8. Februar 2019
Während meiner Semesterferien habe ich mir vorgenommen, China noch weiter zu erkunden. Um das chinesische Neujahrsfest einmal traditionell mitzuerleben, habe ich den chinesischen Jahreswechsel bei einer Familie auf dem Land in der Provinz Anhui verbracht. Eins war mir schon vorher klar: Der Kulturschock war vorprogrammiert.
Während wir Deutschen uns bereits mitten im neuen Jahr befinden, endete das chinesische Jahr des Hundes am 4. Februar. Seit dem 5. Februar befinden wir uns nun auch im chinesischen neuen Jahr des Schweins. Das chinesische Neujahrsfest ist weltweit bekannt und für Chinesen die wichtigste Zeit im Jahr.
Während ich im Zug auf dem Weg nach Anhui saß war ich schon sehr aufgeregt. Ich hatte wirklich keine Ahnung, was ich mir unter dem chinesischen Landleben vorstellen sollte und die Tatsache, dass ich vielleicht der erste Ausländer sein würde, der jemals in diese Gegend gekommen ist, entspannte die Angelegenheit auch nicht wirklich.
An der Bahnstation Jinzhai stieg ich aus und beeindruckte somit schon mal die anwesenden Chinesen in der Station. Ein gerauntes „Laowai“ (Ausländer) ging durch die Menge. In China ist dies aber keine böse gemeinte Aussage, sondern einfach eine neutrale Feststellung.
Von der kleinen Stadt Jinzhai waren es dann noch zwei Stunden mit öffentlichen Bussen und einem Tuck-Tuck durch die Berge, bis ich endlich das Haus der Familie erreichte.
Aber alles halb so schlimm. Die Familie nahm mich sehr herzlich in Empfang und Ruck-Zuck fand ich mich Sonnenblumenkerne essend und Grüntee trinkend im Kreise der lokalen Chinesen wieder.
Arbeit kommt vor dem Vergnügen
Da die Männer der Familie den Großteil des Jahres als Wanderarbeiter durch das Land ziehen, wird das Neujahrsfest auch dazu genutzt, das Haus und den Hof auf Vordermann zu bringen. Somit hieß es auch für mich: Ärmel hochkrempeln und mit anpacken. Die Felder konnten zu dieser Jahreszeit noch nicht vorbereitet werden. Wir fällten und zerlegten daher mehrere Bäume, um Feuerholz vorzubereiten. Mit Feuer wird in dieser Gegend Chinas sowohl gekocht als auch geheizt. Der Bedarf der Familie an Brennholz ist daher sehr groß.
Essen, Essen und Essen
Chinesen sagen von sich selbst, dass nichts wichtiger als Essen ist. Diesem Stellenwert entsprechend mangelte es während des Neujahrsfest zu keiner Tageszeit an Essen. So manche Gerichte würde ich aber nicht wirklich zu meinen Lieblingen zählen. An die alltägliche Nudelsuppe zum Frühstück konnte ich mich noch gewöhnen. Als dann aber nach ein paar Tagen Schweineherz und Schweinemagen in die Frühstückssuppe gemischt wurde, war auch für mich eine Grenze überschritten und ich sehnte mich nach einem deutschen Brötchen mit Butter und Marmelade.
Die Vorfahren essen mit
Die Tage des chinesischen Neujahrsfests sind voll mit traditionellen Akten. Eine der wichtigsten Aktivitäten ist hierbei das Gedenken an verstorbene Vorfahren mittels Opfergaben. Hierzu wurde im Esszimmer zuerst ein großer Schrein mit Schriftzügen und Bildern aufgebaut. Die Tür zum Esszimmer wurde ebenfalls einladend rot verziert.
Chinesen opfern ihren Vorfahren Essen und Papiergeld, das die Vorfahren im Himmel unterstützen sollen. Interessant ist hierbei, dass die Chinesen ebenfalls wie wir die Bezeichnung Himmel verwenden. Also natürlich auf Chinesisch.
Von Haus zu Haus durch die Nachbarschaft
Zum chinesischen Neujahr sind eigentlich alle Teile der Familie zu Hause. Eine gute Gelegenheit also, seine Verwandten und Nachbarn einen alljährlichen Besuch abzustatten. Dies wirkte schon auf mich fast wie ein fest einstudiertes Schauspiel. In größeren Besuchergruppen wird von Haus zu Haus gezogen und irgendwie läuft es immer gleich ab. Die männlichen Besucher bekommen Zigaretten angeboten, die sie erst vehement ablehnen, um sie am Ende dann doch anzunehmen. Daraufhin wird einem fast aufdringlich angeboten, sich zu setzen und Tee zu trinken. Gekrönt wird das ganze Schauspiel durch das Anbieten von Nüssen und getrockneten Früchten.
Ich habe gelernt, dass die deutsche Bescheidenheit als Gast hierbei fehl am Platz ist. Viel mehr sollte man von allen Angeboten etwas annehmen, um dem Gastgeber ein gutes Gefühl zu vermitteln. Bei Männern ist das Rauchen hierbei manchmal ein Problem. Auch als Nichtraucher nehme ich eine Zigarette aus Höflichkeit an, stecke mir sie aber dann sichtbar hinters Ohr. Dies ist auch bei chinesischen Männern gängige Praxis und wahrt die Gesichter beider Seiten. Nachdem dann auch das zweite Ohr belegt ist, darf die Zigarette auch abgelehnt werden.
Über meine Erfahrungen während des Neujahrsfests könnte ich noch viel mehr erzählen. Für jetzt wünsche ich aber erstmal ein frohes neues Jahr des Schweins.