8. November 2016
Der erste Monat in meiner zeitweiligen Heimat ist rum und ich blicke auf spannende vier Wochen zurück. „Abenteuer Alltag“, das beschreibt mein momentanes Leben hier recht gut. Und irgendwie bin ich „deutscher“, als ich dachte.
Einerseits kommt es mir wie gestern vor, dass ich in Frankfurt ins Flugzeug gestiegen und Deutschland für eine Weile Lebewohl gesagt habe. Gleichzeitig ist in den letzten Wochen so viel passiert, dass es schon fast unrealistisch scheint, so viel in so kurzer Zeit erleben zu können.
Jeden Abend gehe ich komplett erschöpft und mit vielen neuen Eindrücken ins Bett. Ohne zu wissen, wie um Himmels Willen man das alles in kurzen Texten zusammenfassen soll.
Gutes Wetter ist Ansichtssache
Der Herbst in Teheran kam schneller, als ich erwartet hätte. Vor ein paar Tagen fiel das erste Mal seit acht Monaten Regen, was hier zwei Dinge bedeutet: kurz mal frische Luft atmen und bloß keine weißen Schuhe tragen! Der Regen spült den enormen Smog mit sich runter und setzt ihn als hartnäckigen Dreck auf jeglichen Klamotten ab. (Spüli und Scheuermilch haben den Dreck aus meinen Schuhen zwar entfernt, auf das Schrubben kann ich allerdings in Zukunft verzichten!)
Wenn die Teheraner von gutem Wetter sprechen, heißt das anscheinend Regen! Je mehr Regen das Jahr über fällt, desto kleiner ist die Wahrscheinlichkeit für Wasserknappheit im Sommer und natürlich ist man mit zunehmendem Smog über jeden Tag „Frischluft“ dankbar.
Jeden Tag zum Sprachkurs
Seit knapp drei Wochen gehe ich täglich zum intensiven Persisch Sprachkurs am Dehkhoda Institute, wo eine bunte und internationale Gruppe von Leuten zusammentrifft, um Persisch zu lernen.
China, USA, Deutschland, Korea, Litauen, Weißrussland – hier kommen die Studenten von überall her und haben die unterschiedlichsten Beweggründe ihr Persisch zu verbessern.
Nach einem mündlichen und schriftlichen Einstufungstest wurde ich im Level Intermediate 2 eingeordnet, der goldenen Mitte der Sprachlevel. Am Samstag sind schon Midterms, eine weitere Erinnerung daran, dass die Zeit hier schneller vergeht, als ich es fassen kann.
Sprechen ist schwerer als gedacht
In Marburg im Persischunterricht waren Grammatik und geschriebene Sprache ganz klar im Fokus… etwas, was mir hier ziemlich wenig „streetcredit“ einbringt, wenn man ehrlich ist.
Gesprochenes Persisch ist ganz anders, als die Schriftsprache und bedarf einfach viel Übung. Ich könnte quasi Zeitungsartikel übersetzen, aber wenn mir ein Taxifahrer eine Frage stellt, kommen nur Rudimente eines Satzes heraus.
Jeder der mich kennt weiß, dass man Ungeduld zu einer meiner schlechteren Eigenschaften zählen könnte… dass ich nach vier Wochen noch nicht fehlerfrei und flüssig sprechen kann, ist keine Überraschung, mich nervt es trotzdem!
Mein Motto: Abenteuer Alltag
Bestes Beispiel: Öffentliche Verkehrsmittel.
Was macht eine Deutsche, wenn es für den Bus einfach keinen Fahrplan gibt? Nervös werden. Also muss ich mich jetzt einfach an die Straße stellen und warten bis einer vorbeikommt?
Obwohl ich das nicht gedacht hätte, muss ich mich sehr daran gewöhnen grundsätzlich 30 Minuten früher aus dem Haus zu gehen, dann manchmal fünf, manchmal fünfzehn, manchmal vergebens an der Straße zu stehen und auf den Bus zu warten. Irgendwie bin ich da doch „deutscher“, als ich dachte.
Wenn der Bus dann kommt, winkt man wild, um gesehen zu werden oder schmeißt sich, wenn nötig, einfach halb vor den Bus. Kommt man seinem Ziel (man muss auch erstmal wissen, WO das ist…) näher und will aussteigen, sagt man einfach kurz „Ich steige jetzt aus!“. Man bezahlt und hofft, dass man da angekommen ist, wo man hinwollte.
Wandern, Reisen, Ausflüge – Hauptsache Natur
Um der Stadt zu entfliehen und so viel wie möglich während meiner Monate hier zu sehen, versuche ich viele Ausflüge zu machen. Am letzten Wochenende (hier Donnerstag und Freitag), bin ich mit drei anderen Deutschen in den Norden Irans ans Kaspische Meer gefahren. Wunderschöne Landschaft, tolle Menschen, so viel Wald! Man war sich zwischendurch nicht sicher, ob man sich nicht vielleicht doch in den Alpen befindet. Das Kaspische Meer ist der größte See der Welt und die Regionen, die an seine iranischen Ufer grenzen, sind für fruchtbares Land und Fischerei bekannt.
Ein surrealer und witziger Gedanke: Auf der anderen Seite des Wassers ist Russland.
Definitiv nicht mein letzter Besuch und nur der erste von hoffentlich vielen Wochenendtrips durchs Land.
Mein Alltag ist neu und chaotisch und irgendwie trotzdem schon Routine.
Über Wohnheim und andere Abenteuer folgen bald Beiträge, bleibt also dran!
!خداحافظ بچه ها
Nili
27. November 2017
Doroud be shoma ,
Ich bin zwar Teheraner aber habe in Wien studiert und ich habe eine Österreichische Freundin die nächstes Jahr mit mir für etwa ein Jahr in den Iran ziehen möchte nun versuche ich mich etwas mittels Internet zu informiren und lese Erfahrungsberichte was die Europäerinen im Alltag im Iran erleben bzw. erlebt haben, ich würde mich freuen wenn du uns Tipps geben würdest damit wir im Iran nicht mit etwas überrascht werden mit dem wir nicht gerechnet haben.
+Viel Freude wünsch ich dir Alina Joon
Artin
17. November 2016
!امیدوام خوش بگزره در تهران
Aber das mit dem persisch kommt noch, es bedarf halt alles seiner Zeit…. Die größte Herausforderung ist sicher zwischen den verschiedenen t, s und h lauten den überblick zu behalten 😀
Alina Werner
24. November 2016
خیلی ممنون
Die größte Herausforderung ist momentan eher das Sprechen und der „Slang“… 🙂
André
14. November 2016
Salam
Schöner Bericht, erinnert mich an meine Reise durch den Iran. Bin gespannt, was noch folgt 🙂
Alina Werner
16. November 2016
Salam André,
freue mich, dass der Beitrag gefällt. 🙂