14. September 2021
Im Anschluss an den Schwerpunkt im 3. Studienjahr kommt die Examensvorbereitung. Das ist im Fach Rechtswissenschaften der typische Studienverlauf. Ich hingegen habe mich entschieden, vor dem Repetitorium noch ein Jahr im Ausland zu studieren. Ob und wie das geht, sowie die Beweggründe für meinen Ausbruch aus dem gewöhnlichen Verlauf des Studiums, erfährst Du hier auf meinem Blog. Heute möchte ich mich und meine Mission für Dublin vorstellen.
Ich heiße Robin, bin 22 Jahre alt und studiere im 7. Fachsemester Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin. Mein Auslandssemester in der irischen Hauptstadt verbringe ich an der Sutherland School of Law des University College Dublin (UCD). Dort werde ich Kurse im nationalen und internationalen Recht belegen.
Raus in die Welt
Im Anschluss an mein Abitur habe ich ein Jahr am anderen Ende der Welt in Neuseeland verbracht. In zwei Wochen Sprachschule in Auckland, vier Monaten Farmarbeit und sechs Monaten Rundreise im eigenen Van konnte ich meine Englisch-Kenntnisse verbessern. Doch damit nicht genug: Ich habe auch tiefe Einblicke in die Kultur des Landes und die Lebensweise der Menschen vor Ort erhalten. Diese Erfahrungen haben mir vor Augen geführt, wie wertvoll ein Auslandsaufenthalt sein kann. Wie geplant bin ich im Herbst 2018 für den Beginn meines Jurastudiums in meine Heimatstadt Berlin zurückgekehrt.
Drei Gründe nach Dublin zu gehen
Anlässlich eines Besuchs meiner kleinen Schwester – die in Irland nach der 10. Klasse ein Jahr zur Schule gegangen ist – verbrachte ich Ostern 2019 einige Tage auf der grünen Insel im Atlantik. Dabei habe ich die zerklüftete Westküste des Landes und die Geselligkeit der Iren kennengelernt – beides Gründe für meine Entscheidung nach Irland zu gehen. Der wichtigste Grund für meine Entscheidung ist jedoch das große Angebot an Möglichkeiten, das mir die einstige Wikingerstadt Dublin als Sitz mehrerer Hochschulen und verschiedener wissenschaftlicher wie kultureller Einrichtungen bietet. Um mein Rechtsstudium neben dem kontinentaleuropäischen Rechtskreis des Civil Law um das angelsächsische Common Law zu erweitern, erschien mir die größte Universität im einzigen englischsprachigen Land der Eurozone als die ideale Anlaufstelle. Eine bestehende Kooperation der UCD Law School mit meiner Heimatfakultät erleichterte das Vorhaben.
Was ist der Unterschied zwischen Civil Law und Common Law?
Der Rechtskreis des Common Law umfasst viele englischsprachige Länder (z. B. England, Irland, die Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada sowie Australien und Neuseeland) und beruht als sogenanntes Fall-Recht (Case Law) auf früher gefällten Entscheidungen höherer Gerichte, die zu Fallsammlungen zusammengefasst werden und die Gerichte binden. Dieses sogenanntes Richterrecht (Judiciary Law) wird fortlaufend durch neue Entscheidungen ergänzt.
Der Rechtskreis des Civil Law umfasst alle Systeme die in der römisch-rechtlichen Tradition Kontinentaleuropa verwurzelt sind. Es basiert auf kodifiziertem Recht des jeweiligen Gesetzgebers, Richterrecht ist von untergeordneter Bedeutung. Einzelfälle werden unter abstrakt-allgemeine Gesetzesaussagen subsumiert, so das ein strukturiertes Kodifikationssystem entsteht.
Quellen: Bäcker, Das englische Common Law – Eine Einführung, JuS 2014, 872; Groh in: Creifelds, Rechtswörterbuch 26. Edition 2021, Common Law.
Auslandssemester im Jurastudium – passt das?
Im deutschen Jurastudium ist ein Auslandssemester, wie ich es gestalte, nicht vorgesehen. Nichtsdestotrotz bietet mir das Semester an einer ausländischen Universität in einem anderen Rechtskreis eine Menge Raum für persönliche und fachliche Weiterentwicklung. Da das Common Law in vielen englischsprachigen Ländern der Welt vorherrschend ist, bietet es berufliche Vorteile, sich bereits frühzeitig mit diesem vertraut zu machen. Weiterhin verknüpfe ich meinen Aufenthalt am UCD mit dem Coaching eines Moot Court Teams.
