5. Januar 2022
Dass sich der Döner in Deutschland von jenem in der Türkei unterscheidet, haben viele Menschen mittlerweile verstanden. Wer etwa viel Soße erwartet, wird in Istanbul auf jeden Fall enttäuscht werden. Im Grunde handelt es sich hier bei einem Döner in erster Linie um Fladenbrot, Fleisch, Zwiebeln, Tomatenscheiben und vielleicht noch ein wenig Salat. Deshalb erzähle ich in diesem Blog lieber von anderen lokalen Köstlichkeiten.
Durch einen Freund habe ich ein wunderbar familiäres Lokal in Kadıköy kennengelernt, das eine übersichtliche Speisekarte bereithält und in dem die Köchin längst weiß, dass bei mir eine „normale“ Portion nicht ausreicht. Bei Kalkanoğlu Pilavcısı gibt es in erster Linie Reis, Fleisch und Bohnen zu essen. Wann immer ich von einem Ausflug zurückkomme oder nachmittags vom Joggen erschöpft nichts mit mir anzufangen weiß, gehe ich dorthin. Es nennt sich „soulfood“. Die Köchin und ich winken uns lächelnd zu, aus reiner Höflichkeit fragt sie, was ich möchte. Aber wenn ich in Begleitung bin, wird dieser von der Kellnerin schon direkt gesagt, dass ich immer die „büyük porsiyon“ (große Portion) nehme. Egal, ob mein Vater in Anbetracht der Fotos, die ich schicke, meint, dass er davon zwei Tage lang essen könne. Ich verschlinge den in Butter geschwenkten Reis (pilav), der mit Abstand der beste der Stadt ist. Dazu gibt es Bohnen und sehr zartes Rindfleisch. Meist trinke ich noch einen Ayran hinterher.
Seit Neustem habe ich auch einen Hype auf eingelegtes Gemüse im Türkischen turşu. Zum Glück wird ein kleiner Teller mit Kohl, sauren Gurken und Möhren hier für nur fünf Lira (aktuell 32 Cents) angeboten. Mehr braucht es nicht, um mich glücklich zu machen. Dieses Gemüse wird auch noch in einem anderen Lokal angeboten, das ich kürzlich kennengelernt habe. Ein Freund wollte mich dorthin bringen, weil er der Meinung war, dass es bei Meşhur die besten Bohnen (fasulye) Istanbuls gäbe. Mittlerweile habe ich ihn allerdings von meinem Lieblingslokal überzeugen können. Dennoch ist auch Meşhur Selanik Kuru Fasulyecisi in Moda einen Besuch wert.
Nach Pilav und Ayran kommen Balık und Şalgam
Mein Platz 2 der besten Gerichte ist auf der europäischen Seite der Stadt, unweit des kleinen Fähranlegers von Karaköy zu finden und wurde bereits für meinen dritten Blog fotografisch festgehalten. Auch wenn mein Lieblingsprofessor Bülent meint, dass das balık ekmek (gegrillter Fisch in Fladenbrot) das traditionelle „Streetfood“ Istanbuls sei, bevorzuge ich ganz klar balık dürüm, also die Wrap-Variante. Denn dickes ungetoastetes Weißbrot geht für mich so gar nicht. Und bei „Mario The Fisherman“ aka „Super Mario“ gibt es diesen Dürüm mit einer leicht scharfen Spezialsoße. Dazu schmeckt meiner Meinung nach am besten Şalgam, ein säuerliches und scharfes Getränk aus Knoblauch, roter Karotte und Steckrüben (manchmal auch mit roter Beete). Şalgam Suyu steht für „Steckrübensaft“. Dieser ist leicht gesalzen und wird in zwei Schärfegraden angeboten. Im letzten Sommer in Berlin habe ich Şalgam zum ersten Mal zum türkischen Nationalgetränk Rakı getrunken und war sofort überzeugt. Ich liebe allerdings auch Gemüse- und Rote-Beete-Saft, was mich von manchen Menschen unterscheidet. Mittlerweile trinke ich auch die scharfe Variante (acı).
Die Bronzemedaille in Sachen „Soulfood“ geht aus meiner Perspektive an die traditionelle Linsensuppe: Mercimek Çorbası. Abhängig vom Rezept kann diese Suppe dick- oder dünnflüssig und aus verschiedenfarbigen Linsen gekocht sein. Ich schlürfe sie in der Uni während einer Chorprobe oder falle in einem kleinen Lokal in meiner Nachbarschaft über sie her, wenn ich durchgefroren und ein wenig „lost“ bin. Suppe ist Balsam für die Seele. Besonders gut schmeckt sie mir an der Fakultät für Musik an der Marmara Universität oder bei Karaelmas (vergleiche auch meinen sechsten Blog zu meinen finanziellen Ausgaben vor Ort). Dort gibt es neben einer leckeren Linsensuppe außerdem Moussaka mit sehr viel Aubergine (patlıcan) und einen köstlichen knoblauchlastigen Auberginensalat (patlıcan salatası), den ich an dieser Stelle empfehlen möchte. Die Suppe wird grundsätzlich mit einem Stück Zitrone serviert. An der Uni aktuell nicht, denn dort wird sie im Pappbecher über den Tresen des Kiosks gereicht. Lecker ist sie dort trotzdem und besonders dickflüssig auch!
