5. Februar 2017
Studium im Libanon, Semesterferien im Januar: Wo man in Deutschland schnell den nächsten Flieger Richtung Berge, Meer und fremde Städte besteigt, bietet der Libanon rund um seine Hauptstadt Beirut all das. Drei Tagesausflüge für freie Wochenenden und sonnige Ferientage.
1. Badkun S(c)hi? – Wintersport in Faraya
Mietwagen, Taxi, Wochentag, Wochenende, Übernachtung, Tagestrip… Tagelang überlegen wir, wie wir unseren Plan, Libanons Skigebiete zu besuchen, am einfachsten in die Tat umsetzen können. Letztendlich entscheiden wir uns für eine (fast) all-inclusive Tour von skileb.com, eine Internetseite, die nicht nur Touren anbietet, sondern auch alle wichtigen Informationen zum Thema Skifahren zusammenfasst. Für 80$ pro Person zu dritt (je mehr, desto günstiger) geht es morgens um 07:30 von Beirut aus los. Mit inbegriffen sind Transport, Skiausrüstung und Liftkarte, allerdings nur für eins der drei (zusammenhängenden) Skigebiete. „Shu Ismak?“, wie heißt du, das kann ich den Fahrer des Snowtaxis, er heißt Mario, gerade noch fragen. Sonst ist sein englisch ungefähr so gut wie mein arabisch, das heißt rudimentär vorhanden, was ihn aber nicht davon abhält sich mit uns zu unterhalten.
Gegen 9:30 kommen wir in Faraya, genauer gesagt in dem zum Ort gehörigen Skigebiet Mzaar, an und leihen uns im Sportgeschäft Skiausrüstung. Mit wolkenverhangenem Himmel, leichtem Schneefall und -7 Grad ist der heutige Tag bisher der kfälteste des Winters. Was soll’s, wir lassen uns nicht entmutigen und machen uns auf Richtung grüne und blaue Pisten, da meine zwei Begleiterinnen erst das zweite Mal auf Ski und Snowboard stehen. Tip: Landschaftlich lohnt sich das Skifahren im Libanon allemal. Für alle guten Ski- oder Snowboardfahrer sind die Pisten aber nicht übermäßig fordernd. Alternativ kann man stattdessen als Skifahrer dem Snowboard und als Snowboarder den Ski mal eine Chance geben.
Bis zum Mittagessen ist der Kampf durch Nebel und Schnee nicht so richtig witzig. Nachdem wir in einem Café in der Nähe eine kleine Mittagspause gemacht haben klart der Himmel jedoch auf und beschenkt uns mit einer Aussicht, die vom höchsten Punkt bis zum Mittelmeer reicht. Müde und mit roten Gesichtern holen uns um 16:00 Mario und das Schneetaxi ab, um uns zurück nach Beirut zu fahren. Als er an der nächsten Tankstelle hält und uns fragt, ‚badkun shi‘, ob wir etwas möchten, lehnen wir dankend ab. Mit Saft für alle und einem Berg verschiedener Süßigkeiten kommt Mario zurück zum Auto. Wieder in Beirut angekommen weigert er sich unser Trinkgeld anzunehmen. Er ruft uns zu, wenn wir nochmal nach Faraya wollten, dann hätten wir ja seine Nummer, und braust davon.
2. George Bush und die Tropfsteinhöhle: Besuch in Jeita
Etwa eine Stunde nördlich von Beirut und, für uns ein großes Plus, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, liegt die Tropfsteinhöhle von Jeita. An einer der beiden zentralen Minibusstationen Beiruts, ‚Cola‘ und ‚Dora‘, angekommen, kommen gleich lächelnd zwei Libanesen auf uns zu. „Nach Jounieh“, rufen wir ihnen fragend zu, denn wir wollen heute in Richtung dieser nördlich an Beirut angrenzenden Stadt, die in etwa 30 Minuten und mit nicht mehr als 2.000-3.000 LL (1 – 2 Euro) zu erreichen ist. Ohne viele Umwege werden wir in den richtigen Bus gesetzt. Kurz vor Jounieh, an der Abzweigung nach Ajaltoun, lassen wir uns vom Busfahrer absetzen. Jetzt nur noch ein Taxi (ca. 5.000 LL pro Person) von dort zur Jeita-Grotte und man ist nach weiteren 15 Minuten schon am beliebten Ausflugsziel angekommen. Die beeindruckende Tropfsteinhöhle mit unerwartetem Ausmaß wurde zur Zeit des Bürgerkrieges als Waffenlager genutzt und in den 90er Jahren innerhalb weniger Monate wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Sie besteht aus einem oberen und einem unteren Teil, der im Winter aufgrund zu hoher Wassermassen jedoch nicht selten geschlossen wird. So ist es auch heute. So oder so kann ich einen Besuch allen Libanonreisenden mehr als ans Herz legen! Auf dem Rückweg haben wir Lust, uns noch ein bisschen die Beine zu vertreten und laufen vom Eingang der Höhle bis zur nahegelegenen Schnellstraße.
Kurz bevor wir diese erreichen zieht ein großes Plakat unsere Aufmerksamkeit auf sich: ‚Hall of Fame‘, rechts runter. Was das genau ist, erfahren wir nachdem wir der Beschilderung folgen und circa 500 Meter später den Eingang des Museums erreichen. ‚The World’s first animated Silicon Museum‘ (mehr Informationen auf
halloffamelb.com), das heißt, singende, sprechende, sich bewegende Silikonfiguren allerhand politischer und gesellschaftlicher Berühmtheiten. Da sich meine Motivation einer Hassan Nasrallah (Führer der libanesischen Hisbollah-Partei) Abbildung aus Silikon, oder einem singenden George Bush zu begegnen, gerade in Grenzen hält, entscheiden wir uns gegen einen Besuch. Auf der To-Do Liste bleibt die Hall of Fame trotzdem.
