27. April 2022
Drei Tage für Gletscher, Berggiganten und Wetterextreme: Fernab meiner Gastfamilie, der Schule und ohne Internet wanderte ich durch den Nationalpark Torres del Paine im Süden Chiles. Warum das die schönste und bunteste Wanderung meines Lebens war, erfahrt ihr in diesem Beitrag.
Der Nationalpark ist ziemlich groß. Insgesamt umfasst er 1814 Quadratkilometer und breitet sich damit sowohl im Süden Chiles als auch Argentiniens aus. Er ist deshalb so bekannt, da er eine sehr eindrucksvolle Natur und wahre Naturschätze in sich birgt. Berge, Gletscher, Fjorde und Seen sind im Nationalpark sehr geläufig. Auch die Sichtung eines Pumas kommt häufiger vor. Zudem sind die Wanderwege im Park sehr gut ausgeschildert. Auch Campingplätze gibt es einige, sodass man sich wirklich für ein paar Tage vollkommen der Natur hingeben kann. Wenn man einmal eine Runde, die sogenannte O-Runde, im Nationalpark laufen möchte, sollte man etwa acht bis zehn Tage einplanen. Läuft man „die kleine Runde“, auch W-Strecke genannt, braucht man etwa fünf Tage.
Ich hatte weder zehn noch fünf Tage Zeit, sondern nur drei. Dementsprechend musste ich mir meine Zeit so aufteilen, dass ich möglichst viel vom Park sehe und rechtzeitig wieder zurück nach Osorno reisen kann. Außerdem ist es nicht so leicht, die Wanderstrecke einfach so abzubrechen. Was ich damit meine ist, dass man nicht an einem freigewählten Punkt sagen kann: „So Freunde, es reicht mir. Ich geh heim.“. Nein. Ich musste mir gut überlegen, wieviel ich an einem Tag wandern möchte und dementsprechend kalkulieren, wann ich auf Campingplätzen übernachten und an festgelegten End- und Startpunkten wieder nach Hause fahren kann.
Eine Reiseroute von Westen bis Osten
Zudem ist der Nationalpark von seiner Größe und von seiner Artenvielfalt her wirklich sehr komplex. Er befindet sich im südlichen Patagonien Chiles und deshalb ist die Landschaft auch sehr divers geformt. Weite Teile des Parks sind vergletschert, andere Teile wiederum in eine bunte Natur gefärbt. Es gibt dort Orchideen, Zypressen und Olivillo-Bäume, gleichzeitig auch Pumas, Ñandus und Guanakos. An einem Tag kann es im Osten des Parks stürmen und regnen, während im Westen die Sonne scheint umd Frühlingsgefühle herrschen. Dies kommt vor allem deshalb zu Stande, da der Park zwischen dem magellanischen subpolaren Wald und der patagonischen Steppe angesiedelt ist. Aus diesem Grund wollte ich genau diese Vielfalt hautnah erleben. Anders gesagt: Ich habe mir zwei Reiseziele im Park ausgesucht, die nicht weiter voneinander entfernt sein könnten – nämlich am Rande des Westens und des Ostens. Zeitlich war das vielleicht nicht die schlauste Idee, gelohnt hat es sich aber definitiv.
Eine wilde Anreise über Flugzeug, Bus und Schiff
Wir fuhren um sieben Uhr morgens von Puerto Natales aus Richtung Nationalpark los. Die Stadt ist etwa 90 km vom Park entfernt und für die meisten Wanderer der Dreh- und Angelpunkt – sowohl vor als auch nach der Zeit im Park. Ich fuhr also mit dem Bus bis zu einer Haltestelle namens Pudeto. Von dort aus nahm ich ein Catamaran nach Paine Grande. Dieser Eingang und der Startpunkt Central sind die einzigen beiden Orte, an denen man starten beziehungsweise enden kann. Von dem Eingang Paine Grande aus konnte ich mich gut im Westen des Parks bewegen. Dort gibt es nämlich einen riesigen Gletscher und ein sehr kühles und trockenes Klima.
Anreise oder… Regen, Sturm und Sonnenschein?
Nachdem ich also mit der Fähre am Eingang angekommen war, lief ich los. Mit meinem Glück schüttete es natürlich in Eimern. Und mit meinem Glück hatte ich an alles gedacht. Alles, außer regenfeste Ausrüstung. Keine Regenhose geschweige denn Regenjacke oder Regenschutz für meinen Rucksack. Sprich, nach der ersten Stunde der Wanderung, als es endlos zu regnen schien, war meine komplette Ausrüstung durchnässt. So auch Schlafsack, Kleidung und Zelt. Alles war nass. Davon ließ ich mich aber nicht entmutigen. Ich lief einfach weiter, auch wenn es kalt, stürmisch und manchmal einfach eklig war vom Wetter her. Richtig so, denn nach etwa anderthalb Stunden kam die Sonne heraus und zauberte hier und da mal ein paar Regenbögen in den Himmel. Eine wunderbare Aussicht, die sogar meine durchnässte Ausrüstung im Nu trocknen ließ.
