28. Januar 2020
5 Monate sind vergangen wie nichts. Jeder, der schon mal ein Auslandssemester gemacht hat, weiß das ganz sicher. Zurück in Berlin habe ich mir nochmal Zeit genommen und auf mein Auslandssemester hinsichtlich meiner persönlichen Entwicklung zurückgeblickt.
Sowohl auf persönlicher als auch auf fachlicher Ebene konnte ich mich in diesen 5 Monaten in einem Maße weiterentwickeln, wie es in meinem Herkunftsland niemals möglich gewesen wäre.
Reflexion meines Auslandssemesters
Zur persönlichen Weiterentwicklung zähle ich insbesondere die Begegnung mit einer völlig anderen Kultur und die damit verbundene Selbstreflexion der eigenen Herkunft. Während ich das deutsche Wertesystem generell als ein stark kapitalistisch getriebenes System empfinde, habe ich in Mexiko Werte kennengelernt, die mehr auf Lebensfreude und Lebensglück basieren. So dreht sich in Mexiko meiner Erfahrung nach vieles um die Zeit mit der Familie, langjährige Traditionen, Gelassenheit, Liebe sowie Freizeit und weniger um Effizienz und Profitsteigerung.
Inspirationen für die Zukunft
Die Mexikaner sind mir äußert gastfreundlich begegnte, „mi casa es tu casa“ ist nicht nur eine Floskel, Mexikaner laden wirklich gerne zu sich ein und verwöhnen den Gast mit ihren Lieblingsspeisen und -getränken. Ich möchte damit nicht sagen, dass das gesellschaftliche Zusammenleben in Mexiko besser ist als in Deutschland. Genauso wenig möchte ich es verneinen. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, dass mich viele mexikanische Lebenswerte und Gewohnheiten inspiriert haben. Diese möchte ich zukünftig in meinem Leben stärker einbinden.
Des Weiteren kommen in der mexikanischen Kultur auch das Essen und das Trinken nicht zu kurz. Während meiner Zeit in Mexiko habe ich mich völlig in vegetarische Tacos sowie in den vielfältigen Mezcal verliebt. Ganz zu schweigen von der kostbaren Mole und den Quesadillas bietet das mexikanische Essen eine unfassbar breite Palette an Leckereien.
Darüber hinaus formt der Umgang mit täglichen Herausforderungen im Alltag in Mexiko-Stadt sowie beim Reisen quer durch das Land die Persönlichkeit in besonderem Maße. Orte und Menschen haben mich verschiedenartig fühlen, denken und handeln lassen. Diese Erfahrungen können einem nie wieder genommen werden.
Wirtschafts-Modelle werden kritisch hinterfragt
Neben der persönlichen Entwicklung kam auch die fachliche Entwicklung nicht zu kurz. Die kleinen Klassen, die sich zumindest im BWL-Master durchziehen, fördern den interaktiven Unterricht, eine steile Lernkurve wird erreicht und Sprachfähigkeiten können schnell verbessert werden. Darüber hinaus hat mir im Unterricht besonders gefallen, dass die Professoren nicht nur die allgemein gültigen Theorien ihrer Vorlesung vorstellen, sondern zu jeder Zeit stark die mexikanischen Rahmenbedingungen mit einbinden. So werden theoretische Modelle, die z.B. in den USA oder in Deutschland hohe Profitsteigerungen versprechen, kritisch hinterfragt, ob diese auch dieselbe Wirkung in einem krisengeplagten Land wie Mexiko (Korruption, Kriminalität, etc.) versprechen.
Wenig Gründergeist
Auch den Austausch mit den Kommilitonen empfand ich höchst bereichernd. So hat es mich beispielsweise überrascht, wie wenig Unternehmergeist in den Masterstudierenden eines BWL-Studiums an einer der renommiertesten Universitäten Lateinamerikas schlummert. Während ich es aus Berlin gewöhnt bin, dass sich zumindest jeder mal mit der Idee beschäftigt – und viele gründen tatsächlich – scheint es diese Option in Mexiko-Stadt kaum zu geben. Die meisten Kommilitonen, mit denen ich über dieses Thema gesprochen habe, antworteten mir, dass die Märkte von zu großen und mächtigen Unternehmen beherrscht werden würden, die keinen Wettbewerb akzeptieren und ein Startup schnell aus der Bahn werfen würden.
Des Weiteren sei die Infrastruktur in Bezug auf Fördergelder, Investoren, Beratung, etc. zu schlecht bzw. gar nicht vorhanden, sodass der Aufbau eines Unternehmens ohne Eigenkapital höchst schwierig bis nahezu unmöglich sei. Viele talentierte Wirtschaftsstudenten starten deshalb ihre berufliche Selbstständigkeit in den USA, wodurch die Chance, wichtige potentielle Innovationen im eigenen Land zu implementieren, die in besonderem Maße den gesellschaftlichen Fortschritt prägen könnten, leider vertan wird. Einmal mehr wurde mir klar, was für ein Privileg es ist, in Deutschland zu leben. Und zu erkennen, dass Innovationen nicht nur von kreativen Köpfen abhängen, sondern mindestens im gleichen Maße von der verfügbaren Infrastruktur des Landes.
Die Zeit in Mexiko werde ich niemals vergessen. Jedem wünsche ich, solch eine Erfahrung im Ausland zu machen und in die Gelegenheit zu bekommen, die Privilegien und auch Verbesserungspotentiale der eigenen Herkunft zu hinterfragen. In diesem Sinne kann ich dir einen Austausch in Mexiko-Stadt und an der UNAM auf jeden Fall herzlichst empfehlen.
Falls du noch Fragen hast oder weitere Infos brauchst, kannst du dich jederzeit bei mir melden.