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Blumen per Post nach Lissabon Ein Jahr Fernbeziehung


Mitte September 2020 bin ich nach Lissabon gezogen, um dort für die nächsten zwei Semester zu studieren. Mein Freund ist in Deutschland geblieben und muss jetzt für die nächsten zehn Monate mit mir eine Fernbeziehung führen. Ich habe ihn gefragt, wie er unsere Fernbeziehung von zu Hause aus erlebt.

In einem kleinen und doch recht persönlichen Interview haben mein Freund Gianni und ich uns gegenseitig ein paar Fragen gestellt und uns über unsere Beziehung unterhalten. In diesem Beitrag kommt vor allem Gianni zu Wort, der die Fernbeziehung als „der Zuhause-Zurückgebliebene“ anders erlebt als ich – „die, die in die Ferne gezogen ist und ein kleines Abenteuer macht“.

Ein paar Dinge, die vielleicht vor dem Lesen hilfreich zu wissen sind:

  • Gianni ist 23 Jahre alt und arbeitet in München.
  • Gianni und ich sind seit ungefähr zwei Jahren zusammen.
  • Wir kennen uns schon seit ungefähr sechs oder vielleicht sieben Jahren und waren in der Schulzeit bereits schon einmal zusammen.
  • Da ich seit 2018 in Passau studiere und Gianni in München wohnt, haben wir bereits die ganze Beziehung über eine Fernbeziehung mit einer Distanz von ungefähr 200 Kilometern und einer Zugfahrt-Zeit von zweieinhalb Stunden.

Weitere Dinge, die für einen fremden Leser vielleicht unverständlich sind, habe ich versucht durch ein Sternchensymbol ( * ) zu erklären oder direkt im Text mithilfe von Klammersymbolen [ ] ergänzt. Jetzt aber genug Theorie:

Gianni, stell dich doch erst mal vor, vielleicht mit drei Charaktermerkmalen oder einem Witz oder so? 

Ich bin ein Senftl*, ääähm ich bin 23 Jahre alt. Das ist schwierig, das kann man nicht so einfach beantworten. Ich bin jedenfalls ein Sentfl, aber sehr humorvoll, mit mir kann man auf jeden Fall lachen. Oder bist du da anderer Meinung? Und ich bin wahrscheinlich eine Mischung aus modernem Nerd und Sportfanatiker, Fußball und so mag ich halt. Und bin auf jeder Party immer dabei. … Ich bin abenteuerlich angehaucht** und ein sehr zuhörender Mensch. Schatz, das ist scheiße.

Würdest du dich als Typ für eine Fernbeziehung bezeichnen? 

Eigentlich nicht. Ich bin ja sehr ängstlich in die Fernbeziehung gegangen*. Aber ich muss sagen, dass wir das ziemlich gut machen. Ich habe mich sehr wohl gefühlt in den letzten Wochen, in denen wir uns nicht gesehen habe. Weiß nicht, ob dass daran liegt, dass wir uns nicht gesehen haben (lacht).
Nein, also ich habe mich in unserer Beziehung sehr wohl gefühlt, weil wir uns so ein bisschen eingependelt haben**. Also ich bin auf jeden Fall immer noch der Typ, der nicht für eine Fernbeziehung gemacht ist, aber ich muss sagen, dass wir das beide relativ gut machen.

Wie war das für dich, als ich dir gesagt habe, dass ich für ein Jahr ins Ausland gehe? 

Ja, also es gab da ja zwei verschiedene Phasen. Als du mir es das erste Mal gesagt hast, da waren wir ja noch nicht wirklich lange zusammen und da war das auch noch weit weg. Da war das für mich so ein Problem vom Zukunfts-Gianni.
Und als das dann immer näher gekommen ist, dann bin ich schon ein wenig aufgeregt geworden, auch irgendwie fast panisch. Ich glaube, das hast du dann auch gemerkt. Ich hab mir dann halt manchmal Sorgen gemacht und auch darüber gegrübelt. …
War das die Frage? Was hast du mich noch mal gefragt? Ach so, stimmt also als es dann wirklich im Raum stand, [dass du jetzt ins Ausland gehst], war ich schon sehr sehr aufgeregt. Ich kann da jetzt kein Wort dafür finden. Also am Anfang hätte ich mir wirklich gewünscht, du machst es nicht. Aber ich wollte dir da auch nicht im Weg stehen.

