12. November 2016
„Die beste Bildung erfährt ein gescheiter Mensch auf Reisen.“ Mit diesem Zitat von Johann Wolfgang von Goethe eröffnet die französische Journalistin Elisabeth Cadot die vom DAAD organisierte Podiumsdiskussion zum Thema „Europa hält/ fällt zusammen“ auf der Frankfurter Buchmesse (hier geht’s zu ihrem übrigens sehr lesenswerten Blog über das Leben einer Französin in Deutschland – allerdings auf französisch). Ich war als Correspondent live bei der Diskussion vor Ort und habe darüber auf meinem Twitteraccount berichtet.
Heute möchte ich Euch hier noch einmal zusammengefasst davon erzählen, da Europas Zukunft uns alle angeht! Auch wir als Erasmusstudenten sind unter Umständen davon betroffen. Seit dem Sieg von Donald Trump mag uns zwar vorrangig momentan ein anderes Thema beschäftigen, aber der Brexit bleibt natürlich weiterhin ein sehr wichtiges Problem.
Als Diskutanten waren Vertreter des europäischen Bildungssektors aus verschiedenen Ländern eingeladen: Dr. Jochen Hellmann Generalsekretär der Deutsch-Französischen Hochschule in Saarbrücken, Dr. Georg Krawietz Direktor der DAAD-Außenstelle in London, sowie Prof. Dr. Krzysztof Ruchniewicz, Direktor des Willy Brandt Zentrums der Universität in Wroclaw/Breslau.
Mme Cadot stellt im Verlaufe der Diskussion viele skeptische und teils provozierende Fragen, um herauszufinden: Wie wird es in Zukunft mit dem Erasmus+ – Programm weitergehen? Welchen Einfluss hat der Brexit hierauf?
Von den Antworten der Teilnehmer war ich doch teilweise sehr überrascht. Dachte ich doch selbst noch kurz nach dem Brexit, dass das Erasmus+ – Programm trotz des Brexits einfach so weitergehen könnte. Doch so einfach scheint das alles nicht zu sein…
Gerade jungen Briten ist Europa nicht egal!
Gleich zu Beginn der Diskussion betont Herr Dr. Krawietz, dass gerade jungen Briten Europa nicht egal sei, auch wenn das Brexit Votum vielleicht zunächst diesen Eindruck zu vermitteln schien. Im Gegenteil forderten noch heute viele von ihnen ein zweites Referendum, auch wenn dies mittlerweile vollkommen aussichtslos zu sein scheint. Großbritannien erwache erst jetzt aus einer Schockstarre.
Auch ich habe damals direkt nach dem Brexit als noch UK-Resident an einer Petition für ein zweites Referendum teilgenommen. Wir konnten, wir wollten das Ergebnis nicht wahrhaben.
Nach Brexit: Kein „EU-Rabatt“ mehr für europäische Studierende
Andererseits sieht Dr. Krawietz aber auch negative Seiten an dem Brexit. Nachdem dieser vollzogen sei, werden die Studiengebühren an englischen Hochschulen für EU Studenten wohl steigen. Es werde wohl keinen „EU-Rabatt“ mehr für europäische Studierende geben, sondern einheitliche Gebühren für alle ausländischen Studierenden, egal woher sie kommen. Meine Gastuni, die University of Warwick, kann heute nur bestätigen, dass alle Studenten, die bis 2018 anfangen werden, auf jeden Fall noch die gleichen Gebühren bezahlen werden, wie UK-Studenten.
Auch ob weiterhin ein gebührenfreier Erasmusaufenthalt in Großbritannien möglich sein wird, ist wohl mehr als fraglich. Die EU muss dafür mit dem Vereinigten Königreich auf einen gemeinsamen Nenner kommen und das scheint auch von Seiten der EU zur Zeit nicht unbedingt gewollt zu sein.
Diese Zukunftsaussichten führten laut Dr. Krawietz zu der Sorge bei Britischen Hochschulen, dass in Zukunft die europäischen Studenten ausbleiben werden. Vor allem für die rennomierten Unis seien die internationalen Studierenden ein wichtiges Standbein, die es unbedingt zu halten gelte. Es sei daher gar nicht im Interesse der Akademiker, den Brexit möglichst schnell zu vollziehen. Vielmehr seien es vor allem die Angehörigen ärmerer Schichten, die eine Konkurremz durch Migranten, v.a. aus Osteuropa fürchteten.
Auch Prof. Dr. Ruchniewicz bedauert die Entscheidung der britischen Bürger und betont, dass Polen nun, nachdem es bald einen Brexit geben werde, seine Interessen neu definieren müsse. War Großbritannien bisher in vielerlei Hinsicht und vor allem auch im akademischen Bereich ein wichtiger Partner Polens, so werde man sich nun verstärkt den direkten Nachbarstaaten zuwenden. Vor allem die deutsch-polnische Freundschaft solle hierbei weiter ausgebaut werden. Für polnische Doktoranden bleibe Großbritannien jedoch auch in Zeiten nach dem Brexit ein wichtiges Zielland.
Auslandsaufenthalte sind zwar bereichernd aber doch zu kurz!
Dr. Hellmann äußert sich kritisch zum Erasmusprogramm. Grundsätzlich sei zwar auch ein kurzer Auslandsaufenthalt bereichernd und besser, als gar nicht ins Ausland zu gehen. Jedoch seien solche Aufenthalte häufig viel zu kurz, um sich wirklich ausführlich mit dem Gastland auseinanderzusetzen. Man reflektiere vielmehr über sein eigenes Heimatland, als sich wirklich heimisch zu fühlen. Positiv sei aber, dass ein Erasmusaufenthalt neugierig auf fremde Kulturen mache und in den Studierenden das Interesse weckt, später global zu arbeiten.
Dem kann ich nur zustimmen! Meine Aufenthalte in Frankreich und in England waren viel zu kurz. Gerade hatte man den Kulturschock überwunden (ja, den gibt es auch in Europa!), muss man schon wieder abreisen. Mit dem Gefühl dort wirklich einheimisch zu sein, ist das nicht vergleichbar, weshalb ich unbedingt jedem rate, länger als ein Semester zu bleiben, auch wenn sich ein Jahr anfangs sehr lange anhört.
Internationaler Austausch beginnt im Kleinen und geht uns alle etwas an!
Um einen ständigen Austausch zu fördern, betont Dr. Hellmann deshalb die Wichtigkeit von Städtepartnerschaften, welche unbedingt weiter ausgebaut werden müssten.
Und auch Prof. Dr. Ruchniewicz hebt hervor, dass es vor allem Aufgabe der Zivilgesellschaften sei, den Austausch zu fördern. Eine Aufgabe für alle, die uns alle angeht!
Deshalb hört nicht auf, ins Ausland zu gehen! Europa braucht euch gerade jetzt 😉
Dass Aufenthalte in Großbritannien auch nach der Brexit-Entscheidung noch gut möglich sind, könnt ihr aktuell auch auf Carolinas Blog nachlesen. Und wenn ihr mehr über den Tag auf der Frankfurter Buchmesse erfahren wollt, kann ich euch diesen Artikel von Sarah Kanning ans Herz legen.