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Die Heimkehr die andere Seite des Reisens


Der nächste Teil meiner Reise behandelt keinen Ort, sondern die Reise selbst – besser gesagt: Die Rückkehr und das erneute Aufbrechen. Was kann nach der Rückkehr von einem Auslandsaufenthalt geschehen? Ein kurzer Einblick in das Innenleben, das sich vielen Reisenden nach ihrer Rückkehr in ihr altes Zuhause auftut.

Aus einer Lektüre

Der Journalist Julian Reichelt lässt im Vorwort seines ersten Buches folgende (Selbst-) Einschätzung verlauten: „Je mehr man sieht, desto mehr braucht man. Manchmal geht es für einige Wochen, aber manchmal stehe ich auch auf einer Party an der Bar, unterhalte mich über irgendein alltägliches Thema und habe Mühe, meine Sätze zu Ende zu sprechen, so sehr langweilen sie mich […] Und deswegen fliege ich immer wieder los, an Orte, an denen nichts normal ist.“

Es sind diese so treffenden Worte, die sich meiner Erfahrung nach in den Menschen abspielen, die sich (regelmäßig) auf neue Kulturen einlassen. Ob sich Reichelt mit dem Ausdruck „so sehr langweilen sie mich“ auf seine Sätze, oder etwa auf die ihn umgebenden Personen bezieht ist nicht genauer definiert. Ich denke jedoch, dass es wichtig ist auf einen derartigen Umstand hinzuweisen. Kommt man nach Wochen, Monaten, oder gar Jahren des Reisens und der Abenteuer zurück in seine Heimat kann es vielen Menschen so ergehen wie Reichelt: Sie kommen nicht mehr mit ihrem Alltag zurecht.

Dabei oder außen vor

Dabei sind es nicht „die Anderen“, die nicht mehr zu einem passen. Man ist es selbst, der sich so verändert hat, während es scheint als habe sich die Heimat nicht einen Millimeter fortbewegt. Alle Erfahrungen, Eindrücke, Abenteuer, Freuden und Leiden, die einem widerfahren sind, teilt man mit jenen Leuten die zu jenen Zeitpunkten mitanwesend waren, oder in manchen Fällen nur mit sich selbst. Die Daheimgebliebenen jedoch sind von diesen Erfahrungen ausgeschlossen. Es ist schwer zu Menschen Anschluss zu finden, die nicht ähnliches erlebt haben.

Abenteuer, Erlebnisse, Emotionen sind in den allermeisten Fällen einmalig und können nicht wiederholt werden, indem man jene Orte erneut aufsucht. Die meisten Menschen probieren es in solchen Situationen trotzdem und kommen trauriger zurück als sie gegangen waren.

Sonnenuntergang nahe der Grenzen zu Paraguay und Argentinien.Die schier endlosen Weiten des südamerikanischen Kontinents lassen nicht selten in einem ein starkes Gefühl des Fernwehs aufkommen.

Traurige Wahrheiten

Man gelangt danach irgendwann zu der Einsicht, dass es schwer ist zu Hause zu bleiben. Wie soll man Menschen von Wasserfällen im Urwald, dem Sternenhimmel über dem Atlantik, Angst vor Pumas, den emotionalen Wendungen eines Fallschirmsprunges in Südbrasilien, oder gar der Faszination des brasilianischen Carnavals berichten, wenn eben jene Menschen in ihrem Leben nichts außer Fußball und Bar kennen und bisher nur auf Mallorca waren? Es ist also auch schwer sich auf die Dauer zuhause aufzuhalten. Wo ist „zuhause“ überhaupt?

Fallschirmspringen in Brasilien. Preisgünstiger als bei uns und mit herrlichen Aussichten. Emotionen die sich weder in Worte fassen, noch wiedererleben lassen.

Man tut sich also schwer dauerhaft „zu Hause“ zu bleiben und kann ebenfalls nicht die Zeit zurückdrehen. In vielen Fällen führt das zu einer Flucht nach vorne. Man versucht Menschen zu finden die ähnliches erlebt haben und man probiert weitere Kulturen kennenzulernen, weil man oftmals aus emotionalen/psychischen Gründen nicht anders kann.

Das Reisen per se ist auch kein Problem – Billigflieger machen es in Europa doch sehr erschwinglich von Bukarest bis nach Lissabon und von Oslo bis nach Palermo zu kommen. Auch das immer wiederkehrende Abschiednehmen wird irgendwann einfacher. Man tut es schließlich so oft und die Welt wird von Tag zu Tag kleiner, was ein Wiedersehen sehr erleichtert. Das Problem liegt vielmehr darin, anzuhalten, seine Gedanken und vor allem sich selbst zu ordnen. Das Alltägliche reicht nicht mehr, es muss oft etwas Neues, Außergewöhnliches sein. Das Reisen kann somit zu einer Droge werden. Auch die Nebenwirkungen können ähnlich ausfallen: Lustlosigkeit, Trägheit, Melancholie und Sucht sind nicht selten gesehene Phänomene im Zusammenhang mit längeren Reisen (Auslandsaufenthalten).

Nicht jedermanns Sache. Wer jedoch den brasilianischen Carnaval zu genießen weiß, wird ungern auf ihn verzichten wollen.

Alles braucht seine Zeit

Auch das ist ein Teil der Geschichte. Nicht immer ist es eine fröhliche Geschichte. Ein Auslandsaufenthalt ist in vielerlei Hinsicht prägend – aber es ist erst der Anfang. Es braucht eine lange Zeit um sich dieser grundlegenden Eigenschaften des Reisens bewusst zu werden. In meinem Fall waren es mehrere Jahre. Wer auf seinem Bürostuhl mit neidischen oder sehnsüchtigen Blicken die Bilder derer sieht, die diese regelmäßigen Reisen antreten und sich wünscht an ihrer Stelle zu sein, dem sei gesagt: Nicht jeder ist für diese Art der emotionalen Strapazen und Abstumpfungen gemacht.

Iguazu, ein Nationalpark auf brasilianischer- sowie argentinischer Seite. Auch hier reichen die Worte schwerlich aus um derartige Spektakel angemessen zu beschreiben.

Zwar soll dies nicht über die wunderbaren Seiten des Auslandsaufenthaltes hinwegtäuschen – neue Erfahrungen, Sprachen, Menschen, Naturschauspiele und Erlebnisse können wirklich jedem  weiterhelfen. Man sollte jedoch immer im Hinterkopf behalten, dass auch derartige Abenteuer ihren Preis haben.

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