1. Juli 2016
Seit einer Woche ist er in aller Munde: der Brexit. Zwar bin ich schon seit fast einem Monat wieder zurück in Deutschland, aber die Entscheidung der Briten, die EU zu verlassen, hat mich sehr hart getroffen. Zu verbunden fühlt man sich nach fast einem Jahr mit den Briten und ihrem Land.
Dass es wirklich einen Brexit geben könnte, glaubte niemand in meinem Freundeskreis. Seit Monaten gab es hitzige Debatten und sowohl die „Stay“– als auch die „Leave“-Seite hatten mehr oder weniger gute Argumente. Im November habe ich selbst an solch einer Debatte an der University of Exeter teilgenommen und hier einige der Argumente für euch aufgelistet. Doch schon vor einem halben Jahr meinte mein Gastvater auf mein Argument hin, dass doch sowieso eigentlich jeder für einen Verbleib sei, dass ich nur einen bestimmten Ausschnitt der Gesellschaft kenne: Junge Studenten/Akademiker, die (natürlich) offen und tolerant und an der EU interessiert sind. Er lenkte mein Augenmerk auf die anderen Menschen, die leichter für die Argumente der „Leave“-Seite empfänglich waren. Menschen, die in der EU eine Bedrohung sehen und Angst haben, benachteiligt zu werden …
Dennoch glaubten wir an diesem 23.06.2016 nicht an einen Brexit und gingen mit dem sicheren Wissen ins Bett, dass am nächsten Tag alles wie vorher sein würde.
24.06.2016: Das böse Erwachen folgt am nächsten Tag. In allen Medien steht es schwarz auf weiß. Brexit … Lieber nochmal umdrehen und weiterschlafen … Moment mal – Brexit??? Schlagartig bin ich hellwach und lese es wieder und immer wieder, kann es nicht glauben. Bin erst verwirrt, dann schockiert. Brexit!
Die Uni schreibt uns Erasmus-Studenten eine E-Mail
Ein Blick auf Facebook und WhatsApp verrät, dass es meinen Freunden ähnlich geht: Sowohl Erasmus-Freunde, als auch und vor allem meine englischen Freunde sind vollkommen außer sich. Das darf, dass kann nicht wahr sein. „I was crying earlier today. I can’t believe this has happened“, schreibt eine englische Freundin von mir. Meine Gastmutter spricht vom „saddest day for the UK“. Und eine deutsche Freundin, die noch vor Ort ist, sagt, es hätte sich ein gedrückter Schleier über die University of Warwick gelegt. Die Uni schickt uns allen eine E-Mail, dass wir das Referendum nicht persönlich nehmen sollen, dass sie selbst sehr bestürzt sind und dass natürlich Erasmus-Studenten weiterhin willkommen sein werden. Als Teil der Uni, der sehr wertgeschätzt wird.
Für irgendwelche anderen Menschen im United Kingdom ist das Wahlergebnis sicher ein Triumph. Ich kann heute nur hoffen, dass das Königreich seinen Weg gehen wird und dass am Ende das beste dabei herumkommt. Nicht nur für die EU, sondern für alle Einwohnerinnen und Einwohner der britischen Inseln. Mir ist dieses Land in meiner Zeit sehr ans Herz gewachsen und da ich mich gerade in meinem Studium sehr viel mit der EU beschäftige, hat es mich sehr traurig gestimmt, dass das Referendum so und nicht anders ausgegangen ist. Heute müssen wir alle weiterhin zusammenhalten und denjenigen, die tolerant und offen waren und sind, zeigen, dass sie weiterhin willkommen sind! Denn ich habe England als sehr weltoffenes Land erlebt. Fremdenfeindlichkeit gab es dort nur selten und die meisten waren sehr interessiert und offen!
Und wenn ihr einen Erasmus-Aufenthalt in England plant: Bitte, lasst euch nicht entmutigen! Geht hin und erlebt und entdeckt dieses wundervolle Land. Sprecht mit den Menschen und versucht sie zu verstehen, auch wenn sie für „Leave“ gevoted haben. Erasmus wird vorerst noch weiterlaufen. Was später einmal ist, kann kann heute niemand sagen, aber die Hochschulen werden euch immer mit offenen Armen empfangen. Versprochen!