27. Februar 2019
Der Brexit steht nun unmittelbar bevor – einen Monat noch, bis Großbritannien aus der Europäischen Union austreten soll. Gestern besuchte ich zur aktuellen Thematik einen Expertentalk mit Peter Wittig, einem deutschen Diplomaten und dem momentanen Botschafter der Bundesrepublik für Großbritannien. Wenn euch Politik und Brexit interessiert und ihr genauso verwirrt seid, was jetzt eigentlich passiert, dann ist dieser Beitrag genau das Richtige für euch!
Die aktuelle Lage
Brexit, Brexit, Brexit. So langsam nervt es den einen oder anderen schon. Den Überblick zu behalten ist schwierig und ich bewundere die Politiker, die in dem gesamten Tumult den Überblick behalten.
Fakt ist: Es liegt bis heute kein Deal vor, der den Brexit klärt, was daran liegt, dass das Parlament in Großbritannien sich nicht auf einen Entwurf einigen kann. Die Parteien stehen sich gegenüber und voten gegeneinander, anstelle gemeinsame Lösungen zu finden. Besonders zur Debatte steht momentan der „backstop“ in Irland, der einzigen Grenze Großbritanniens, die nicht natürlich ist. Hierbei geht es darum, die Grenze offen zu halten, was von der Europäischen Union und Irland befürwortet wird, jedoch im Abgeordnetenhaus für geteilte Meinungen sorgt.
Zudem soll Theresa May nun versuchen, ein Votum in ihrer Regierung über eine Verlängerung des Austrittsdatums anzustiften, um damit Zeit zu gewinnen. Peter Wittig meinte dazu, dass es fast zu spät sei, da eine Abstimmung Zeit in Anspruch nehmen würde und diese dann vom Europaparlament ebenfalls getätigt werden müsse. Innerhalb von zwei Wochen, die Großbritannien bleiben würden, wäre es technisch nicht machbar.
Großbritannien und die EU
Großbritannien steht nun im Konflikt. Verlängern, kein Deal oder doch in der EU bleiben? Peter Wittig machte darauf aufmerksam, dass sich die 27 Staaten der EU wünschen würden, dass Großbritannien in der EU bleibt, jedoch sei fragwürdig, was für ein Mitglied es dann wäre, wie er so schön betonte „would the UK become an awkward member?“ – Fakt ist, ob Austritt oder nicht, die Hierarchie und Konstellation in der EU werden sich verändern. Als eines der ökonomisch stärksten Länder neben Frankreich und Deutschland würde ein Austritt eine „lose lose situation“ bedeuten, für uns alle. Peter Wittig betonte: „Wir können die EU nicht aus einem Big Bang heraus wieder aufbauen“ .
Der Blick von Außerhalb – die USA
Aus seiner Amtszeit als Botschafter in den USA kennt Peter Wittig die Meinung der Amerikaner zur Europäischen Union. Und die überraschte mich gestern Abend schon sehr: „Europa ist nur ein (Absatz-)markt von Konsumenten oder ein Ort, an den man in den Flitterwochen fährt.“ Ökonomisch sehen die USA die EU nicht als Konkurrenz, sondern nur China, sowie Russland als potenzielle „Bedrohung“. Seine Kollegen hätten ihn wohl früher gesagt, warum die EU als „Wirtschafts-Club“ überhaupt noch existiere.
Was viele dabei vergessen und was meiner Meinung nach die EU ausmacht, ist nicht nur der gemeinsame Wirtschaftsmarkt und die Reisefreiheit sondern vor allem die Friedensarbeit, die die europäische Gemeinschaft fördert. Wir sollten also nicht vergessen, dass die Europäische Union ebenfalls zu Frieden auf einem gesamten Kontinent beigetragen hat.
Austritt – was dann?
Wenn Großbritannien nun aus der EU austreten sollte (ich wähle hier bewusst den Konjunktiv), würden es in den Status der Dritten Länder abfallen, was das Vereinigte Königreich auf eine Stufe mit Ländern wie Beispielsweise Liechtenstein oder der Ukraine brächte. Damit hätte das Land keinen Anspruch mehr auf europäische Fördermittel (die meisten fließen momentan in die Forschung mit rund einer Billion Britische Pfund im Jahr), sowie keinen Zugang mehr zu Europol oder Daten. Momentan soll ebenfalls über das europäische Arbeitsrecht diskutiert werden, da Parteien wie die Labour Partei befürchtet, dass dieses sich nach dem Brexit verschlechtern würde.
Oxford-Berlin – ein Musterbeispiel für bestehende Länderfreundschaft?
Doch Brexit bedeutet nicht, dass zwischen EU-Mitgliedstaaten und Großbritannien nach Ende März keine Kooperationen mehr bestehen können. So gibt es beispielsweise schon neue Initiativen zwischen Großbritannien und Deutschland, besonders im Bereich der Bildung und Forschung. So gibt es in Zukunft in Oxford das „Berliner Haus“ in Oxford und das „Berlin-Oxford Research Center“ in Berlin. Auch mit anderen Städten wie Cambridge soll schon über Bildungsaustausch diskutiert worden sein.
Und nun?
Bis zum Austritt am 29.03.2019 bleibt nun noch ein Monat, was bis dahin genau passiert, kann keiner genau sagen. Die Stimmung in Oxford scheint weiterhin entspannt, obwohl einige schon meinten „ich muss mich langsam mit Lebensmitteln eindecken, es wird bestimmt alles teurer nach Ende März“. Da keiner weiß, was genau passiert, verbreitet auch keiner bisher unnötige Panik. Wir werden sehen, was kommt. Peter Wittig scheint jedenfalls überzeugt „ich glaube nicht, dass Großbritannien ohne Deal aus der EU austritt“.