15. Juni 2018
Wer denkt nur Franzosen könnten streiken, der irrt. Auch die Brasilianer kämpfen mit allen Mitteln um ihre Rechte und wenn sie erst mal beginnen, bekommt das jeder zu spüren. Hat jemand ein Rettungspaket für mich?
Chaos Benzinstreik
Am 22.05.2018 entschieden die Lkw-Fahrer in Brasilien, wegen der steigenden Dieselpreise die Motoren abzustellen. Bald schlossen sich auch die Arbeiter des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras an, die den Rücktritt ihres Chefs Pedro Parente forderten.
Die Auswirkungen des Streiks waren Blockaden und Engpässe im ganzen Land. Krankenhäuser konnten nicht mehr mit Medikamenten beliefert werden, Flughäfen wie der in Brasília hatten nicht mehr genug Kerosin, um alle Flüge zu gewährleisten und Millionen Hühner mussten notgeschlachtet werden, da auch für sie kein Futter mehr geliefert werden konnte. In den Städten Rio de Janeiro und São Paulo wurde sogar der Notstand ausgerufen.
Was der Benzinstreik für meinen Alltag bedeutet
Der Streik begann eine Woche vor den jährlichen Sportveranstaltungen Enghenaríadas und InterUSP. Schon früh stand fest, dass die Spiele wegen fehlender Transportmittel in der Schwebe hingen. Selbst Fahrgemeinschaften oder Taxen zu bekommen, war bereits am 23.05.2018 ein Glücksspiel geworden. Meine Freunde und ich bangten. Uns wurde jedoch schnell klar, dass das Event nur die kleinste Sorge sein sollte.
Da die Distanzen in São Paulo für mich, wie auch für viele meiner Kommilitonen einen morgendlichen Schulweg von mehr als einer Stunde bedeuten, wurde am 24.05.2018 offiziell verkündet, dass in der darauffolgenden Woche keine Kurse an der USP stattfänden. Normalerweise hätte ich mich über die unerwartete Woche Ferien gefreut und vielleicht einen spontanen Trip in eine naheliegende Stadt gemacht. Jedoch entpuppte sich aber schon das Grillen mit Freunden am ersten Tag des Streiks schwieriger als gedacht. Als ich einen Uber rufen musste, da mein Bus nicht kam, erzählte der Fahrer mir, dass ich wegen des Benzinmangels der letzte Fahrgast für den Tag sei. Erst dann realisierte ich die Auswirkungen des Streiks.
In meinem Viertel fielen mir auf einmal die ausgeschwärzten Anzeigen der Tankstellen, die geschlossenen Supermärkte und die Ruhe auf. In den WhatsApp-Gruppen kursierten Videos von den Blockaden, den unbefahrenen Straßen und Bilder von den leeren Regalen im Supermarkt. Nach einer Woche Streik wurden letztendlich auch die Sportveranstaltungen der Uni abgesagt.
In meinem Podcast Castaway Episode 5 bespreche ich mit Tina Liebl auch nochmal meinen Alltag während des Streiks.
Der Streik endet, die Auswirkungen halten an
Der brasilianische Präsident Michel Temer beugte sich den Forderungen, Petrobras Oberhaupt Pedro Parente gibt seinen Rücktritt bekannt. Nach einer gefühlten Ewigkeit hat sich die Lage zunächst beruhigt und die Blockaden wurden aufgelöst. Nun braucht es seine Zeit, bis wieder Normalität herrscht. Die erste Woche nach dem Streik treffe ich auf kilometerlange Schlangen an den Tankstellen. Meine Bestellung, die zum 07.06. ankommen sollte, kommt jetzt erst am 22.06. und die Supermärkte sind dabei ihr Sortiment wieder aufzubauen. Zudem merkte ich die Konsequenzen für die Landeswährung Real, die durch den Streik stark abgewertet wurde.
Wie ich die Brasilianer kennengelernt habe, nehmen sie solche Dinge oft mit Humor. Somit lautet es nun immer wenn etwas nicht funktioniert oder nicht pünktlich ankommt „Das ist wegen des Benzinstreiks!“ Mittlerweile ist der Streik schon drei Wochen her.