13. Mai 2019
Argentinien hat im Moment wirtschaftlich Probleme und eine gigantische Inflation. Was das für die Menschen, die hier leben bedeutet und was ich in zweieinhalb Monaten davon mitbekommen habe, berichte ich euch hier.
Ich bin jetzt seit etwa zweieinhalb Monaten in Buenos Aires. In der ersten Woche habe ich Geld getauscht zum Kurs 1 zu 43. Letzte Woche habe ich Geld getauscht zum Kurs 1 zu 50 und im August letzten Jahres lag das Verhältnis noch bei unter 30 Pesos. Überall sieht man Zeichen der steigenden Preise, überklebte, weg gewischte oder überschriebene Preisschilder. Meinen Spanischlehrer kann ich in Euros bezahlen, da das für ihn sowieso die bessere Geldanlage ist und mein Vermieter möchte die Miete am liebsten in Dollar, oder in Pesos, aber in Höhe des aktuellen Wechselkurses. Während das für mich nicht weiter schlimm ist, da ich ja auch für meine Euros immer mehr Pesos bekomme, ist das für die Leute, die hier leben natürlich ein großes Problem.
Lohnanpassung?
Ob und wie stark die Löhne angepasst werden, hängt von der Firma ab, aber im Allgemeinen verändern sie sich längst nicht so schnell wie die Inflation. Viele argentinischen Studenten arbeiten halb- oder sogar volltags um sich das Studium zu finanzieren. Ein Freund aus der Uni, der aus einer nördlichen Provinz Argentiniens kommt, zog vor fünf Jahren zum Studieren nach Buenos Aires und arbeitet jetzt seit vier Jahren in der gleichen Firma. Am Anfang konnte er von seinem Gehalt locker abends mal weggehen, ohne weitere Gedanken mit Freunden ein Bierchen trinken oder auch mal auf eine größere Reise sparen, jetzt könne er das nicht mehr, sagt er. Er habe aber noch Glück, dass er sich sehr gut mit seinem Vermieter verstehe und dieser extra für ihn die Preise nicht stark angehoben habe.
Alles wird teurer
Eine andere argentinische Freundin arbeitet als Storemanagerin in einem Restaurant. Sie hat eine kleine Tochter, die sie jeden Tag zur Schule bringt und wieder abholt, dazwischen fährt sie selber zur Arbeit. Damit braucht sie jeden Tag mindesten sechs Busfahrkarten, die sie sich auf Grund der stark steigenden Preise nicht mehr leisten kann. Sie zeigt mir super stolz ihren neuen Elektroroller, den sie sich deshalb letztens gekauft hat, um nicht mehr auf den Bus angewiesen zu sein.
Dass sich viele alltägliche Dinge schwieriger leisten können sieht man auch daran, dass man bei Kreditkartenzahlungen oft in bis zu fünf Raten zahlen kann – und das auch wenn man ein Buch für umgerechnet 10 Euro kauft.
Was denken die Menschen über die Zukunft?
Ich würde die Stimmung sehr gemischt einschätzen, einige sind optimistisch, andere, wie auch mein Tandem-Partner sind sehr pessimistisch. Er möchte am liebsten nach dem Studium zum Arbeiten in ein anderes Land ziehen, gerne auch nach Europa gehen, was auch für viele meiner Kommilitonen eine Option darstellt. Sein Traum wäre es, später eine Firma gründen, die moderne Landwirtschaftsgeräte entwickelt, aber er sagt, Argentinien mache es Firmen unter anderem steuerlich sehr schwer und vor allem die Unternehmensgründung sei problematisch.
Insgesamt ist es aber für alle, die hier leben gewissermaßen die normale Realität, weshalb sie sich so gut es geht an die Situation gewöhnt oder angepasst haben.