Wer bis hierhin noch keinen Appetit bekommen hat, dem kann ich leider nicht weiterhelfen. Wer vegane Optionen vermisst, muss sich auch an andere Adressen wenden. Ich habe bislang zwar einen köstlichen veganen Schokokuchen bei Veganarsist in meiner Straße gegessen, aber das war es an auch schon an rein pflanzlichen Gerichten, die ich in Istanbul ausprobiert habe. Abgesehen natürlich von frischem Obst und Gemüse auf dem Markt. Oder türkischem Kaffee (kahve). Ich bin entschieden zu käsesüchtig, als dass ich vegan leben wollte. Und seit ich in der Türkei wohne, esse ich auch wieder mehr Fleisch. Das liegt wohl in erster Linie daran, dass ich selten zu Hause koche, sondern lieber außerhalb auf Nahrungsjagd gehe. In Gießen ist es umgekehrt und dort kaufe ich kein Fleisch, um es selbst zuzubereiten.
Simit, Mercimek köfte, Sütlaç und Pasta: Leckeres im Schnelldurchlauf
Bevor dieser Text zu lang wird, gehe ich nun im Schnelldurchlauf noch ein paar Leckereien durch, die bei der nächsten Reise durch die Türkei gerne ausprobiert werden dürfen. Meine Liste entbehrt jeglichen Anspruchs auf Vollständigkeit. Mir ist durchaus bewusst, dass meine neue Heimat noch viel mehr zu bieten hat als die folgenden kulinarischen, ganz individuell gewählten Highlights.
Simit: Überall zu finden ist der Sesamring, den es auch in Deutschland zu kaufen gibt. Viele Menschen kaufen welche vor der Fährfahrt, um das Gebäck an die Möwen zu verfüttern. So kommen sie nämlich gierig angeflogen und es können schöne Fotos geschossen werden. Ja, Simit schmeckt. Nicht nur den Möwen natürlich.
Mercimek köfte: Köfte sind traditionell Frikadellen, die es in verschiedenen Varianten gibt, z. B. am Spieß (Adana Kebap). Ich habe sie kürzlich mit meinem Tutor Yasin einmal selbst gemacht: aus Linsen. Ganz so lecker wie an meinem kleinen Unikiosk fand ich sie zwar nicht, aber für den ersten Versuch war ich zufrieden. Auch hier kommt, wie bei der Linsensuppe, ein wenig Zitronensaft zum Einsatz. Die einzelnen Linsenfrikadellen werden dann jeweils in einem Salatblatt gegessen.
Sütlaç: Vergleichbar mit unserem Milchreis. Allerdings wird die Haut oben drauf in vielen Lokalen ein wenig angebrannt. Manchmal kommen noch gehackte Nüsse zur Zierde on top. Besonders lecker bei Kalkanoğlu Pilavcısı oder auch bei Sayla Mantı. Dort gibt es in erster Linie das folgende Gericht…
Mantı: Kleine Teigtaschen, die an Ravioli erinnern. Ich habe sie selbst noch nicht probiert, kenne aber einige, die davon schwärmen. Mantı werden entweder mit Hackfleisch oder Linsen gefüllt. Serviert werden Mantı mit einer Joghurtsoße, die Knoblauch und Minze enthält. Ergänzt wird das Gericht durch eine zweite warme Soße aus Öl oder Butter mit scharfem Paprikapulver. Wahlweise werden statt der warmen Sauce aber auch in Öl gebratene Paprikaschoten gereicht.
Pide: Die türkische Pizza darf an dieser Stelle nicht fehlen. Es gibt sie mit Ei, Hackfleisch oder ganz viel Käse. 🙂 Sie wird wie ein kleines Boot gefaltet. Das heißt, der Rand ist deutlich breiter als in Italien. Ich möchte ehrlich gesagt auch nicht von Pizza sprechen, weil die Variante aus Napoli nun wirklich etwas ganz anderes bedeutet als Pide in Istanbul. Beides schmeckt köstlich.
Pasta: Das ist das türkische Wort für Torte. Und Süßspeisen gibt es hier wohin das Auge reicht. Nicht selten hole ich mir auf dem Heimweg noch ein Stück, was in Deutschland so gar nicht meine Art ist. Aber hier in Istanbul locken mich die bunten Farben an und die Torten, die ich bisher probiert habe, lagen auch nicht so schwer in meinem Magen wie zu Hause. Besonders gerne mag ich die lila Obsttorte bei Pazifik Pastanesi in Moda, Kadıköy.
Kahvalti: bedeutet Frühstück. Manchen meiner Freund*innen ist mittlerweile aufgegangen, dass das die Mahlzeit ist, die ich gerne weglasse und einfach durch Matchatee ersetze. Dennoch hat das türkische Frühstück einiges zu bieten, wie ich unlängst während unseres Ausflugs nach Kapadokya erleben durfte. Käse, Tomaten, Gurke, Tahin, Joghurt, Simit, Honig, kahve (dt. Kaffee), Omelett und Obstsaft.
Gözleme: Ein salziger Pfannkuchen, den ich schon an anderer Stelle erwähnt habe. Am liebsten esse ich ihn gefüllt mit Spinat und Käse.
Nun werde ich mich meinem Nachtisch widmen. Auf dem Heimweg von Karaköy habe ich mir nämlich bei Kemal Usta Waffles gleich zwei Puddingbecher gekauft. Der letzte zehn Kilometer-Lauf will sich schließlich rentiert haben.
Dieter
5. Januar 2022
Gehören Oliven nicht auch immer zum
Frühstück?
Essen hat hohe Priorität in deinem Leben.
Sophie
6. Januar 2022
Ja, die Oliven sind auch auf dem Frühstücksbild zu erkennen, mein lieber Papa!