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Die Mafia Unsichtbar und doch immer präsent


„Na, was macht die Karriere bei der Mafia? Schon den Paten kennengelernt?“ So oder so ähnlich fangen oft Gespräche an, wenn meine Freunde sich nach meiner Situation in Palermo erkunden. Dabei habe ich persönlich noch keinerlei Erfahrungen mit der Mafia gemacht. Allerdings ist sie an fast jeder Ecke Palermos präsent.

„Hey, woher kommst du?“ Die Frage meines Pizzabäckers, der direkt gegenüber meiner ersten Wohnung in Palermo lag, riss mich aus meinen Gedanken. „Aus Düsseldorf, Deutschland“. „Kenn ich nicht, wo liegt das? Zeig mal auf Google Maps“. Pflichtbewusst kam ich seiner Bitte nach. Er zoomte aus dem Bildausschnitt heraus und spuckte plötzlich mit den Worten „Ndrangheta“ auf den Boden. Er hatte beim Rauszoomen die Stadt Essen entdeckt, in der die ‚Ndrangheta, die kalabrische Mafia, anscheinend aktiv ist. Da war ich gerade mal zwei Tage in Palermo. Die Cosa Nostra, die sizilianische Mafia, sollte ich in den nächsten Monaten auch noch kennenlernen.

Kontrolle

Die Mafia, entstanden aus sizilianischen Räuberbanden der Neuzeit, ging gestärkt aus dem 2. Weltkrieg hervor, da die Alliierten die Insassen der Gefängnisse freiließen. Darin saßen jedoch nicht nur Gegner des faschistischen Regimes. Bis in die 1990er Jahre funktionierte Palermo und ganz Sizilien als großer Drogenumschlagplatz, wer sich der Mafia in den Weg stellte musste um sein Leben fürchten. Auch die Stadt Palermo wurde von der Mafia kontrolliert. Sie planierte die Orangenhaine im Osten der Stadt und zog eine Neubausiedlung hoch. Die Einwohner der Altstadt Palermos wurden im Zuge dessen zuerst gebeten, in die neuen Häuser zu ziehen. Die, die sich weigerten, wurden auf andere Art und Weise gebeten. Noch heute sind in der Altstadt teilweise zerstörte und leerstehende Häuser zu sehen.

Ein leerstehendes, teilweise zerstörtes Haus auf der Hauptstraße Palermos. Das Obergeschoss fehlt komplett, die Ruinen sind noch zu sehen.
Ein leerstehendes, teilweise zerstörtes Haus auf der wichtigsten Hauptstraße Palermos.

So stand die Altstadt Palermos seit den 1950er Jahren quasi leer. Erst im Zuge der Migrationsbewegungen des 21. Jahrhunderts und einer klugen Integrationspolitik der Stadt kehrte das Leben in die Altstadt zurück. Ein Akteur, dem dies zu verdanken ist, ist der Bürgermeister Leoluca Orlando. Seine Karriere begann, als der Präsident der Region Sizilien von der Mafia ermordet wurde. Auch der Name von Orlando steht auf der Todesliste der Mafia, da er sie aktiv bekämpfte und ihren Einfluss auf Palermo immer weiter einschränkte. Noch heute wird er von Personenschützern begleitet. Dass er die Mafia so zurückdrängen konnte lag auch am Tod von zwei engagierten Kämpfern gegen die Mafia.

1992 – Das Jahr der Wende

Nach einigen Erfolgen, sprich Verurteilungen von Angehörigen der Cosa Nostra, erklärte diese dem italienischen Staat den Krieg. Prominenteste Opfer waren die beiden Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino, die als Gallionsfiguren im Kampf gegen die Mafia galten. Für den Tod von Giovanni Falcone sprengte die Mafia mit 400kg Sprengstoff die Autobahn zwischen dem Flughafen und der Stadt Palermos. Borsellino wurde durch eine Autobombe, die mitten in der Innenstadt Palermos explodierte, getötet. Im Zuge dessen kam es zum ersten Mal zu Kundgebungen der Bevölkerung gegen die Mafia. Die „Ehrenwerte Gesellschaft“ hatte durch ihre Brutalität und die Inkaufnahme ziviler Opfer ihren Rückhalt in der Bevölkerung verloren. Nach einem Schockzustand schlug der italienische Staat mit aller Härte zurück und konnte, auch aufgrund der Unterstützung der Bevölkerung, einige Ermittlungserfolge feiern. Die Cosa Nostra stellte die Anschläge auf Vertreter des Staates ein und ging in den Untergrund, wo sie bis heute aktiv ist. In Palermo werden Giovanni Falcone und Paolo Borsellino bis heute als Helden verehrt. Ein berühmtes Bild, das sie zusammen zeigt, schmückt eine ganze Hauswand im Hafen von Palermo und ist ein beliebtes Motiv für Künstler*innen. Die beiden größten Hörsäle meiner Fakultät wurden nach ihnen benannt, genauso der Flughafen.

