13. Februar 2022
In einem anderen Land leben davon habe ich als Teenager immer geträumt. Sich mit Menschen, die eine andere Sprache sprechen, verständigen zu können – diese Fähigkeit habe ich mir schon als kleines Kind gewünscht. Heute ist das alles Wirklichkeit.
Im Januar hatte ich einen der spannendsten Kurse, die ich während des gesamten Studiums belegt habe: Intensive Interviewing and Focus Groups (Intensive Interviews und Fokus Gruppen). Wer hätte gedacht, dass ich so etwas mal schwarz auf weiß über einen Methodikkurs schreiben würde. In dem Kurs haben wir mit den qualitativen empirischen Methoden semi-strukturierten Interviews und Fokus Gruppen gearbeitet. Einfach erklärt geht es darum, ein Individuum oder eine Gruppe bezüglich eines bestimmten Themas zu verstehen und von ihnen zu lernen. In einem Artikel habe ich von einer kleinen Meditationsübung von Jack Kornfield gelesen. Die Übung hat mich zurückerinnert an meine Gründe, im Ausland zu studieren und schlägt einen, wie ich finde, sehr schönen Blick auf die Welt vor. Deswegen möchte ich die Übung gerne hier teilen.
„Stell dir vor, diese Erde ist gefüllt mit Buddhas. Dass jedes einzelne Wesen, dem du begegnest, erleuchtet ist, außer eins – du selbst! Stell dir vor, alle Wesen sind hier, um dir etwas zu lehren. Wem auch immer du begegnest, diejenigen handeln einzig und allein für deine Wohltat, um dir die Lehren und Schwierigkeiten bereitzustellen, die du brauchst, um zu erwachen.
Spüre welche Lehren sie dir bieten. Danke ihnen innerlich dafür. Entwickle das Bild von erleuchteten Lehrenden rund um dich herum über einen Tag oder eine Woche hinweg. Spüre, wie es deine ganze Perspektive auf das Leben verändert.“
Vor neun Jahren habe ich mich darauf vorbereitet, zehn Monate während eines Schüleraustauschs in den USA zu leben. Damals gab es tausend Gründe für mich, ins Ausland zu gehen: Ich wollte die amerikanische Kultur kennenlernen, mein Englisch verbessern, in einem anderen Klima leben (das ist mir exzcellent gelungen, ich habe in der Wüste gelebt), wissen, wie es ist, auf eine High School zu gehen und vor allem mich mit Amerikaner*innen unterhalten und persönliche Kontakte knüpfen. Diese tausend Gründe lassen sich einfach auf einen einzigen Grund runter brechen: Neugier.
Die offene, höfliche Neugier, mit der wir in der Buddha-Meditationsübung anderen Menschen gegenüber treten sollen, war für mich damals allgegenwärtig. Und bis heute glaube ich persönlich, dass das der Hauptgrund sein sollte, ins Ausland zu gehen. Wenn du ins Ausland gehst, ohne dir die Mühe zu machen, Land und Leute richtig kennenzulernen, warst du dann wirklich da?
Vor fünf Jahren bin ich für mein Studium in die Niederlande gezogen. Meine Philosophie darüber im Ausland zu wohnen, war damals die Gleiche wie noch vier Jahre, als ich in die USA gegangen bin. Jetzt sind die Niederlande natürlich nicht die USA und dementsprechend kulturell Deutschland viel näher. Trotzdem habe ich schnell gemerkt, dass auch in den Niederlanden viele Dinge ganz anders sind als in Deutschland. Auch bei einem vermeintlich so ähnlichem Nachbarn „lohnt“ sich also Neugierde.
Kulturelle Feste wie den Königstag gibt es in Deutschland zum Beispiel gar nicht. Am 27. April wird jedes Jahr im ganzen Land groß der Geburtstag von König Willem-Alexander gefeiert.
Außerdem ist die Arbeitskultur in den Niederlanden eine ganz andere. So gibt es zum Beispiel viel flachere Hierarchien in Universitäten und Unternehmen. Als ich in Amsterdam ein Praktikum bei einem großen Marktforschungsunternehmen gemacht habe, habe ich alle meine Kolleg*innen mit dem Vornamen angesprochen und geduzt, selbst die Bereichsleiterin.
Auch die Lebenskultur ist in manchen Teilen anders als in Deutschland. Bei gutem Wetter packen sich viele Niederländer*innen zum Beispiel kurzerhand einen Stuhl und setzten sich vor die Haustür in die Sonne. Ich habe so schon regelmäßig vor der Haustür für die Uni gearbeitet.
Fazit
Ich sehe natürlich nicht immer jede Person, der ich begegne als jemanden an – der mir die Welt mit anderen Augen zeigen kann. Das wäre etwas utopisch und unrealistisch. Aber nichtsdestotrotz finde ich es einen sehr schönen Gedanken, etwas mehr mit dieser Einstellung an das Leben und vor allem an die Zeit, die ich im Ausland verbringe, heranzugehen.