit fertig war wussten sie nicht wohin mit ihm und gaben ihm im Heim ab. Ich hatte kurz überlegt ihn umzubenennen, aber der Name passt irgendwie. Da er sich jahrelang von Abfällen ernährt hat, ist er definitiv nicht wählerisch. Er frisst eigentlich alles. Wie ein riesengroßer Küchenmixer verschlingt er was ihm vor die Schnauze kommt, oft sogar ohne es zu kauen. Man kann ihn immer noch nicht mit Essen allein im Raum lassen. Am ersten Tag schnappte er sich eine Banane aus dem Obstkorb auf dem Tisch und verschlang sie mitsamt Schale. Seitdem ich Mixer habe ist der Boden sauber, abgesehen von Haaren und schlammigen Pfotenabdrücken.

Ich stelle mir auf kleine Kinder aufzupassen etwa ähnlich vor wie einen Hund zu haben. Theoretisch müsste Kinder haben sogar einfacher sein, da man sie überall mit hinnehmen kann und sie nicht draußen anbinden muss. Außerdem tragen sie Windeln und haben anfangs noch keine Zähne. Ok, das ist ein merkwürdiger Vergleich, aber genau wie frischgebackene Eltern, wollte ich als erstmals Hundemutti alles richtig machen. Ich verbrachte Stunden mit dem Lesen von Zutatenlisten auf Hundefutterpackungen und durchsucht das Internet nach Trainigstipps und langhaltbarem Spielzeug ohne giftige Zusätze. Ich probierte sogar ein Stück Trockenfutter, obwohl ich seit Jahren Vegetarierin bin. Ich kann mich nicht genau erinnern wie Fleisch eigentlich schmeckt, aber wenn es dem Hundefutter ähnelt vermisse ich wirklich nichts. Hauptsache Mixer schmeckt’s.

Auf einer Hundewebseite las ich, dass kleine Hunde oft Zahnprobleme haben. Habt ihr schon mal versucht einem Hund die Zähne zu putzen? Reflexartig öffnete ich meinen eigenen Mund und fing auf Gutdeutsch an zu sabbern, während Mixer die Zahnpasta mit Fleischgeschmack ableckte, mich anspuckt und in die Bürste biss. Das Hundezahnpflegeset wurde übrigens in Deutschland hergestellt, und ich dachte wir exportieren hauptsächlich Autos und Bier.

Mixer ist ein Ausbruchskünstler. Bei der Hausbesichtigung fand die Tierheimmitarbeiterin einige Lücken im Zaun. Wir schoben einige Betonblöcke davor und dachten damit wäre es getan, er wird ja wohl keinen Fluchttunnel graben. Falsch gedacht: Inzwischen haben wir einige Rollen Drahtzaun angebracht und er findet immer noch Lücken. Mixer buddelt, klettert und springt, er muss mit einer Katze verwand sein. Vielleicht ist er ein Cat-Russell. Man sollte meinen jemand aus der ehemaligen DDR weiß wie man Mauern baut. Aber immer wenn ich denke, das war’s jetzt endgültig, verschwindet er wieder, nur um nach einer Weile seelenruhig vor der Tür zu warten. Jetzt habe ich einen speziellen Elektrozaun mit Warn-Ton bestellt. Das ist Krieg!

Das einzig Positive an Mixers Ausflügen, ist dass ich so meine Nachbarn besser kennen gelernt habe. Der peinlichste Vorfall bis jetzt war, als er sich in das Haus meiner Nachbarin schlich, das Futter ihres Riesenhundes klaute und anschließend eine stinkende Überraschung hinterließ. Zum Glück reden die Nachbarn noch mit mir.

Da ich sehbehindert bin, werde ich manchmal gefragt warum ich mir keinen Blindenhund angeschafft habe. Ich wollte erst einmal ausprobieren, ob ich mit Hunden überhaupt umgehen kann und vielleicht sehe ich für einen Führhund noch zu viel. Einmal fragte mich eine Frau tatsächlich ob Mixer ein Blindenhund ist. Ich hielt die Frage für einen Witz und antwortete: „Natürlich, er ist noch im Training.“ Derweil versuchte Mixer sich von der Leine zu befreien um eine Katze zu jagen. Die Frau hatte es aber ernst gemeint und murmelte im Weitergehen: „Naja er muss noch viel üben, aber zumindest nimmt er weniger Platz ein als ein Labrador.“ Wenn ich Mixer dabei habe, müsste ich nie hungern, wenn er dürfte würde er mich immer zu Essen führen, aber es könnte ein Mülleimer anstatt eines Restaurants sein.

Mixer hat mein Leben auf alle Fälle bereichert. Ich gehe jeden Tag mit ihm am Strand spazieren und manchmal ist es dort wie auf dem Hundespielplatz. Mixer ist das Kind – ich meine der Hund – mit dem keiner spielen will, da es ihm Spaß macht größere Hunde zu ärgern und seine Lieblingsbeschäftigung ist andere Hunde Spielzeug zu klauen. Am Schlimmsten sind Quietschbälle, die er liebt, aber selber nie bekommt, da er sie in Minuten zerfetzt.

Auf diesen Spaziergängen habe ich jede Menge nette Menschen kennen gelernt, obwohl ich mich meistens eher an ihre Hunde erinnere. Einmal hat mir ein Mann sogar ein leuchtendes Halsband geschenkt, nur weil ich im Vorbeigehen gesagt habe, es sei eine super Idee und ich hätte auch gerne eins. Als Hundebesitzer achte ich auch mehr auf meine Umwelt. Erst seit ich Mixer ständig Papier wegnehmen muss, ist mir aufgefallen wie viel Müll eigentlich auf den Straßen liegt. Im Sommer werden wir über Lautsprecher aufgefördert das Geschäft unserer Hunde wegzumachen, was völlig richtig ist, aber die Leute sollten auch nach sich und ihren Kindern aufräumen.

Einen Hund zu haben ist definitiv eine große Verantwortung und kostet Geld und Zeit. Trotzdem vermisse ich Mixer schon wenn ich nur für ein Wochenende weg bin. Es ist schön nach Hause zu kommen und von einer Schwanz wedelnden Fellnase begrüßt zu werden, auch wenn er sich wahrscheinlich nur freut weil es Fressenszeit ist. Wenn man vom Teufel spricht. Pünktlich um 6 sitzt er neben mir und start mich erwartungsvoll an. Ich gebe ihm dann besser mal Sein Futter.