14. Januar 2021
Im Schwedischen Spätsommer war es warm, am Abend lang hell, und man konnte viel draußen sein. Mit dem Wintereinbruch stiegen jedoch die Fallzahlen und mittlerweile rudert die Regierung von ihrem Sonderweg zurück. Doch wie sieht der Alltag in so einem ganz anderem Auslandssemester aus?
Ein Sommer mit Sonderweg
Zu Beginn meines Auslandssemesters in Schweden waren die COVID19-Fallzahlen noch niedrig und die Temperaturen hoch. Und die Schweden blieben bei ihrem Sonderweg: Es gab keine Maskenpflicht, Bars, Restaurants, Geschäfte und Cafés hatten durchgehend geöffnet. Das war schon ein komisches Gefühl. Die Pandemie schien nicht so allgegenwärtig wie zur gleichen Zeit in Deutschland. Natürlich war auch damals im Sommer nicht alles normal. Viele Veranstaltungen waren abgesagt oder fanden in beschränktem Rahmen statt. Die beliebtem, von Studierenden betriebenen Clubs der Studenten-Nationen waren sowieso geschlossen und den Vorlesungen und Übungen lauschte man größtenteils online. Das macht das Kennenlernen von Leuten natürlich erst einmal schwieriger. Glücklicherweise fand die „Nollning“ – die Einführungswochen an schwedischen Unis trotzdem in abgespeckter Form statt. Noch einmal Ersti sein und vier Wochen lang jeden Tag an verrückten Veranstaltungen teilnehmen? Für uns Austauschstudierenden war das eine echtes Highlight. Denn wir lernten uns nicht nur untereinander besser kennen, sondern auch unsere schwedischen Mentoren.
Mittlerweile ist es kälter und wird früher dunkel. Okay, dass das passieren würde, wusste ich auch schon, bevor ich nach Schweden gegangen bin. Aber wie in fast allen europäischen Ländern stiegen mit dem Wintereinbruch auch in Schweden die Corona-Fallzahlen. Nach und nach passte die Regierung dann ihren Kurs an. Zuerst schlossen öffentliche Gebäude und Museen, Ansammlungen von über acht Personen wurden untersagt und es durfte kein Alkohol nach 22 Uhr mehr ausgeschenkt werden. Über die Weihnachtsfeiertage wurden die Regelungen dann noch einmal strikter. Genaues könnt ihr in meinem Beitrag dazu oder direkt auf der Seite des schwedischen Kriseninformationszentrums nachlesen.
Noch nie einen Hörsaal von Innen gesehen?
Das alles hatte natürlich auch Auswirkungen auf unseren Universitätsalltag. Nachdem zuvor vielleicht die Hälfte der universitären Veranstaltungen online und die andere Hälfte noch vor Ort stattfanden, wich man jetzt komplett auf die digitalen Lösungen aus. Um dabei nicht den ganzen Tag im Wohnheim zu sitzen, kamen ich und einige andere Austauschstudenten trotzdem zum Campus und suchten uns einen leeren Raum. Da die Uni nicht geschlossen war, aber viele Räume leer waren, konnte man diese gut zum Lernen nutzen. So konnte man trotzdem Zeit zusammen verbringen. Ich hatte in meinen Kursen nur einige wenige Labore vor Ort, alles andere fand online statt. Das führt dazu, dass ich hier in Lund nicht ein einziges Mal einen Hörsaal von innen gesehen habe.
Covidsichere Freizeitgestaltung
Neben der Uni sind wir häufig ins Fitnessstudio gegangen, das mit einer beschränkten Anzahl von Plätzen geöffnet war. Abends haben wir gekocht und zusammen gegessen. Jegliche Parties oder größere Treffen musste man natürlich absagen. Aber auch hier gab es digitale Alternativen! Wir haben uns jeden Donnerstag mit dem International Committee, das sind Studierende unseres Studiengangs die sich um die Austauschstudenten kümmern, getroffen zum gemeinsamen Spielen. Wir zoomten und spielten zusammen zum Beispiel Among Us oder Skribbl. Auch eine kleine LAN-Party haben wir in der Uni veranstaltetet. Zum Luciafest am 13. Dezember trafen wir uns sogar online um zusammen die typischen Lussekatter-brötchen zu backen (Das Rezept findet ihr im Artikel).
Reisen in Schweden
Die Wochenenden haben wir außerdem für Trips durch Schwedens Süden nutzten. So ging es mal in eine Hütte in der Nähe von Karlskrona, mal in die Nähe von Jönköping. Dort sind wir dann in Nationalparks und Naturreservate wandern gegangen oder mit dem Auto zu einigen Sehenswürdigkeiten gefahren. Eine Möglichkeit das Ansteckungsrisiko geringzuhalten und trotzdem etwas vom Land sehen! Natürlich ging auch vieles nicht: In Stockholm zum Beispiel waren die meisten Museen geschlossen und auch das nur 45 Minuten entfernte Kopenhagen wollte ich eigentlich unbedingt besuchen. Das ist aber aufgrund der geschlossenen dänisch-schwedischen Grenze derzeit nicht möglich. Auch in die anderen skandinavischen Nachbarländer Finnland und Norwegen kann man ohne 14-tägige Quarantäne und guten Grund leider nicht reisen.
Long Story Short
Ein Auslandssemester während der Corona-Pandemie ist sicher nicht dasselbe wie ein normales Auslandssemester, das sollte jedem bewusst sein. Als ich mich für mein Auslandssemester beworben habe, hatte ich das alles natürlich nicht so geplant. Aber ich bin trotzdem froh, dass mein Austausch überhaupt stattfinden konnte! Bei einem Ausfall wäre der ganze Bewerbungs- und Vorbereitungsaufwand umsonst gewesen und auch eine Verschiebung hätte meinen gesamten Studienplan komplett über den Haufen geworfen. Vielleicht sollte man das Auslandssemester während der Pandemie deshalb nicht mit einem Auslandssemester ohne Pandemie vergleichen, sondern vielmehr mit einem Semester während Corona an der Heimatuniversität. Auch das wäre mit massiven, womöglich viel größeren Einschränkungen verbunden gewesen. Es ist eben ein besonderes Auslandssemester, aber es ist eben auch gerade eine besondere Zeit. Trotzdem habe ich hier viele neue Freunde gefunden und tolle Erfahrungen gemacht. Diese Erfahrungen möchte ich auf keinen Fall missen.