11. Januar 2020
Laut Zeitungen wie der Jordan Times ist Amman, die Hauptstadt Jordaniens, nach wie vor die teuerste Stadt im arabischen Raum noch vor Dubai. Aber stimmt das wirklich? Was sind die Gründe dafür, und was bedeutet das für einen deutschen Austauschstudenten?
Geopolitische Lage macht Waren teurer
Vergleicht man Deutschland und Jordanien im geographischen Sinn, so fällt auf, dass Jordanien zurzeit keine Varietät von Handelswegen besitzt. Das lässt die Preise im Supermarkt natürlich steigen, besonders bei Produkten, die keinen Massenmarkt finden. Natürlich bleiben immer noch Länder wie Ägypten, Saudi-Arabien und auch durch das Rote Meer lassen sich Waren transportieren.
Doch früher war vieles einfacher: Vor den Krisen im Nahen Osten wurde viel Handel mit Syrien und dem Irak betrieben. Diese Beziehungen und Transportwege sind zurzeit eingeschränkt. Das politische Verhältnis zu Israel ist so moderat, dass es Handelswege über die Grenze gibt, jedoch versehen mit hohen Steuern und auch diese Handelsbeziehungen sind begrenzt.
Die Stadt Amman ist nur zwei Autostunden von der syrischen Grenze entfernt. So überrascht es kaum, dass auch Jordanien viele Flüchtlinge aufgenommen hat. Wie bereits in einem vorherigen Blogeintrag beschrieben, hat selbst Jordanien in der Geschichte große Flüchtlingswellen (nach den Israel-Kriegen) aufgenommen und noch heute haben 60-70% aller Jordanier einen Flüchtlings- und Migrationshintergrund aus Palästina. Aber darum soll es hier gar nicht gehen. Weshalb ich das Thema jedoch angesprochen habe: Oft wird eingewandt, dass die Steuern auch hoch seien, da ca. 1 Millionen Flüchtlinge aufgenommen wurden.
Da mir jedoch keine Zahlen dazu vorliegen und das Thema auch zu komplex ist, will ich daraus keine Schlüsse ziehen. Fakt ist: Nennenswerte Spannungen scheint es zwischen Jordaniern und syrischen Flüchtlingen bis jetzt nicht gegeben haben. Zumindest habe ich nirgendwo etwas davon mitbekommen oder gelesen. Dies hat viele Gründe: Zum einen sind die kulturellen Unterschiede gering, syrische Flüchtlinge konkurrieren nicht mit Jordaniern um Sozialleistungen und auch nicht im Arbeitsmarkt. Zumal leben die meisten Flüchtlinge in großen Flüchtlingslager im Norden des Landes und haben oft wenig Kontakt im täglichen Leben mit Jordaniern.
Eigene Erfahrung: Preise aus der Sicht eines deutschen Austauschstudenten
Doch vermutlich ist für viele die spannendste Frage: Wie viel Geld muss man im Monat als deutscher Austauschstudent einplanen, wenn man sich für ein Auslandssemester in Jordanien entscheidet? Ist es denn wirklich so teuer hier?
Nun, dass Jordanien oder konkret Amman teurer sein soll bzgl. der Lebenskosten als z.B. London (wie in der Jordan Times erwähnt) ist mir bis jetzt noch nicht aufgefallen. Tatsächlich habe ich mich am Ende auch wegen der Lebenskosten für Jordanien/Amman und gegen Barcelona/Spanien entschieden. Mieten sind im Vergleich zu Deutschland doch etwas geringer und es ist vor allem einfacher eine Wohnung zu finden, da man sich bei 300-400 Euro Budget pro Person für eine Wohnung doch in einem Preisbereich in Jordanien befindet, welches nur die Mittel- und Oberschicht bezahlen kann.
Auch das Essen in jordanischen Restaurants ist in den meisten Fällen etwas günstiger als Deutschland. Viel Geld wird man vermutlich, je nach Lebensstil, für Taxifahrten ausgeben: Dies liegt nicht daran, dass Taxi fahren teuer ist. Im Gegenteil! Eine 20-minütige Taxifahrt kostet im Durchschnitt je nach Tag- und Nachtzeit 2-3 Euro. Doch wird man durch den eingeschränkten Nahverkehr so oft Taxi fahren (manchmal mehrmals täglich), sodass eine Summe zusammen kommt am Ende des Monats.
