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Ein Liebesbrief an Bergen

Orte verändern einen. Besonders aber die Menschen, mit denen ich ganz viel an diesem Ort erlebt habe. Mein Auslandssemester im norwegischen Bergen ist kurz vor Weihnachten geendet. Begreifen kann ich das noch nicht, mein Herz ist immer noch zwischen den Fjorden und Zimtschnecken in Bergen. Was passt da besser als ein Liebesbrief gewidmet an Bergen, Norwegen und mein Erasmus-Semester. Here we go!

Liebes Bergen,

hier sitze ich nun wieder zu Hause auf dem Sofa, schaue in die Weiten vom Münsterland, die so langsam vor meinen Augen verschwimmen. Tränen. Ich weine sehr selten, immer nur dann, wenn mir etwas sehr viel bedeutet. Und das tust du. Unfassbar viel!

Weißt du noch als wir uns das erste Mal kennengelernt haben? Es war der 28. Juli in diesem Sommer. Empfangen hast du meine Familie und mich mit strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel – wie untypisch von dir! Ich saß in der Bybanen und habe das erste Mal deine süßen Gassen mit all den weißen Holzhäusern, Seen und Parks gesehen. Meine Mundwinkel zogen sich von alleine nach oben, meine Augen strahlten – es war Liebe auf den ersten Blick.

Ich hatte nie Angst vor der Zeit mit dir, ich war eher glücklich endlich rauszukommen. In der Hoffnung, in deiner Umgebung eine Art Neustart hinzulegen, mehr ich selbst zu sein. Und wie du weißt, hat das tatsächlich funktioniert. Besser als ich es mir jemals erträumen konnte. 

Häuserfront des Hafens von Bergen
So hast du mich begrüßt, weißt du noch? In diesen Anblick vom Hafen habe ich mich direkt verliebt.

Von dem Stress, den ich die Monate vor meinem Semester in Norwegen hatte, habe ich leider noch etwas in die ersten Wochen mitnehmen müssen. Warum muss deine Uni denn auch schon im August starten? Ich war doch noch nicht mal fertig mit dem Semester in Münster! Du hast mich da am Anfang echt gechallenged, um ehrlich zu sein. Alte Prüfungen, Welcome Week, Kursstart, ganz viele neue Menschen, die es kennenzulernen galt und dann auch noch dein traumhaftes Spätsommer-Wetter. Das alles unter einen Hut zu bekommen, wenn ich eh schon auf der Kippe zum Burnout stand, war nicht einfach. Aber ich habe es geschafft und darauf bin ich mehr als stolz. Jetzt weiß ich, zu was ich alles fähig bin, aber auch wo meine Grenzen liegen. Danke dafür!

Wenn wir schon mal das Wetter anreißen: Bergen, du bist bekannt als regenreichste Stadt Europas, also bin ich mit genau dieser Erwartung zu dir gekommen, dass es immer regnen wird. Überraschung! Es war nicht so! Natürlich hast du uns so einiges an Nässe beschert. Zwischen September und November dachte ich manchmal, es hört gar nicht mehr auf. Aber auch der Regen hatte etwas Beruhigendes, fast schon Therapeutisches. Er hält zumindest auch niemanden auf rauszugehen Ich habe noch nie eine so belebte Stadt bei Regen erlebt. Schön zu sehen, was Mentalität so ausmacht. 🙂

Aber wie fantastisch waren bitte deine Sonnentage und -stunden?! Norwegens Sommer und goldener Herbst ist echt auf einem anderen Level schön. Die ganzen süßen Häuser strahlten mit der sich auf den Fjorden spiegelnden Sonne und den glücklichen Gesichtern um die Wette. Darunter auch unsere (und meines leider doch manchmal mit Sonnenbrand – danke dafür haha)

