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Bürokratie-Dschungel im Kaukasus


„Do you eat enough fruit? Enough vegetables?“ Mit vielen Fragen habe ich auf der Reise durch den armenischen Bürokratie-Dschungel gerechnet, jedoch nicht mit dieser. Und warum die Frage? Für das Gesundheitszeugnis, das ich für meine Aufenthaltsgenehmigung brauchte. Die zu bekommen kann ganz einfach sein. Oder eben nicht.

Einreise ohne Visum

180 Tage dürfen wir als Deutsche völlig ohne Visum in Armenien verbringen, danach müssen wir uns um eine Residence Permit Card bemühen, also eine Aufenthaltsgenehmigung. Für jeden, der darüber nachdenkt, hier mal eine längere Zeit zu verbringen: keine Panik. An sich ist es zwar jede Menge Papierkram, aber mit der richtigen Vorbereitung (und einem guten Übersetzer) alles kein Problem. Was man braucht ist: ein ausgefülltes Antragsformular, drei Passfotos, eine armenische Übersetzung vom Reisepass, ein Gesundheitszeugnis und starke Nerven.

Arztbesuch, Nummer 1

Mein Motto im Ausland: Verlass dich immer auf Empfehlungen. Vor allem, wenn es um Ärzte geht. Also tuckerten meine Kollegin und ich zusammen zu einer Klinik mit einer Ärztin, die uns empfohlen wurde. Nach kurzer Erklärung, was wir wollen, wurde ich auch schon rausgeschickt, während meine Kollegin untersucht wurde und konnte in der Zwischenzeit ein wenig Krankenhaus-Feeling erleben. Und hoffen, dass es das einzige mal während meines Aufenthalts wäre.

Wenige Minuten später war ich schon an der Reihe. Da ich vorher darauf vorbereitet wurde, auf jeden Fall nein zu einer Blutabnahme zu sagen – was mir mit meiner riesen Angst vor Spritzen nur allzu recht sein sollte – war ich schon darauf eingestimmt, jede mögliche seltsame Untersuchung über mich ergehen lassen zu müssen. Was eigentlich passierte war eine kurze Kontrolluntersuchung, in der meine Lungen abgehört und mein Puls gemessen wurde. Und dann eine Reihe von Fragen, die ich über mich ergehen lassen musste: Do you drink a lot of coffee? Do you drink enough water? Do you eat enough fruit? Enough vegetables? Ich nickte durchgehend brav, erklärte, dass es mir gut ging und gab aber auch noch zu, kurzsichtig zu sein. Schien alles kein Problem zu sein, denn daraufhin erklärte sie mir, dass mein Gesundheitszeugnis am nächsten Tag abholbereit wäre.

Amtsbesuch, Nummer 1

Nachdem ich alle Sachen brav zusammen gesammelt hatte, machte ich mich mit meinem armenischen Kollegen auf zum Amt, in dem man die Genehmigung beantragt. Englisch kann dort nämlich kaum jemand und solange sich niemand mit mir über die Uhrzeit, meine Familie oder meine Hobbys unterhalten wollte, würde es auch mit meinem Russisch knapp werden.

Also hatte ich meinen ganz persönlichen Übersetzer dabei, der leider ebenfalls daran scheiterte, den Damen im Amt klarzumachen, was ich eigentlich in Armenien tue. Nach langem hin und her und meinem Bestehen darauf, dass ich sicher keine 100.000 Dram (etwa 170 Euro) bezahlen muss, da ich Freiwillige bin und somit sozusagen von einer Organisation „entsendet“, einigte man sich darauf, dass ich dafür erst meine Unterlagen ins Armenische übersetzen lassen müsste.

Amtsbesuch, Nummer 2

Ausgerüstet mit neuem Wissen, nämlich der Tatsache, dass ich auf einer Liste stehe, die die Deutsche Botschaft an das Amt geschickt hat, und damit ganz sicher keine Gebühr zahlen muss, machten wir uns ein weiteres Mal siegessicher auf zum Amt. Nur um festzustellen, dass mein Gesundheitszeugnis offenbar nur einen Monat gültig gewesen war. Auch nach einer langen Diskussion auf Armenisch – bei der ich eigentlich froh war, nichts zu verstehen – war klar, dass wir nicht erfolgreich sein würden.

Arztbesuch, Nummer 2

Auch wenn die Ärztin überrascht war, mich so kurzfristig wieder zu sehen, verstand sie schnell das Problem und erklärte sich sofort einverstanden, mir ein neues Gesundheitszeugnis auszustellen. Nach der kurzen Frage: „Are you still healthy?“, die ich mit vehementen Kopfnicken bestätigte, stellte sich heraus, dass ich leider die Gebühr von 7500 Dram (etwa 13 Euro) nochmal bezahlen musste. Was ihr sichtbar leid tat, weshalb sie mir anbot, mir dafür umsonst einen Termin bei der Augenärztin des Krankenhauses zu machen. Was ich dankbar verneinen konnte.

Amtsbesuch, Nummer 3

Lasst mich ehrlich sein: Bei unserem dritten Besuch waren mein Arbeitskollege und ich schon von dem bloßen Anblick des Gebäudes genervt und die Vorstellung, ein weiteres mal mit der gleichen Beamtin diskutieren zu müssen, lag uns schwer im Magen. Sogar mir, die meistens nur mit großen Augen daneben saß und kein Wort verstand. Diesmal war ich aber überzeugt, alle Unterlagen zusammen zu haben, weshalb ich mehr als verwirrt war, als die Dame, die meinen Antrag bearbeitete, auf einmal mit allen Unterlagen verschwand und sich um sie herum eine Traube aus sechs anderen Frauen bildete, alle laut diskutierend – während vor ihnen ein Kännchen Kaffee kochte. Als das Gespräch immer lauter und unfreundlicher wurde, lehnte ich mich irgendwann besorgt zu meinem Kollegen und fragte vorsichtig, was denn das Problem sei. „Eine der Frauen ist ohne zu Fragen in das Büro von einer anderen Frau gegangen.“ Pure Verwirrung in meinem Gesicht: „Es geht also gar nicht um mich?“ Umsonst gesorgt. Manchmal wäre es doch praktisch, die Sprache zu verstehen.

Als das Problem endlich geklärt und der Kaffee verteilt war, kam unsere Beamtin endlich zurück und bestätigte, dass alles in Ordnung sei. Sie bräuchte nur noch meine E-Mail-Adresse, dann würden sie mir in etwa 30 Tagen schreiben, dass ich die Karte abholen kann. Oder sie schreiben mir nicht. Dann sollte ich einfach irgendwann vorbeikommen. Deutsch wie ich bin wollte ich mal wieder fragen, ob ich noch eine schriftliche Bestätigung bekommen könnte – aber ich hatte aus Amtsbesuch 1 und 2 gelernt. Schriftlich gibt es hier nicht.

Lange Rede, kurzer Sinn

Es gibt sicher Länder, in denen es deutlich komplizierter ist als in Armenien, an eine Aufenthaltsgenehmigung zu kommen. Hier zahlt es sich auf jeden Fall aus, geduldig und vor allem vorbereitet zu sein. So viel hin und her wie bei mir ist nämlich eigentlich eher eine Ausnahme als die Regel. Aber so hab ich auf jeden Fall ein paar Geschichten auf Lager wenn es um Bürokratie Kaukasus-Style geht. Bleibt nur noch abzuwarten, ob und wann ich eine E-Mail bekomme, dass meine Residence Permit Card da ist…

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