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6 Monate in Almaty: endlich angekommen


Auf die mir sehr häufig gestellte Frage: „Bist du schon lange hier?“ kann ich mittlerweile lächelnd und mit etwas Stolz  „Ja, schon ein halbes Jahr!“ antworten. Zeit mal einen Blick auf die neuen Gewohnheiten zu werfen, die sich, seit ich im September in Kasachstan angekommen bin, bei mir eingeschlichen haben:

Anschnallen, bitte!

Wenn ich in ein Auto einsteige habe ich nicht mehr den Reflex, direkt zum Gurt zu greifen. In Kasachstan ist Anschnallen auf der Rückbank nicht vorgeschrieben und häufig auch einfach nicht möglich: In den Almatiner Taxis, die ich oft benutze, wenn ich es eilig habe, sind die Rückbankgurte meist hinter der Sitzbank eingeklemmt oder kaputt. Wenn ich dann doch mal vorne sitze, wo Anschnallpflicht herrscht, werde ich dann vom Fahrer gebeten, mich anzuschnallen. Funfact: Das Wort für Gurt ist ремень (lies: remen) und klingt damit genug wie das deutsche Wort „Riemen“, um es ohne es je gelernt zu haben zu verstehen und sich leicht zu merken.

Achtung, frisch gewischt!

In Almaty wird gefühlt ständig geputzt. Fast täglich muss ich über die frisch gewischten Fliesen im Eingangsbereich einer Universität oder die noch nassen Marmorstufen hinunter zur U-Bahn-Station laufen, während eine Putzfrau kurz innehält, mich geduldig beobachtet und dann mit ihrer Arbeit fortfährt. Statt wie in Deutschland üblich abends, nachdem alle Leute nach Hause gegangen sind, Gebäude zu reinigen, kann man in Kasachstan zu jeder beliebigen Uhrzeit Putzfrauen bei der Arbeit begegnen. Das in einer Bar, während dort eine Party stattfindet, mal kurz durchgewischt wird, wundert mich schon nicht mehr. Aber leid tut es mir trotzdem, wenn ich mit meinen vom tauenden Schnee dreckigen Schuhen grau-braune Spuren auf den noch nass glänzenden sauberen Böden hinterlasse.

Die Straßen werden auch oft gefegt.

Hausnummern sind überbewertet

Am Anfang hat mich sehr verwirrt, dass in Almaty selten jemand die genaue Adresse eines Ortes weiß. Statt mit Straße und Hausnummer navigiert man hier mit Straßenecken. Unser Deutschstammtisch findet zum Beispiel an der Al-Farabi Universität statt, allerdings nicht auf dem Hauptcampus, dessen Lage allen Almatiner_innen bekannt ist, sondern an der Fakultät für Internationale Beziehungen – Adresse: Karasay Batyra 95. Wenn ich jemandem erklären will, man zum Stammtisch kommt, antworte ich mittlerweile, ohne lange nachzudenken „Karasay Batyra – Baitursynova„. Dann ist alles klar: In der Straße Karasay Batyra, Ecke Baitursynova. Praktisch, denn Zahlen kann ich mir sowieso schlecht merken!

Alles Abai?

Kasachstan hat ein paar wenige Berühmtheiten, auf die alle sehr stolz sind – die meisten von ihnen sind männlich. Nach diesen Personen ist alles, was nur geht und in jeder Stadt des Landes, benannt. Ein Beispiel ist der kasachische Universalgelehrte Abai – allein in Almaty gibt es eine Straße, eine Universität, ein Opernhaus, eine Schule, einen Platz und eine Metrostation, die seinen Namen tragen. Die meisten anderen kasachischen Persönlichkeiten, die man zum Beispiel um sich Namen öffentlicher Plätze merken zu können, beherrschen sollte, kann ich mittlerweile einigermaßen aussprechen.