3. Am Ende bleiben die Zedern – Ein Tag im Shouf Gebirge
Es ist das Wochenende bevor die Kurse wieder anfangen (was und wie ich hier eigentlich studiere erzähle ich hier). Am Freitagabend sitzen wir zusammen und überlegen, was man morgen noch unternehmen könnte. Auf jeden Fall raus aus Beirut, das ist schonmal klar. Wir entscheiden uns für das Shouf Gebirge, das im Osten an der Stadtgrenze Beiruts beginnt. Was das Shouf zu bieten hat? Erstmal ist es Heimat der meisten Drusen hier im Land. Die Drusen, das ist eine islamische Abspaltung, vom Großteil der muslimischen Welt als Häretiker interpretiert, die sich selber aber als muslimisch gläubig sehen. Circa 5% der LibanesInnen sind drusischen Glaubens und damit in die Gemeinde hineingeboren. Eine Konversion zum Drusentum ist nicht möglich. Das Shouf Gebirge ist aber auch Heimat für etwas, was das Selbstbild des Libanon und seiner Bewohner besonders prägt, das nationale Symbol des Libanon, auch auf der Flagge verewigt: Die Zeder. Im Shouf zahlreich zu finden, da dieses Gebirge Libanons größtes Zedernreservat beherbergt. Kleiner Nachteil für den Besuch im Shouf ist der schlecht ausgebaute öffentliche Nahverkehr. Demnach ist die erste Hürde, entweder LibanesInnen zu finden, die ein Auto besitzen (so gut wie alle) und außerdem nichts Besseres zu tun haben als am Wochenende Ausländer zu bespaßen, oder aber man mietet sich ein Leihauto (sofern man sich zutraut dem hiesigen Verkehr zu trotzen).
Kurz nach dem Checkpoint, Grund hierfür wie so oft ungewiss, kommen wir auf eine Serpentinenstraße, die wir insgesamt dreimal wieder runter und hoch fahren. Der Grund: Unsere libanesischen Begleiter suchen eine bestimmte Straße, die zu einem bestimmen Fluss und einem bestimmten Badepunkt führt. Es ist zwar Winter, und uns ist allen weniger nach baden, es wird aber trotzdem alles daran gesetzt, diesen kleinen Spot zu finden. Nach einem falschen Abzweig mitten rein in eine Bananenplantage, aus der wir anschließend rückwärts wieder hinausfahren, erscheint tatsächlich einige Kilometer weiter die richtige Straße. Und die Suche hat sich mehr als gelohnt.
Unser zweiter Stop ist das kleine Dorf Dar El Qamar, wo ein kurzer Ausstieg (für die LibanesInnen unter uns auch ein langsames Durchfahren) genug ist, um den hübschen Dorfkern zu besichtigen. Das Wachsfigurenkabinett hingegen ist, wie mein Reiseführer schreibt und ich von meinem letzten Besuch bestätigen kann, ’slightly awkward‘ und dazu noch recht teuer. Folgt man der Straße weiter, kommt nach wenigen Kilometern eine Abzweigung in das Dorf Beit El-Din, mit dem gleichnamigen Palast. Von den Osmanen erbaut und als Regierungssitz genutzt ist er seit der Unabhängigkeit des Libanon 1943 wieder Sommerresidenz des libanesischen Präsidenten. Da wir eher zu einem Roadtrip als zu architektonischem Sightseeing aufgebrochen sind, lassen wir diesen Stop rechts liegen, glaubt man den Erzählungen ist ein Besuch dort aber sehr empfehlenswert.
Der dritte Stop am heutigen Nachmittag ist ein versteckter kleiner Friedhof im Ortskern von Boqaata. Während unsere libanesischen Begleiter nicht motiviert sind, sich mit drusischer Geschichte auseinanderzusetzen und lieber etwas Nachtschlaf im Auto nachholen, machen Hannah, meine deutsche Kommilitonin, und ich uns auf die Suche nach dem Schlüssel. Der Schlüssel zu Schlüsseln im Libanon: Einfach durchfragen. Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft lassen auch hier, egal wie gebrochen das Englisch, selten zu wünschen übrig. Im nächsten arabischen Männersalon werden wir auf die Wartestühle verfrachtet und ein Anruf und keine zehn Minuten später kommt der Schlüsselwärter, auf seinem Motorrad und mit erklärendem Touristenbüchlein im Gepäck, um die Ecke. Gemeinsam mit dem Friseur des Männersalons, der sich kurzfristig zum Fremdenführer berufen fühlt, laufen wir auf dem Drusenfriedhof den Weg des Lebens ab. Ein Friedhof voller Symbolik, unglaublich beeindruckend und voller Geschichte. Ein Muss für alle, die es ins Shouf-Gebirge treibt. Nun machen wir uns schnellen Tempos auf in Richtung Zedern. Je höher uns die Straße führt, desto mehr haben wir das Gefühl, dass es den Schnee durch die kalten Temperaturen die letzten Tage tiefer ins Tal geführt als sonst. Und so sind wir wenig überrascht als wir die Straße gesperrt auffinden. Da ich schon mit meinen Eltern das Shouf-Gebirge besucht habe (Erzählungen über unseren Urlaub in Libanons Süden findet ihr hier) ist meine Enttäuschung aber nicht ganz so groß. Und Ausblick, Wolken und Sonne machen im Libanon einen Besuch dort auch ohne Zedern mehr als wett.