Eine Beispielrechnung der Lebensunterhaltskosten in Amman:
1) Wohnung: 300 Euro/Monat
2) Lebensmittel/Essen: 200 Euro/Monat
3) Transport (Uni-Campus, etc.) : 50 Euro/Monat
4) Reisekrankenversicherung: 50 Euro/Monat
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Gesamt: 600 Euro/Monat
Dilemma aus Sicht von Jordaniern: Hohe Steuern, „wenig“ Gegenleistung?
Wenn man mit der Mittel- und Oberschicht in Jordanien spricht fällt auf, dass oft Kritik an dem Verhältnis zwischen Steuern und staatlichen Leistungen gibt. Besonders die Bildung in öffentlichen Schulen sei schlecht, was natürlich leider ein großes Problem für die wirtschaftliche Entwicklung ist.
Erstaunlich ist der hohe Anteil der Regierungsausgaben für Staatsdiener: Jordanien hat einen riesigen Beamtenapperat, der einen Großteil des Budgets der Regierung durch Löhne und Renten tilgt. Das hat Arbeitsplätze geschaffen, jedoch bleibt wenig Geld für Infrastruktur, Bildung und das Gesundheitswesen übrig.
Paradoxon: Hohe Lebenskosten, aber geringe Durchschnittslöhne
Zunächst ist mir ein Phänomen aufgefallen, welches typisch für viele Entwicklungsländern ist: In Jordanien ist der Mittelstand sehr klein. Entweder man ist finanziell gesehen (relativ) arm, oder man ist richtig reich. Und so sind auch die Luxusgüter und Kaffees in meinem Stadtteil in Amman eher auf die Mittel- und Oberschicht preislich ausgerichtet, denn diese können sich einiges leisten.
Und so liegt auch das Durchschnittseinkommen bei nur ca. 500 Euro, aber viele Preise sind nicht deutlich günstiger als beispielsweise in Deutschland. Es ist schwer vorzustellen für mich, dass man mit 500 Euro in der Hauptstadt Ammans überhaupt moderat leben kann. Ein befreundeter jordanischer Lehrer von mir verdient z.B. auch ca. 500 Euro im Monat. Bei der Einkommensklasse wohnt man jedoch eher in günstigeren Stadtteilen, wo Mieten nur zwischen 100-200 Euro pro Apartment kosten.
Es zeigt sich ein weiteres Problem im Bildungssektor: Jordanische Studenten bezahlen ein halbes Vermögen für die Universitäten, wobei der Lohn (in Jordanien) danach eher gering ausfällt. Das gilt in der Mittel- und Oberschicht auch schon für den Bildungsgang vor der Universitätszulassung. Oft eine weitere Motivation, das Land zu verlassen. Viele Eltern meiner jordanischen Kommilitonen arbeiten deshalb in Saudi-Arabien und im Irak, welches dann wiederum einen wichtigen Geldfluss nach Jordanien darstellt.
Fazit der Lebenskosten und wirtschaftlichen Stimmung in Jordanien
Für viele gebildete Jordanier ist das Verhältnis zu Einkommen und Lebensstandard zu gering und deshalb wandern viele Jordanier aus. Dazu kommt natürlich, dass durch die schwächelnde jordanische Wirtschaft auch überhaupt wenig Jobs verfügbar sind.
Überdurchschnittlich viele jordanische Studenten aus meiner Uni hier in Amman wollen das Land verlassen: Die Universität „German Jordanien University“ ist allein schon so aufgebaut, dass die Studenten deutsch lernen und ein Jahr in Deutschland studieren und ein Praktikum machen. Mehr zu dem Thema und zu meiner jordanischen Uni wird in einem folgenden Blogeintrag („German Jordanien University: Zeichen deutsch-jordanischer Freundschaft“) von mir genauer beschrieben werden.
Ein gezieltes Abwerben von ausländischen Studenten für die deutsche Wirtschaft also? Für mich ein Spagat in beide Richtungen: Für die deutsche Wirtschaft von Vorteil, auch für motivierte Jordanier/-innen eine große Chance, aber auch ein Verlust an kreativen und gebildeten Menschen in Jordanien. Diese könnten im eigenen Land Jordanien die Wirtschaft in Schwung bringen und auch die so benötigten Arbeitsplätze dadurch schaffen.
Erfahrung unbezahlbar: Ein Semester in Jordanien
Zusammengefasst lässt sich jedoch sagen, dass für einen deutschen Studenten die wirtschaftliche Lage in Jordanien wenig negative Einflüsse hat. Alle Preise sind bezahlbar, aber oft auf europäischem Niveau. Die nachhaltige Erfahrung des Lebens in der Arabischen Welt ist jedoch dafür unbezahlbar.