11. September 2023
Ich hatte noch einen Wunsch für den Sommer, bevor mein Studium in Tiflis und damit mein Auslandssemester losging. Ich wollte einen
entspannten Urlaub am Strand verbringen. Also ab an die georgische Schwarzmeerküste! So wie ich es mir vorgestellt hatte, war es dann aber doch nicht, denn im Meer war ich nicht eine Minute lang.
Abschied von Zuhause und die Ankunft in Georgien
Noch zwei Stunden bevor ich zum Flughafen musste, war mein Koffer nicht fertig gepackt. Um 1 Uhr nachts war ich immer noch damit beschäftigt, Sachen zu sortieren, um meinen Koffer unter 32 Kilo zu bekommen. Panik? Ein bisschen. Um 3 Uhr morgens ging es dann für mich los. Völlig übernächtigt kam ich um 10 Uhr morgens am Flughafen in Kutaisi an. Kutaisi liegt quasi in der geografischen Mitte von Georgien und ist einer der drei internationalen Flughäfen des Landes. Er wird vor allem von günstigen Airlines aus Europa angeflogen und war somit eine gute Einreisemöglichkeit für mich.
Als erstes musste ich mir eine SIM-Karte besorgen. Dies war vor Ort sehr einfach möglich. Es gibt eine Zugverbindung zum Flughafen, der Bahnhof ist entweder 30 Minuten zu Fuß oder mit einem kostenlosen Shuttlebus zu erreichen. Dass ich mich lieber nicht auf die Taxifahrer einlassen sollte, wusste ich schon aus Malins Blogbeitrag. Kaum war ich draußen, wurde ich regelrecht von Taxi-Angeboten überfallen. Da an den Morgen kein Bus fuhr und ich weniger als eine Stunde hatte, meinen Zug zu bekommen, hatte ich allerdings keine andere Wahl: die Bolt App kam mir zu Hilfe. Das ist die sicherste und am weitesten verbreitete Art und Weise ein Taxi zu nehmen, da es mit der App nicht möglich ist, über den Tisch gezogen zu werden. Das Ticket hatte ich im Voraus auf der offiziellen Website der georgischen Eisenbahn gekauft. Die Fahrt nach Batumi dauerte zwei Stunden und kostete umgerechnet 12 Euro. Der Zug war pünktlich, sauber, mit W-Lan und Sitzplatzreservierung inklusive. Also liebe DB, so geht’s auch.
Eine Stadt voller Kontraste
In Batumi angekommen, ging es weiter zum Hostel, in dem ich 4 Tage verbringen wollte. Leider gab es dort eine böse Überraschung: Es sah gar nicht so aus, wie es im Internet bei der Buchung beschrieben war. Zuerst dachte ich nur: „Komm David, das wird schon – fang jetzt nicht an Karen zu sein.“ Was mich dort erwartete, war ein praktisch unmöbliertes Zimmer im Dachgeschoss mit einer muffigen und sehr streng riechenden Klimaanlage. Obwohl es sich um ein Privatzimmer handelte, gab es kaum Privatsphäre, die Hygiene in den Räumen und die sanitären Anlagen waren mangelhaft. Die Wände waren aus Korkplatten und meine Zimmertür lies sich nicht richtig schließen. Im Gespräch mit dem Mitarbeiter erfuhr ich, dass es sich bei den anderen Gästen um Langzeitbewohner handelte: geflüchtete Männer aus Russland, die teilweise über ein Jahr im Hostel lebten. Das Beispiel dieser Unterkunft ist leider kein Einzelfall: Seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat der Wohnungsmarkt in Georgien mit den Folgen zu kämpfen. Viele Ukrainer*innen, aber auch Russ*innen haben in Georgien Zuflucht gesucht und gefunden. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass alle im Hostel nett und respektvoll zu mir waren. Da ich aber alleine mit meinem ganzen Gepäck unterwegs war, wollte ich kein Risiko eingehen. Wahrscheinlich waren es keine rationalen Ängste, die ich hatte, aber um auf Nummer sicherzugehen, bin ich nicht geblieben. Auf dein Bauchgefühl solltest du immer hören. Woanders hätte ich es genauso gemacht.