Es gibt allerdings drei Namen, mit denen ich auch nach einem halben Jahr hier immer noch Probleme habe: Die Straßen Kabanbay Batyra, Karasay Batyra und Kazybek Bi sind für mich wie Pfirsiche, Nektarinen und Aprikosen – irgendwie gleich. Zum Glück gibt es einen Ausweg: Ich kann stattdessen Weintraubenstraße, Sowjetstraße und Schneeballbeerenstaße (Vinogradova, Sowjetskaya und Kalinina) verwenden! In Almaty hatten viele Straßen, Parks und Plätze zu Sowjetzeiten andere Namen, die von vielen Leuten (trotz der neuen Schilder) immer noch benutzt werden. Wenn ich mir eine Adresse, zum Beispiel die des Deutschstammtischs einprägen will, wäge ich immer ab: Welche Straßenbezeichnung kann ich leichter behalten? „Karasay Batyra – Baitursynova“ oder „Vinogradova – Kosmonautov“? – meist gewinnt die sowjetische.

Welcher Tag ist heute?

In Deutschland sind die Möglichkeiten an Feiertagen oder auch einfach nachts Essen einzukaufen stark eingeschränkt, weil Supermärkte oder einfach sämtliche Geschäfte geschlossen haben. In Almaty gibt es sehr viele Läden, die bis spät in die Nacht oder sogar rund um die Uhr geöffnet sind. Direkt an der Ecke des Hauses, in dem ich lebe, gibt es beispielsweise einen 24 Stunden geöffneten Kiosk, der gleichzeitig auch Drogerie, Bäckerei und Bar, auf gefühlt nur 10 Quadratmetern ist.

Nur wenn man Alkohol kaufen will muss man auf die Uhr schauen: von 21 Uhr  bis 12 Uhr mittags ist Sperrstunde für harten Alkohol, zwischen 23 Uhr und 8 Uhr morgens dürfen auch Bier und Wein nicht verkauft werden. Statt nicht zu vergessen „vor den Feiertagen einkaufen zu gehen“ darf man hier nicht vergessen „tagsüber Alkohol zu kaufen“, falls man am Abend etwas trinken möchte.

Taxi/Bus oder doch zu Fuß?

Die Tatsache, dass es in Almaty keine Busfahrpläne gibt, habe ich schnell verkraftet, denn Busfahren wir dadurch versüßt, dass es fast nichts kostet. Das senkt irgendwie auch meine Erwartungen an den Service. Außerdem ist Pünktlichkeit in Kasachstan anders definiert als in Deutschland und weder ich noch der Bus müssen irgendwo auf die Minute genau ankommen.

Wenn sich nach zehn bis zwanzig Minuten warten dann doch langsam Zweifel an der Entscheidung Bus zu fahren einstellen, gibt es immer noch die Option zu Fuß zu gehen – oder für ebenfalls wenige Tenge ein Taxi anzuhalten. Die Option Fahrradfahren kommt mir in solchen Situationen mittlerweile nicht mehr in den Sinn: Es gibt zwar einige Stationen für Leihfahrräder ähnlich den Bahnfahrrädern in Deutschland, aber Fahrradwege oder Menschen auf Fahrrädern sucht man vergebens.

Am Wochenende – Berge!

Das Beste an Almaty sind meiner Meinung nach die Berge. In der Woche werfe ich jeden Morgen einen verträumten Blick aus meinem Fenster in Richtung Tian-Shan-Gebirge, bevor wenige Stunden später der Smog der Stadt das Hochgebirge am Horizont verschwinden lässt. Jedes Wochenende muss ich dann unbedingt dorthin, denn ganz egal ob Snowboard fahren, Schlittschuh laufen  oder saunieren – sämtliche meiner Lieblingsfreizeitaktivitäten lassen sich „dort oben“ hervorragend ausleben und eine Auszeit für meine Lungen von der verschmutzten Stadtluft tut mir auch definitiv gut. Wenn ich am Wochenende nicht gerade nach Astana reise, bin ich Samstag oder Sonntag definitiv in den Bergen.

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