Was ist ein Moot Court?
Ein Moot Court ist eine simulierte Gerichtsverhandlung zwecks der juristischen Ausbildung. Den Studierenden wird ein fiktiver Fall ausgeteilt, in dem sie abwechselnd eine der Prozessparteien zu vertreten haben. Dabei gilt es sowohl Schriftsätze anzufertigen als auch mündliche Verhandlungen zu führen.
Quelle: Vgl. Pröstler, Willem C. Vis Moot – mehr als ein Studentenwettbewerb, SchiedsVZ 2014, 248.
Fachlich bietet mir das Auslandsemester mithin praxisrelevante Vorteile wie:
- Intensive Auseinandersetzung mit der englischen Fachsprache.
- Anleitung und Vertiefung von Schriftsatzarbeit im Team.
- Training von Rhetorik, Präsentation und eigenem Auftreten.
- Tieferes Verständnis des Common Law und damit einhegend der Arbeit mit Präzedenzfällen.
- Eingehende Beschäftigung mit zukunftsrelevanten Rechtsgebieten (je nach persönlicher Ausrichtung, in meinem Fall insbesondere Zivilverfahrensrecht, alternative Streitbeilegungsmechanismen samt internationalem Schiedsverfahrensrecht sowie Kaufrecht).
Zu meiner persönlichen Weiterentwicklung trägt bei, dass ich in Dublin an einer Campus-Universität studiere, das studentische Leben zentriert an einem Ort stattfindet, anstatt sich in einer Millionenstadt zu verlaufen. Weiterhin sammele ich die Erfahrung, in einem Studentenwohnheim jenseits der Heimatstadt zu leben. Zudem habe ich in dem halben Jahr die Chance, Tausende Studierende aus aller Welt zu treffen und neue Freundschaften zu schließen. Des Weiteren gewinne ich Kontakt zu erfahrenen Anwälten, Akademikern und Kanzleien vor Ort.
Auslandsemester im Jurastudium – passt das? Die Antwort lautet: Ja, klar! So viel zu meiner Mission in Dublin. In den kommenden Wochen sollt ihr einen Einblick in meine Vorbereitungsphase zwischen Praktikum, Studienarbeit und Umzug erhalten sowie an meinen Erfahrungen im Ausland teilhaben. Falls ihr Fragen jeglicher Art habt, schreibt mir gerne hier, auf Instagram oder Twitter.
Livia Gehrer
17. Januar 2023
Hallo, wie ist es mit einem generellen Rechtswissenschaften Studium in Dublin. Kennst du dich da aus? Wie ist es zum nach dem Studium beispielsweise in Österreich zu praktizieren?
Robin
25. Januar 2023
Liebe Livia,
das Studienkonzept in Irland sieht den Abschluss eines irischen B.L.C. oder/und LL.B. vor. Um Recht in Irland praktizieren zu dürfen, ist darüberhinaus eine Qualifikation entweder als „Solicitor“ bei der Law Society of Ireland oder als Gerichtsanwalt, sog. „Barrister“, beim King’s Inns erforderlich.
Aufgrund einer Richtlinie des Europäischen Parlaments (98/5/EG) sind Bürger der EU, die bereits mehr als drei Jahre als Rechtsanwalt in einem Mitgliedsstaat der EU tätig waren, berechtigt auch in jedem anderen Mitgliedsstaat als Rechtsanwalt tätig zu sein.
Hinsichtlich des reinen Abschlusses eines juristischen Studiengangs mit dem Grad LL.B. gilt allerdings, das dieser Abschluss in der Regel nicht genügt, um in einem anderen EU-Staat als Rechtsanwalt oder Richter tätig zu werden. Während einige Länder nur noch eine weitere Qualifikation in Form eines LL.M. fordern, halten Deutschland und Österreich weiter an ihrem tradierten Ausbildungssystem aus theoretischer und praktischer Teil fest, die jeweils mit einer staatlich regulierten Prüfung (Staatsexamen) abgeschlossen werden (müssen).
Ich hoffe meine Antwort konnte dir weiterhelfen, für weitere Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit den besten Grüßen
Robin