Würdest du für dich dieselbe Entscheidung treffen? Also dass du für ein Jahr ins Ausland gehst und ich bleibe zuhause? 

Es kommt ganz drauf an. Ein Jahr unter denselben Bedingungen, also mit diesen Corona-Maßnahmen, nein, das würde ich nicht machen. 

Von einer Skala 1 – 10 wie scheiße ist eine Fernbeziehung wirklich? 

10! (lacht) 

Wieso? 

Ja weil eine Fernbeziehung, … also eine Beziehung besteht ja eigentlich auch daraus, sich zu sehen, dass man Dinge miteinander unternehmen kann. Dass man auch einfach körperlich füreinander da sein kann. Also so schlimm ist es jetzt auch nicht, aber ja … 

Gibt es auch etwas Positives an einer Fernbeziehung? 

Ja, es gibt auch positive Sachen. Wenn ich meine Ruhe haben möchte, gehst du mir nicht auf den Geist. (lacht)
Klar ab und zu genieß ich es, dass ich mich nicht entscheiden muss zwischen zocken und Freundin oder mit Freunden rausgehen zum Beispiel. Bevor du [über Weihnachten] gekommen bist, konnte ich auch mal ganz entspannt was zu viel trinken und hatte niemanden, der mir auf den Kopf gehauen hat. Also das ist aus meiner Sicht ein Vorteil, dass ich einfach Zeit für meine Boys habe. Was tatsächlich noch ein Vorteil ist, ist die Erfahrung. Ich glaub, das Vertrauen ist einfach noch mal stärker geworden. Seltsamerweise habe ich das Gefühl, wir sind enger zusammengewachsen, obwohl wir uns nicht sehen. Einfach, weil wir uns viel beieinander melden und wir viel Kontakt haben.

Was war der beschissenste Moment für dich bis jetzt in der Fernbeziehung? 

Ja also ganz klar, als wir uns gestritten haben. Dieses eine Mal, wo es die eine Woche einfach nicht so lief und ich nicht zu dir konnte, wegen Corona, weil ich keinen Flug buchen konnte und dann auch meinen Urlaub verschieben musste und alles. Das war kein Scheiß-Tag oder ein Scheiß-Moment, das war einfach eine Scheiß-Woche.

Und was war der schönste Moment bis jetzt? 

Ich glaube, der schönste Moment war, als ich dir die Blumen geschickt habe und du mich angerufen hast und du so glücklich warst*. Das war für mich glaub ich, der schönste Moment.

Hast du irgendwelche Tipps für jemand, dem eine Fernbeziehung bald bevorsteht? 

Ja mach’s nicht! (lacht) 

Gianni! 

Ja, was denn. Ja, also Tipps, … deine Schwester hat mir relativ gute Tipps damals, [kurz bevor du ins Ausland bist] gegeben. Den Tipp, dass man feste Zeiten ausmacht. Was auch nicht immer geht, aber das man sich einfach Zeit füreinander nimmt. Das man auch, wenn es mal nicht klappt mit dem Telefonieren oder der andere auch mal länger nicht antwortet, warum auch immer, also wegen Zeitverschiebung oder etwas anderem, dass man deshalb nicht sofort frustriert ist und den Frust in sich hineinfrisst oder dass man dem anderen deshalb böse ist. Das führt dann einfach zu Streit und das ist madig.
Was noch? Also das mit den Briefen von dir, das fand ich sehr schön von dir*. Auch wenn meiner nie angekommen ist (lacht)**. So kleine Aufmerksamkeiten einfach, ob man sich Blumen schickt oder einfach nur mehr Fotos sendet. Dass man zum Beispiel, wenn man merkt, der Partner hat hunger, dass man ihm Essen schickt***, das ist ja heutzutage alles möglich. Das man zusammen Filme schaut, wie wir es gemacht haben****. Einfach Telefonieren und Skypen. Also wir haben ja das Glück, dass eine Fernbeziehung relativ einfach noch ist und man nicht wie im 18. Jahrhundert auf Briefe warten muss, die drei Monate dauern, bis sie ankommen.*****

 

 

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