16. Februar 2016
Heute startete das zweite Semester in Granada. Da ich schon seit September in der andalusischen Kleinstadt studiere, dachte ich, mich könnte nichts mehr überraschen. Doch wie so häufig im Leben, sollte ich eines Besseren belehrt werden.
Es begann schon mal damit, dass ich bis Samstagnacht keinen blassen Schimmer hatte, dass am Montag die Vorlesungen losgingen. Diese kleine, delikate Information erfuhr ich zufällig vor zwei Nächte zuvor auf einer WG-Party. Bis Montag durchlief ich die berühmten vier Phasen der Trauer: Nicht-wahrhaben wollen, Wut, Abschied von meiner Freizeit und schließlich Akzeptanz, dass ich Montag wohl oder übel wieder zur Uni gehen musste. Eigentlich hatte ich große Pläne für die kommende Woche gehabt. Seit Wochen hatte ich mich auf das Skifahren in den Bergen der Sierra Nevada gefreut, mal ganz abgesehen davon, dass am Donnerstag mein Flug nach Barcelona ging und ich erst nächste Woche Dienstag zurückkehren wollte. Das nenne ich mal, dumm gelaufen, aber irgendwie hatte ich auch selbst schuld.
Den Sonntag verbrachte ich damit, mir meine Kurse herauszusuchen. Lange dauerte das zum Glück nicht, da das Vorlesungsverzeichnis an der Universidad de Granada sehr übersichtlich gestaltet ist. Kein Vergleich zur TU Dresden – dort studiere ich normalerweise – wo man erst stundenlang drei verschiedene PDF-Dateien durchforsten muss, damit man weiß, welche Vorlesungen und Seminare man dieses Semester belegen muss. Hier in Granada habe ich alle Kurse entweder in digital oder in dem Semesterplaner der Fakultät vor mir liegen. Ich muss mir nicht einmal die Räume heraussuchen, da alle Kurse eines Semesters im gleichen Raum stattfinden.
Ich muss mich lediglich entscheiden, ob ich meine Kurse „vormittags“ (also in einem Zeitraum von 9 – 15 Uhr) oder „nachmittags“ (von 16 – 22 Uhr). Okay, „vormittags“ und „nachmittags“ ist vielleicht nicht die ganz korrekte Bezeichnung, aber das ist im Prinzip die Schuld der Spanier: im Spanischen gibt es nämlich nur „por la mañana“ („morgens“), „por la tarde“ (tagsüber) und „por la noche“ („nachts“). Bewaffnet mit meinem neuen Stundenplan – ihr könnt euch sicher denken, für welches Zeitfenster ich mich entschieden habe – konnte es am Montag also losgehen.
Der erste Kurs, „Design and Analysis of Electoral Campaigns“, ging schon einmal super los. Dazu sollte ich vielleicht kurz erwähnen, dass an der Universidad de Granada einige der Kurse auch auf Englisch angeboten werden – ich vermute mal als Zugeständnis an die zahlreichen Erasmusstudenten, die jedes Semester Granada überschwemmen und meistens kaum spanisch sprechen können. Wir saßen im Klassenraum und warteten auf den Professor, als ein Mann herein kam und sagte: „Hallo, ich bin die Lehrkraft von diesem Kurs, allerdings dem Kurs auf Spanisch. Ich soll euch ausrichten, dass der Professor noch in den Vereinigten Staaten ist.“ Und weiter: „Er dachte nämlich, dass der Unterricht erst nächste Woche beginnt. Daher beginnt dieser Kurs erst nächste Woche Freitag!“ Das war ja nur ein Ausfall von 5 Doppelstunden! Eigentlich finde ich schulfrei gar nicht so schlecht und im Gegensatz zu einigen meiner anderen Kommilitonen wohne ich zum Glück nur fünf Minuten von der Uni entfernt, also ging ich einfach wieder nach Hause.
Zwei Stunden später wagte ich einen zweiten Versuch und ging zum nächsten Kurs. Das Klassenzimmer war überraschend voll. Überraschend, weil ich von den meisten spanischen Studenten hörte, dass sie die erste Woche des Semesters total unwichtig finden und daher erst gar nicht hingehen. Die Professorin erzählte uns, was uns in diesem Kurs erwartete und welche Prüfungsleistungen wir zu erbringen hatten. Zwei Examen, sogenannte „practicas individuales“, das sind kleinere Hausaufgaben, und eine Hausarbeit von 15 – 20 Seiten. Ugh! Das schaffe ich ja kaum schon auf Deutsch, geschweige denn auf Spanisch! Und dann fing die Professorin noch an, davon zu reden, wie wichtig doch der sprachliche Ausdruck sei. Rechtschreibfehler und Umgangssprache würden nicht geduldet. Schlimmer noch: Sie erwartete Eloquenz und einen intelligenten Schreibstil. Nur zur Info: Ich spreche und schreibe ein Spanisch auf dem intellektuellen Niveau eines 6-Jährigen! Das Seminar konnte ich also schon mal abhaken. Schade eigentlich, dabei hatte es doch ganz interessant geklungen. Doch am Ende der Stunde erhob ein deutscher Kommilitone in einem heroischen Akt seine Stimme und fragte, ob es möglich sei, die Arbeit auch auf Englisch zu schreiben. Und die Antwort der Professorin lautete „JA!“ Examen auf Spanisch (das war ok), Hausarbeit auf Englisch. Dann habe ich vielleicht doch noch eine Chance, das Seminar zu bestehen. Nach dem Unterricht konnte ich also einigermaßen zuversichtlich auf das nächste Semester blickend nach Hause gehen. Ich bin gespannt, was die nächsten Tage bringen werden.
Hannschki
21. November 2018
Hey ich würde auch gerne an diese Uni, kannst du mir eventuell ein paar Infos geben? 🙂
Ich habe dir auf Instagram eine Anfrage geschickt!
Liebe Grüße
Hannah