So landete ich wenige Stunden später im 42. Stock des Orbi City Towers, einem relativ neuen Hotel- und Wohnkomplex mit Glasfassade, der für die Zeit meines Aufenthaltes mein Zuhause wurde.
Kleiner Tipp: Immer darauf achten, dass das Hahnwasser trinkbar ist. Ich habe mich zwar von Anfang an für Mineralwasser entschieden, aber da es im Hotelzimmer einen Wasserkocher gab, habe ich mir eines Morgens einen 3:1 Kaffee gegönnt. Meinem Magen ist das gar nicht gut bekommen. Sagen wir es so: My name? My name is Bella Hadid. Kohletabletten und Probiotika retten Leben!
Batumi? Wo liegt das eigentlich?
Batumi liegt im Südwesten Georgiens und ist die Hauptstadt der autonomen Republik Adscharien. Die osmanische, die kaiserlich-russische und die sowjetische Herrschaft haben die Kultur, die Menschen und das heutige Stadtbild geprägt. Das Klima ist feucht und subtropisch. Es regnet erstaunlich viel, was die vielen Palmen und Bananenstauden in den Straßen erklärt. Die (halb)moderne und schnell wachsende Stadt zieht viele Investoren an, vor allem aus Russland, der Ukraine und Israel, aber auch immer mehr Westeuropäer kommen dazu. Batumi boomt: Neben Strandurlaub, Gastfreundschaft und gutem Essen locken Dutzende Casinos und das Nachtleben zahlreiche Besucher*innen an. Wie so oft ist Georgien auch hier in der Lage, aus den Problemen seiner Nachbarländer Kapital zu schlagen: In muslimischen Ländern wie der Türkei, aber auch in Teilen Russlands ist Glücksspiel verboten.
Der große Aufschwung hat auch seine Schattenseiten: Wilde Bebauung, massive Gentrifizierung und das Bevölkerungswachstum der letzten Jahre verdrängen immer mehr den historischen Stadtkern, bezahlbarer Wohnraum für Einheimische wird immer schwieriger. Hochhäuser und verfallende Bausubstanz stehen nebeneinander. Ein gutes Beispiel für die heterogene Gebäudestruktur ist der Theaterplatz im Stadtzentrum. Hier steht das Theater mit dem Neptunbrunnen im neoklassizistischen Stil, umgeben von bunten Plattenbauten, einer Casino-Villa mit Palmen an der Promenade und direkt mit Wolkenkratzern im Hintergrund. Das Ergebnis ist ein einzigartiges Ambiente, das ich so noch an keinem anderen Ort erlebt habe.
Okey, aber lohnt sich eine Reise nach Batumi?
Batumi ist vielleicht nicht die schönste Stadt im klassischen Sinne, aber das ist auch nicht der Grund, dorthin zu fahren. Wenn man den Ostblock-Promenadencharme und den Kiesstrand mag, dann hat man hier das perfekte Ziel für den nächsten Strandurlaub. Die Stadt bietet viel Gastronomie, Museen, Kultur und Entspannung. Ich war sogar in einer Drag Show! Zwei Storytime-Videos gibt es dazu auf meiner TikTok-Seite. Schaut mal rein, wenn ihr Lust habt:) Der Botanische Garten ist circa 10 Kilometer entfernt und leicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder Taxi zu erreichen. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall. So ein sattes Grün habe ich in meinem Leben noch nie in der Natur gesehen.
Was mir noch zu sagen bleibt …
Die Menschen sind meiner Erfahrung nach nett und hilfsbereit. Nur die Taxifahrer sind nicht aktiv bemüht, negative Stereotypen über sich abzubauen. Wenn du neugierig auf Batumi bist, wirst du nicht enttäuscht. Für mich war dieser Solo-Trip ein guter Einstieg für Georgien. Ich war in der Lage, einzigartige Einblicke in das Leben einer Stadt zu gewinnen, die ich nur schwer mit einer anderen vergleichen kann. Letztendlich konnte ich Batumi nach 4 wolkenverhangenen Regentagen leichten Herzens verlassen.
Jetzt geht es weiter nach Tiflis!