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Was, das sind nur Vorurteile? Praxistest im Libanon


Vorurteile, positiv oder negativ, ein bisschen richtig oder gänzlich falsch, gibt es über und in allen Regionen dieser Welt. Wie ich Gastfreundschaft im Libanon zu schätzen gelernt habe und warum mich ein Ereignis rund um das Beiruter Café Costa mal wieder gelehrt hat, Vorurteile zu überdenken?

1.) Ahlan wa-sahlan: Gastfreundschaft im Libanon

Ein Kilo Baklava

„Die arabischen Länder sind ja sehr gastfreundlich.“ Diesen Satz hört man in Deutschland nicht allzu selten. Ich würde sagen: Ja und nein. Warum? Auch wenn man die arabische Amtssprache als verbindendes Merkmal verschiedener Länder akzeptiert, ist es in vielen Bereichen des Alltags ein großer Unterschied, ob man von Ägypten, Libanon oder Saudi-Arabien spricht. Und das empfinden die Libanesen auch als großen Unterschied. Abgesehen davon, kann man mit den arabische-Welt-Verallgemeinerungen im Libanon aber noch aus einem ganz anderen Grund auf taube Ohren stoßen: Verschiedene religiöse Gruppen, wie beispielsweise die Maroniten, größte christliche Konfession des Landes, definieren sich traditionell nicht als Araber. Ersetzt man ‚die arabischen Länder‘ jedoch mit ‚der Libanon‘ kommt man der Sache schon näher. Den Libanon empfinde ich tatsächlich als sehr gastfreundlich.

Wir sind mit Freunden unterwegs zurück von einem Tagestrip in den Süden und halten an einem Laden für libanesische Süßigkeiten. An der Kasse kommt es wie erwartet: Nein nein, er übernehme die Rechnung, sagt einer unserer libanesischen Begleiter, bezahlt, und drückt uns ein Kilo Baklava in die Hand. Am Ende der Fahrt haben wir davon etwa 100 Gramm geschafft und tragen unser kalorienreiches Geschenk glücklich aus dem Auto.

Auch das Reisen im Land wird durch viele kleine Gastfreundlichkeiten erleichtert. Bei geographischen Ungewissheiten, oder Problemen das (zugegeben komplizierte) System des ‚öffentlichen Nahverkehrs‘ zu verstehen, kann man sich auf die Einheimischen verlassen. Einer steigt aus dem eigenen Bus aus, um uns quer durch die Beiruter Busstationen Doura oder Cola zu führen. Ein anderer legt spontan eine Pause in seinem Friseursalon ein, um unser Fremdenführer auf dem dorfeigenen drusischen Friedhof zu sein (einen Bericht über unseren Trip ins Shouf-Gebirge findet ihr hier). Die Expertise der Einheimischen erfährt man mal ungefragt, mal erbeten, aber fast immer kommt sie ausgesprochen hilfsbereit. ‚Ahlan wa-sahlan‘, ist das libanesische Motto, was so viel heißt wie ‚ihr seid herzlich willkommen‘.

2.) 3 Bukra: Irgendwann ist nirgendwann

Meine Residence permit, die mich nach drei Monaten statt den erwarteten drei Wochen erreichte

Eins der Lieblingsthemen aller Deutschen im Ausland, nach meiner Erfahrung: Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Bevor ich hier eine Abhandlung über (un)ehrliche Zeitangaben und höfliche Ungenauigkeit zum Besten gebe, beides im Libanon nicht gänzlich unbekannt, beschränke ich mich auf einen praktischen Hinweis: das Wort ‚bukra‘. ‚Bukra‘ heißt morgen. Verwendet jemand bukra allerdings mit der Präposition a wird sich meist nicht auf ‚morgen‘ im Sinne von dem folgenden Tag, sondern ‚morgen‘ im Sinne von ‚irgendwann mal‘ bezogen. Macht man also an einem Samstag beispielsweise einen Tagestrip a bukra aus, ist es nicht unwahrscheinlich, dass am Sonntag keiner auftaucht. Ansonsten nehme ich die zahlreichen Terminverwirrungen der letzten Wochen mit Humor und lebe mittlerweile damit, dass es im Endeffekt meist hinausläuft auf: bin ich zu spät beginnt’s pünktlich, bin ich pünktlich …

3.) Meine Name ist Beirut – Das L steht für Gefahr

Bereits in meinem Beitrag, in dem ich über Alltag in Beirut erzähle, beantwortete ich für mich die Frage, ob das Leben hier gefährlich ist. Vor circa zwei Wochen brachte mich ein Erlebnis erneut zum Nachdenken. Direkt um die Ecke unserer Schule, im beliebten Café Costa, wurde ein Terroranschlag vereitelt. Und vereitelt heißt last minute vereitelt. So last minute, dass der Attentäter mit Sprengstoffgürtel bereits im Café stand, verletzt wurde, außer ihm selber, zum Glück niemand. Fast war ich froh, dass es diese Nachricht nicht in die deutschen Medien schaffte, denn gleich hatte ich die Stimmen meiner deutschen Familie und Bekannten im Ohr: Beirut eben. Warum fährt man da auch hin! Meine syrischen Mitbewohnerinnen fragten mich voll ehrlicher Anteilnahme nach dem Anschlag in Berlin, wie es meiner Familie in Deutschland geht. Nach dem Anschlag hier spürte ich dagegen förmlich die Verantwortung, sobald ich darüber spreche, gleich eine Erklärung hinzufügen zu müssen.  Eine Erklärung darüber, dass Terror mittlerweile ein weltweites Problem ist, dass Alltag in Berlin oder Paris nichtmehr unbedingt sicherer ist als in Beirut. Über die ehrliche, vorurteilslose Anteilnahme, die ich hier erlebte, war ich mir in meinem Umfeld zuhause nicht so sicher. Der traurige und komplizierte Teil daran in der Praxis: Dieses ‚Imageproblem‘ trifft im Libanon vor allem auch die Tourismusbranche. Die Touristen bleiben aus, das zeigt sich in riesigen Ausgrabungsstätten ohne Besucher genauso wie in leeren Hotels. Schade, finde ich, und für mich ein Grund die Bilder des Libanon in meiner Heimat, und wie sie entstehen, nochmal zu hinterfragen.

Riesige Ausgrabungen, keine Touristen in Baalbek

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