Neben Falcone und Borsellino gibt es im Stadtbild von Palermo noch weitere Fotos von Personen, die der Mafia zum Opfer fielen, unter anderem Polizisten. Auch das Foto von Guiseppe „Peppino“ Impasto, ein Kommunist aus Cinsi, der Aktivitäten der Mafia im Zuge der Flughafenerweiterung aufdeckte und bekämpfte, ist in vielen Geschäften und an Hauswänden präsent. Ihm ist ein gesamter Raum im No-Mafia Museum gewidmet, das sich an prominenter Stelle zwischen dem königlichen Palast und Quattro Canti, dem zentralen Punkt Palermos, befindet.

Allerdings sind auch Bilder der Mafia weit verbreitet. Gerade in Souvenirläden wird mit der Mafia ein großes Geschäft gemacht, auf vielen T-Shirts oder Tassen wird auf die Mafia, besonders durch die Filmreihe „Der Pate„, Bezug genommen. Es gibt Touren durch Sizilien, die die Drehorte der Filme abfahren. Auch das drittgrößte Theater Europas, das Teatro Massimo in Palermo, ist nicht durch seine grandiose Architektur bekannt, sondern durch seine Rolle im letzten Film der Trilogie. Dabei gilt es heute als Symbol der kulturellen Wiederauferstehung Palermos gegen die Mafia. Durch die Straßen erklingt oft „Brucia la Terra„, ein Volkslied, das Hollywood zur Hymne des Paten gemacht hat. Doch bei einem Spektakel nur für die Touristen bleibt es nicht.

Feuerwerk um 8 Uhr morgens

So hört man auf den Straßen Palermos nicht nur Musik, sondern oft auch Feuerwerk. Manchmal für Hochzeiten, klar. Manchmal jedoch, um den Geburtstag einer Person zu feiern, die im Gefängnis sitzt. Um zu zeigen: „Wir haben dich nicht vergessen.“ Und ein- bis zweimal mal die Woche gibt es auch um 8 Uhr morgens am Bahnhof ein Feuerwerk, wenn jemand aus dem Gefängnis freikommt. Jedoch nur, wenn du die Person „es sich verdient hat.“ So wurde ein alter Mafiosi, der aus dem Gefängnis kam, auf offener Straße am hellichten Tag hingerichtet. Das war nicht in den 1990er Jahren oder früher, sondern im vergangenen Jahr.

Blick in ein typisches Schaufenster eines Souvenirladens. Hier wird mit der Filmreihe "Der Pate" Geld verdient, welche die Mafia glorifiziert. Zu sehen sind T-Shirts und Tassen, die mit dem Konterfei des Paten verziert sind.
Blick in ein typisches Schaufenster eines Souvenirladens. Hier wird mit der Filmreihe „Der Pate“ Geld verdient, welche die Mafia glorifiziert.

Es gibt einige Viertel und Straßenzüge, in denen es faktisch keine Polizei gibt. Deshalb wurde ich gewarnt, nicht alleine im Viertel am Hafen unterwegs zu sein. Hier wird noch alles von der Mafia kontrolliert. Auch eine prominente Kneipenstraße, die jede Nacht geöffnet hatte, wenn die Polizei sich einige Straßenecken weiter postierte, wurde von zwei älteren Italienern, die von einem Stuhl aus alles im Blick hatten, kontrolliert. Gab es Streitigkeiten, wurde einmal gepfiffen und ein kleiner Trupp, der vorher noch Drogen verkauft hatte, warf die Streithähne raus. Interessanterweise machten alle Kneipen zu, wenn die Polizei in die Straße kam. Und der Vermieter einer Ferienwohnung erzählte mir auf Nachfrage, dass er schon oft in Deutschland war. In Duisburg, Bremerhaven und Essen. Natürlich nur zum Urlaub machen.

Kommentare
  1. Leo

    2. Oktober 2019

    Danke für den kleinen Geschichtsexkurs und die persönlichen Erfahrungen aus Palermo. War sehr interessant zu lesen!

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