1. Dezember 2024
Wie fühlt es sich an, ein Studium zu beginnen, das nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch die eigenen Weltanschauungen ins Wanken bringt? Mein Erasmus Mundus Master „Climate Change and Diversity: Sustainable Territorial Development“ macht genau das: eine einzigartige Mischung aus Theorie und Praxis, die tiefgreifend verändert – beruflich und persönlich. In diesem Blog möchte ich mehr zu den Inhalten meines Studiums erzählen, das Wissen und Praxis auf einzigartige Weise verbindet – und vielleicht auch euch inspiriert, neue Wege ins Ausland zu gehen.
Zwischen Seminaren über alternative Entwicklungsansätze, Karten, die Ungerechtigkeiten entlarven, und lebendigen Diskussionen mit internationalen Kommilitoninnen lerne ich nicht nur neue theoretische Ansätze, sondern auch mein bisheriges Wissen und Annahmen zu hinterfragen. Das Besondere an meinem Master wurde mir bereits bei der ersten Einführungswoche deutlich: Nicht nur die Kursinhalte sondern auch der Austausch mit meinen Kommilitoninnen bereichern vor allem durch die internationale Ausrichtung. Die Diskussionen und Perspektiven mit meinen Kommilitoninnen aus verschiedenen Teilen der Welt verleihen den Kursen eine Dimension, die ich in meinem Bachelorstudium, das noch sehr viel stärker in nationalen Kontexten verwurzelt war, vermisst habe. Im Gegensatz zu meinem Bachelorstudium “Kulturwirtschaft” in Passau mit Schwerpunkten im internationalen Management und Marketing sowie Kultur- und Sprachwissenschaft, das viele verschiedene, aber oft wenig miteinander verbundene Disziplinen abdeckte, spüre ich in meinem Masterstudium eine starke Verzahnung der Inhalte. Diese kohärente Struktur macht das Lernen nicht nur verständlicher, sondern auch deutlich praxisorientierter. Während ich im ersten Semester auf Englisch studiere, wird es im zweiten Semester in Burkina Faso, alles auf Französisch ablaufen.
Im Folgenden werde ich auf meine Lieblingskurse in meinem ersten Semester eingehen, das meine Perspektive auf individuelle Weise bereits jetzt unglaublich bereichert und teils verändert hat!
Group Dynamics and Transformative Learning – Lernen durch Zusammenarbeit
Einer meiner Lieblingskurse ist „Group Dynamics and Transformative Learning“. Hier geht es um die optimale Gestaltung von Gruppenarbeit und Projekten, wobei der Fokus auf partizipativer Zusammenarbeit liegt. Anstatt selbst als „Leader“ oder „Manager“ aufzutreten, lernen wir, als Facilitator in Gruppen zu agieren – also als jemand, der Entscheidungsprozesse bewusst partizipativ anregt, anstatt direkt und alleinig Entscheidungen zu treffen. Diese Herangehensweise hat nicht nur mein Verständnis von Teamarbeit verändert, sondern auch mein eigenes Verhalten in Gruppen sowie in meiner Tätigkeit als Vorstandsvorsitzende in einem gemeinnützigen Verein bereits sehr beeinflusst.
Alternativen zu traditionellen Finanz- und Entwicklungsansätzen
In den Kursen „Alternatives to Finance“ und „Alternatives to Development“ setzen wir uns intensiv mit alternativen Ansätzen in der internationalen Zusammenarbeit auseinander. Der Kurs „Alternatives to Finance“ konzentriert sich darauf, wie nachhaltige Finanzmodelle entwickelt werden können, die lokalen Gemeinschaften den Zugang zu Bildung, Entwicklung und Ressourcen ermöglichen. Dabei geht es nicht um klassische Finanzierungsmodelle, sondern um neue nachhaltigere und fairere Modelle, die dem Gemeinwohl dienen.
Der Kurs „Alternatives to Development“ widmet sich der Frage, was „Post-Development“ bedeutet und welche alternativen Wege zur Entwicklung es gibt. Hierbei wird das Konzept des „Pluriverse“ eingeführt – die Idee, dass es mehr als einen linearen Entwicklungspfad gibt und dass unterschiedliche Lebensweisen und Verständnisse für die Welt ihre Berechtigung und ihren Platz in einer vielfältigen Welt haben. Diese Denkansätze stellen nicht nur das klassische Verständnis von ‘Entwicklung’ infrage, sondern regen zu einer viel tiefergehenden Reflexion über eigene Vorstellungen von Fortschritt, Veränderung und Wachstum an. Mich hat das inbesondere auch zum reflektieren angeregt, wie in Deutschland das Thema ‚Entwicklung‘ und ‚Entwicklungszusammenarbeit‘ angegangen wird.
Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit im Fokus
Ein weiterer Kurs ist „Environmental Conflicts & Climate Justice“, in dem wir lernen, wie man soziale Auswirkungen von Projekten durch ein Social Impact Assessment bewertet, insbesondere im Hinblick auf ökologische Konflikte und Klimagerechtigkeit. Der Kurs liefert wertvolle Werkzeuge, um Projekte nachhaltig zu gestalten und berücksichtigt dabei immer die sozialen und ökologischen Dimensionen. Wir haben viele Fallbeispiele von Umweltkonflikten weltweit kennengelernt, was mir hilft, die globalen Herausforderungen im Bereich Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit besser zu verstehen und in meinen späteren Beruf einzubringen. Die realen Beispiele auf lokaler Ebene helfen zudem auch globale Zusammenhänge von Machtstrukturen besser zu verstehen.
Geovisualization – Karten, die die Welt verändern
„Geovisualization“ ist der Kurs, der mich am meisten fasziniert und bereichert hat, weil er nicht nur theoretisches Wissen vermittelt, sondern auch sehr praktisch orientiert ist. Hier lernen wir verschiedene Mapping-Tools, die es uns ermöglichen, komplexe Themen wie humanitäre Krisen oder soziale Ungerechtigkeiten visuell darzustellen. Wir beschäftigen uns mit Techniken wie „Counter Mapping“ und „Critical Mapping“ und hinterfragen hierdurch bestehende Darstellungen – zum Beispiel die Mercator-Weltkarte (die wohl klasischste Weltkarte, die wir alle kennen), die eine völlig verzerrte Sicht auf die Welt vermittelt, da bestimmte Regionen im Globalen Norden beispielsweise viel größer als Regionen und Länder des Globalen Südens dargestellt werden. Diese Tools haben nicht nur meinen Blick auf geografische und soziale Fragestellungen verändert, sondern mich auch motiviert, neue alternative Lösungen für die Herausforderungen von globaler Gerechtigkeit zu finden. Zudem motiviert mich der Kurs mehr Menschen auf dieses verzerrte Bild der Welt aufmerksam zu machen.
Ein Studium, das den Horizont erweitert
Das erste Semester meines Erasmus Mundus Masters hat mir nicht nur theoretisches Wissen vermittelt, sondern mich auch persönlich und beruflich enorm weitergebracht. Die Vielfalt an Perspektiven, die wir durch die internationalen Kommilitoninnen und Dozentinnen erfahren, ist eine einzigartige Chance, die kein anderes Studium bietet. Außerdem finde ich es besonders bereichernd, dass die Kurse so praxisorientiert sind und mir wertvolle Werkzeuge an die Hand geben, die ich in meiner zukünftigen Karriere im Bereich der internationalen Zusammenarbeit tatsächlich nutzen kann.
Ein kurzes erstes Semester von 4 Monaten
Leider ist mein erstes Semester hier in Padua in Italien sehr kurz und bereits an Weihnachten habe ich das Semester sowie alle Prüfungen und Abgaben hinter mir. Das Semester ist aus dem Grund so kurz, da ein Teil meiner Kommiliton*innen bereits Anfang Januar ihr zweites Semester an der Uni in Ecuador starten. Durch die kurze Dauer des ersten Semesters sind die Kurse und Inhalte natürlich auch seh komprimiert und gerade am Ende merke ich, dass ich mich nicht so ausführlich und intensiv mit den Inhalten beschäftigen kann, wie ich es mir wünschen würde. Dennoch hat mir das erste Semester einen super Einblick in die verschiedenen Bereiche gegeben und ich bin sehr motiviert, mich mit den Kursinhalten auch noch nach dem eigentlichen Semester zu befassen.
Für alle, die sich für den Bereich nachhaltige Entwicklung, Klimawandel und internationale Zusammenarbeit interessieren, kann ich diesen Erasmus Mundus Master nur wärmstens empfehlen. Wenn ihr euch für ein Auslandssemester oder einen Erasmus Mundus Master entscheidet, öffnet euch das nicht nur beruflich, sondern auch persönlich viele Türen. Es ist eine einmalige Gelegenheit, die eigene Perspektive zu hinterfragen, zu erweitern und zu lernen, wie man aktiv zu einer nachhaltigeren und gerechteren Welt beitragen kann.
Du hast auch Lust deine Perspektiven zu erweitern? Vielleicht wäre ja ein Auslandsstudium etwas für Dich!