6. März 2017
Für den Geburtstag meiner Mutter bin ich letzte Woche für 10 Tage nach Deutschland gereist. Obwohl sich in den 7 Monaten meiner Abwesenheit zu Hause kaum etwas verändert hatte, fühlte sich doch einiges ganz anders an. Das Essen schmeckte plötzlich besser und mein Verständnis von „teuer“ hatte sich auch irgendwie verschoben.
Die Namen der Nachbarn herausfinden
Frisch in Deutschland gelandet war einer meiner ersten Stopps ein Besuch bei meiner Freundin Anna, in der WG. Den Weg zum Haus fand ich ohne Probleme, doch bevor ich klingelte, musste ich erstmal dieses Foto machen. Wie praktisch, dass hier alle Namen der Hausbewohner_innen aufgelistet sind! In Kasachstan lebe ich anonymer. An meinem Haus befindet sich lediglich ein Wählfeld, auf dem man die Wohnungsnummer eintippen muss. Für Mutmaßungen über Anzahl, Wohnsituation oder Herkunft der Parteien im Haus muss man sich andere Anhaltspunkte suchen. Weil ich mir Zahlen schlecht merken kann, habe ich auch schon mal versehentlich bei den falschen Leuten geklingelt. Das kann mir hier nicht passieren, es sei denn alle heißen Müller!
Die Zimmertemperatur beeinflussen
„Ist dir kalt? Ich kann auch grad die Heizung aufmachen.“ – zu Besuch in der nächsten WG, erinnert mich dieser Satz aufs Neue, dass ich mich wieder in Deutschland befinde. In Almaty gibt es in allen Wohnungen Zentralheizung. Das heißt: nix mit drehen! Die Heizung ist einfach den ganzen Winter an, in jeder Wohnung, Tag und Nacht. An den Heizkörpern sind keine Regler und ich habe auch sonst von keiner Möglichkeit gehört, Einfluss auf die Temperatur in meinem Zimmer zu nehmen. Es gibt nur eine Maßnahme gegen die Hitze: „Fenster auf“. Kleiner Vorteil: Die Sorge, ob man beim Verlassen der Wohnung die Heizung zugedreht hat, entfällt ebenfalls.
Leere Flaschen spazieren tragen
In Kasachstan habe ich mir angewöhnt aus Plastikflaschen zu trinken. Ich weiß – schlecht für die Umwelt – aber ich halte das Leitungswasser ungefiltert für nicht vertrauenswürdig und Wasser in Plastikflaschen ist an jeder Ecke günstig zu haben. Als ich mir am Bahnhof in Deutschland eine Flasche Wasser gekauft habe, hat mich nicht nur der (4x höhere) Preis daran erinnert, wo ich gerade bin, sondern auch das Pfand. Dem Reflex, die leere Flasche im nächsten Mülleimer zu entsorgen, konnte ich in letzter Sekunde widerstehen. Stattdessen packte ich sie besonnen wieder ein und gab sie bei meinem nächsten Einkauf im Supermarkt, wo auch der Wasserpreis wieder erträglicher war, zurück.
Schokoladenvorräte anlegen
Einkaufen in einem deutschen Supermarkt war natürlich auch ein ganz anderes Erlebnis. Zwar findet man viele deutsche Markenprodukte auch in kasachischen Supermärkten, aber zu völlig anderen Preisen und gelegentlich auch in schlechterer Qualität. Bei meinem „Einkaufsbummel“ erstand ich unter anderem Kaffeefilter, Kräuter- und Früchtetees, meine Lieblingszahnpasta und ein paar Kilo Schokolade, Gummibärchen und Kekse. Meine 23 Kilogramm Freigepäck waren schnell gefüllt. Viele Produkte sind in Kasachstan aber auch billiger, zum Beispiel Klopapier, Zigaretten und Alkohol.
Döner und frische Brötchen
Auf die beliebte Frage meiner Studis: „Welches Essen aus Deutschland vermissen Sie am meisten?“, wusste ich bis jetzt immer keine Antwort. Ich bin beim Essen kein sehr wählerischer Mensch, bin weder Vegetarierin noch Allergikerin und hatte nie Probleme in den Almatiner Kantinen und Restaurants etwas Leckeres auszuwählen. Nach einer Woche in Deutschland und dem bewussten Genuss von „normalem“ Essen, könnte ich jetzt aber doch einiges nennen:
- „Deutscher Döner“ – Döner heißt auf kasachisch zwar auch дөнер (lies: Döner), ist aber geschmacklich ein ganz anderes Erlebnis. Der Hauptunterschied besteht in der Zusammensetzung: Das Soße-Salat Verhältnis in Kasachstan und Deutschland ist genau umgekehrt (in kasachischen Dönern gibt es literweise Soße und kaum Gemüse), außerdem finden sich in kasachischen Dönern, neben dem geschmacklich leicht anderem Fleisch, immer Pommes. Fazit: Döner ist nicht gleich дөнер und zu Hause schmeckt er doch am Besten.
- Frische Brötchen – Ich bin zwar wenig sentimental was deutsches Brot angeht, aber schon beim Anblick des Fotos mit dem von meiner Mutter liebevoll gedeckten Frühstückstisch, auf dem selbstgemachte Marmelade, Frühstückseier und frische Brötchen stehen, bekomme ich Heimweh. Auf den Frühstückskarten der Cafés in Kasachstan findet man eher Pfannkuchen, Omlette oder Haferflockenbrei. Auch lecker, aber nicht das gleiche.
- Thüringer Festtagskuchen – Weil meine Mutter Geburtstag hatte, kam ich in den Genuss von leckerstem, selbstgebackenem Kuchen. Den gibt es, glaube ich, nicht mal in anderen Teilen Deutschlands, geschweige denn in Kasachstan. Selber backen konnte ich hier bis jetzt auch nicht. Der Ofen in meiner WG ist leider kaputt.
Mein Geschenk
Mitgebracht aus Kasachstan habe ich übrigens diesen Teller.