15. November 2022
Ich studiere in Utrecht Law and Sustainability in Europe. Da sich mein Master of Laws unter anderem mit den Bemühungen europäischer Mitgliedsstaaten im Bereich Nachhaltigkeit beschäftigt, versuche ich hier ständig Augen und Ohren aufzuhalten, um mehr über den Nachhaltigkeitsfahrplan der Niederlande zu erfahren. Wie duurzam, oder nachhaltig auf deutsch, meine Wahlheimat wirklich ist, könnt ihr in diesem Beitrag herausfinden.
Von Bemühungen im Bereich Umweltschutz, aber auch im Bereich Wirtschaft und Soziales hat die Niederlande einiges vorzuweisen. Und da sich unter Nachhaltigkeitbemühungen viel subsumieren lässt, kann ich euch versprechen, dass euch die ein oder andere Tatsache staunen lassen wird.
Umweltschonende Transportmittel
Doch lasst uns mit einem der offensichtlichsten Dinge beginnen, um die Sache etwas spannender zu gestalten. Radfahren, elektrische Busse und elektrische Boote – die Niederlande setzt bei Transportmitteln auf umweltschonende Varianten. Die Nation, die fürs Fahrradfahren bekannt ist, trägt durch ihre tägliche Wahl auf das Fahrrad erheblich dazu bei, der Klimaerwärmung entgegen zu wirken. Als ein sogenanntes Zero-Emissons-Fahrzeug leisten Drahtesel einen wichtigen Beitrag zur Reduktion der CO2-Emissionen. Fahrradfahren ist dabei nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für die Gesundheit und den Geldbeutel. Die Niederlande hat zu diesem Fahrradboom unter anderem durch einen ausgezeichneten Job in der sicheren Einpassung von Radwegen in die städtische Infrastruktur beigetragen.
In Utrecht fahren zudem nahezu ausschließlich elektrische, somit emissionsfreie, Busse durch die Innenstadt. Auch der Transport auf dem Wasser wird immer nachhaltiger. So werden ab 2025 zum Beispiel sämtliche mit fossilen Brennstoffen betriebene Boote auf allen Amsterdamer Binnenwasserstraßen verboten. Darüberhinaus ist das Bahnnetz in der Niederlande sehr gut ausgereift, relativ preiswert und auf Einweg-Bahntickets wird durch elektronische Eincheck-Systeme verzichtet.
Kreislaufwirtschaft – bitte was?
Die Niederlande sind jedoch nicht nur führend in den Bereichen Transport und erneuerbare Energien, sondern sie hat sich durch die Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens im Jahre 2015 auch zu einem zukunftsorientierten Regierungsansatz verpflichtet. Von einem solchen Ansatz wird auch der Übergang zu einer sogenannten Kreislaufwirtschaft erfasst. Was eine Kreislaufwirtschaft ist, fragt ihr euch jetzt? In einer Kreislaufwirtschaft spielt die Verlängerung des Lebenszyklus von Produkten und Materialien eine zentrale Rolle. Die Verschwendung von Energien und Rohstoffen wird im Rahmen von Produktion und Verbrauch durch die zum Beispiel möglichst lange und häufige Wiederverwertung, Reparatur, Aufarbeitung und häufiges Recycling auf ein Minimum reduziert. Die Niederlande gewinnen im Bereich Kreislaufwirtschaft immer mehr an Bedeutung und nehmen innerhalb der EU eine Vorbildhaltung ein.
Tiefe mit Aussicht auf nasse Füße
Mit einer Lage von beinahe sieben Metern unter dem Meeresspiegel, gehört die Niederlande zu einem der tiefstgelegensten Ländern der Welt. Aufgrund des ansteigenden Meeresspiegels ist es für die Niederlande daher von außerordentlicher Bedeutung, vor den Auswirkungen des Klimawandels ausreichend geschützt zu sein. Daher kann die Niederlande auch ein ausgezeichnetes Netz an Hochwasserschutzanlagen vorweisen. Zudem sind die Niederländer Vorreiter im Bereich des nachhaltigen Bauens. Das fällt insbesondere dann ins Gewicht, wenn ihr euch vor Augen führt, dass 25-30 Prozent des produzierten Abfalles innerhalb der Europäischen Union aus der Baubranche stammt.
So schön grün von oben
Habt ihr euch jemals gefragt, was denn die Tierwelt von viel befahrenen Straßen und Autobahnen so halten? Was ich mit Sicherheit sagen kann, ist das wandernde Tiere, zumindestens innerhalb der Niederlande, von Asphaltwegen tendenziell eher weniger tangiert sind. Zwar stellen Straßen, auf denen viel Verkehr herrscht, normalerweise ein großes Risiko oder unüberwindbare Grenzen für Tiere da. Jedoch hat die Niederlande an bekannten Wildwechseln die durch Straßen zerschnitten Lebensräume durch Tierbrücken wiederverbunden. Tierbrücken sind in der Regel Brücken größerer Breite und grünem Bewuchs, die wandernden Tiere eine gefahrlose Über- oder Unterführung bieten. Die Niederlande ist mit beinahe 600 Tierbrücken weltweit in Führung.
Doch nicht nur wandernde Tiere werden geschützt, niederländische Haltestellen sind zudem ein Traum für Bienen. Die Bee-Stops, oder auf deutsch die Haltestellen für Bienen, stellen begrünte Dächer von Bushaltestellen dar. Meine schöne Stadt Utrecht fungiert mit über 300 bepflanzten Dächern als Vorbild für deutsche Städte. Dem teils dem Klimawandel, teils der flächendeckenden Bodenversiegelung in Städten geschuldetem Bienensterben wird hier entgegengewirkt, indem den Bienen ein Stück ihres durch Menschenhand beraubten natürlichem Lebensraum zurückgegeben wird. Die begrünten Dächer bieten nicht nur Bienen und Insekten ein temporärer Zuhause, sondern tragen zu einer gesteigerten Luftqualität bei. Da sich die Gründächer auch weniger schnell aufheizen, fördern sie zudem ein gutes Stadtklima.
Zuhause ist es doch am Schönsten
Aber nicht nur im Bereich Umwelt- und Tierschutz sind die Niederländer tätig. Auch im Bereich Soziales, der dritten Säule der Nachhaltigkeit, gibt es gute Neuigkeiten zu verkünden. Mit dem neuen Gesetz ‘werken waar je wilt’ („Arbeiten, wo du willst“) werden Arbeitnehmer nämlich bald mehr Rechte haben, was die Art und den Ort ihrer Arbeit angeht. Erst am 5. Juli 2022 stimmte das Repräsentantenhaus dem Gesetzentwurf „Arbeiten, wo du willst“ zu, wodurch Rechte von Arbeitnehmern gestärkt werden und es für sie einfacher wird, Arbeiten im Homeoffice zu beantragen.
Ich hoffe ihr habt bis hierhin einiges über Nachhaltigkeit im Bezug zu der Niederlande gelernt. Hat euch das ein oder andere überrascht? Falls ihr mehr über Nachhaltigkeit in der Niederlande wissen wollt, schreibt mir das doch gerne in die Kommentare. Möglicherweise kann ich euch ja weiterhelfen.
Und wer weiß, vielleicht lerne ich während meiner Zeit hier in Utrecht selbst noch mehr dazu. So könnte ich mir gut vorstellen, dass ein zweiter Teil dieses Blogbeitrages folgt. Also bleibt gespannt und schaut mal wieder rein.
Bis zum nächsten Mal!