Gletscher vom Feinsten
Die Wanderung bis zum Campingplatz dauerte etwa dreieinhalb Stunden. Doch weil ich so fasziniert von der Landschaft war, nahm ich mir immer wieder Zeit, um einfach nur die Natur zu bestaunen und Bilder zu machen. Rückblickend hat sich das wirklich gelohnt. Schaut selbst…
Als ich am Campingplatz ankam, war es etwa 15 Uhr. Ich schlug mein Zelt auf, aß zu Mittag und ging ein wenig die Gegend erkunden. Von dem Zeltort aus hat man eine gute Aussicht auf den gleichnamigen Gletscher Grey. Erschrocken und fasziniert zugleich vom Anblick des Gletschers, verbrachte ich an einem Aussichtspunkt den restlichen Tag. Fasziniert war ich deshalb, da ich die einzelnen abgebrochenen Stücke des Gletschers auf der Wasseroberfläche vor sich her treiben sah. Und erschrocken war ich deshalb, weil ich die Gletscherstücke wortwörtlich vor sich hinschmelzen sehen konnte.
Acht Stunden Wanderung? Bei der Aussicht kein Problem
Am nächsten Tag machte ich mich bereits früh auf den Weg. Ich wollte noch weiter Richtung Norden wandern, um den Gletscher noch näher sehen zu können. Ich kam bei der Wanderung an einigen Brücken mit einmaliger Aussicht vorbei. Die dritte Brücke war mein Highlight, denn ich hatte eine freie Aussicht auf den Gletscher. Das gab mir das Gefühl, als stünde ich direkt über dem Gletscher. Ein Gefühl, das so schön ist, dass man es gar nicht gehen lassen möchte. Doch natürlich musste ich diesen Ort irgendwann verlassen. Leider. Denn irgendwann musste ich auch wieder zurück zum Endpunkt Paine Grande. Leider.
Ich wanderte also ungefähr acht Stunden zurück zum Start- beziehungsweise Endpunkt. Bei der Aussicht vergingen die acht Stunden wie im Flug. Ehrlich. Wandern ist mir noch nie so leicht gefallen. Auch wenn es mal steil bergauf ging mit Gepäck, das vom Gewicht her gefühlt nur mit Backsteinen gefüllt ist.
Als ich an Paine Grande ankam, nahm ich die Fähre zurück. Mit dem Bus ging es dann zu dem anderen Eingang namens Central. Dort schlief ich eine Nacht, denn ich wollte am nächsten Tag wieder vor Sonnenaufgang loswandern. Ich wollte nämlich die Berggiganten sehen, die das Wahrzeichen des Parks sind und ebenfalls den Namen „Torres“ tragen. Es sieht drei Granitberge, die zwischen 2600 und 2850 Metern hoch sind. Unter ihnen erstreckt sich ein kleiner See, der durch den geschmolzenen Gletscher zustande gekommen ist. Bis auf die Spitze der Berge kann zwar nicht wandern, jedoch bis zum Seeufer, das eine freie Aussicht auf diese Granitberge ermöglicht.
Faszination Berggiganten
Der Weg bis hoch zu den Berggiganten dauert etwa vier Stunden. Der Rückweg dauert ebenfalls vier Stunden. Alles in allem musste ich also mindestens acht Stunden einplanen. Mit Pausen brauchte ich etwa achteinhalb Stunden. Der Aufstieg zu den Berggiganten gestaltete sich vor allem gegen Ende hin als ziemlich anstrengend. Denn die Steigung machte es mir immer schwieriger ans Ziel zu kommen. Doch manchmal muss man einfach die Beine in die Hand nehmen und die Zähne zusammenbeißen. Und in diesem Fall hat es sich wirklich gelohnt.
Eine Abreise, die ein Wiedersehen fordert
Von den Bergen flossen mehrere Wasserfälle hinunter in den See. Der See ist tiefblau und da es regnete, gelegentlich jedoch die Sonne scheinte, konnte ich ständig Regenbögen vor den Granitbergen sehen. Diese Aussicht fand ich so beruhigend und anmutig zugleich, dass ich einfach nur verweilen wollte. Ich genoss etwa eine Stunde die schöne Aussicht auf den Berggiganten, bis mir irgendwann in meiner durchgeschwitzen Kleidung kalt wurde. Ich machte mich auf den vierstündigen Rückweg zum Campingplatz Central. Schon auf dem Rückweg merkte ich, dass mir die drei Tage im Park nicht genug waren. Die Natur im Park ist so schön und die Größe des Parks erfordert mehr als drei durchgestresste Wandertage.
Als ich am Campingplatz ankam, packte ich auch schon wieder meine Sachen zusammen und machte mich allmählich auf den Weg zurück zum Shuttle Richtung Puerto Natales.
Die Zeit im Park, auch wenn es nur drei Tage waren, war für mich unvergesslich. Ich hatte nicht nur die Möglichkeit, verschiedenste Wetterextreme zu erleben, sondern auch unterschiedliche Landschaften zu sehen. Der Torres del Paine Nationalpark ist wahrscheinlich mit das Schönste, was ich jemals gesehen habe. Und damit mag ich dem Park nicht Honig ums Maul schmieren. Das ist schlicht und ergreifend einfach die Wahrheit. Am Besten du überzeugst dich einfach selbst. Dann quatschen wir nochmal drüber.
Bis zum nächsten Blogbeitrag!