Wow, hatten wir viel Spaß! Dass ich so viel neben der Uni erleben kann, hätte ich niemals gedacht. Ich bin dir für all die Abenteuer mit vielen Herzensmenschen so unendlich dankbar. Deine wahrhaftig bergige Landschaft, die tiefen Fjorde, stillen Seen und unberührte Natur raubten mir jedes Mal den Atem. Wie oft haben wir uns alle angelächelt, den Kopf geschüttelt und voller Staunen und Dankbarkeit gesagt: „Wow! I can’t. This is the most beautiful thing I’ve ever seen. So breathtakingly stunning…”. (Danke übrigens auch für deine schlauen Einwohner, die alle wunderbar fließend Englisch sprechen!).

Ich meine, wer hat schon sieben Berge, Fjorde und das Meer direkt vor der Haustür? Eine Stadt unbegrenzter Möglichkeiten, sogar mit Chancen auf Nordlichtern und Schnee (entgegen den Stimmen der Einheimischen!). Das einzige, vor dem ich Respekt hatte, bevor ich zu dir gekommen bin, war das Wandern. Noch nie zuvor bin ich in die Berge gefahren, meine Familie war eher so „Typ Strandurlaub“. Aber durch deine Landschaft habe ich das Wandern doch lieben gelernt. Naja, mit ganz vielen Treppen kannst du mich immer noch jagen, aber ich hatte sowohl tagsüber als auch nachts super viel Spaß – auch wenn es oft sehr kalt wurde. 

Ich habe in deiner Zeit so viel Neues ausprobiert und öfter JA gesagt als jemals zuvor. Du hast mir gezeigt, dass ich auch beides sein kann: Organisiert und abenteuerlich. Ich habe vor meinem Auslandssemester zwischendurch vergessen, zu leben – der Spaß kam zu kurz. Das hat sich nun durch diese Zeit geändert und ich hoffe, dass ich das auch so beibehalten kann. Ich habe mich nämlich noch nie so frei und glücklich gefühlt, wie in meiner Zeit in Norwegen. Deine Zimtschnecken haben dazu einen beachtlichen Teil beigetragen, glaub mir. 😉

Du hast in mir Seiten herausgebracht, die ich vorher noch nicht kannte. Mir damit nochmal mehr gezeigt, wer ich bin und wer ich sein möchte. Mir tat es so gut in einer WG im Studentenwohnheim zu leben und einfach liebe und lustige Menschen um mich zu haben. Aber auch noch ein Zimmer mit einer anderen Person zu teilen, war mir dann ab und an doch zu viel. 24/7 sozial sein, das kann ich dann doch nicht – ich brauche meinen Rückzugsort. Und doch danke ich dir für diese Erfahrungen, denn ich hatte einiges an Spaß mit meinen Mitbewohner:innen. Weißt du noch die vielen Taylor Swift Konzerte und Tanzeinlagen währenddessen mit italienischem Akzent die News reinkam „Guys, guys!! The Queen is dead!“. Ja guuut, sowas passiert auch nur einmal, richitg?

Genau wie ganz viele andere einzigartige Erlebnisse, die ich mitnehmen durfte. Im Fjord schwimmen war wahnsinnig cool, bis du uns gezeigt hast, dass es auch im Sommer echt kalt im Wasser ist und deine Felsen doch manchmal gefährlich spitzt sind (danke auch für die süße Narbe an meinem Schienbein!). Deine Landschaften auf eigene Faust zu erkunden ist das Beste, was wir gemacht haben. Doch bei 0 Grad im Auto zu schlafen und wegen eingefrorener Nase nicht schlafen zu können, muss ich jetzt nicht nochmal machen haha. Ach, und eine Schlittenfahrt mit Rentieren übrigens auch nicht – die Tiere beobachte ich doch lieber von weitem bevor sie unseren Schlitten nochmal umkippen und austreten. Das sind Erfahrungen, die ich trotzdem immer in meinem Herzen tragen werde, da ich diese nicht alleine, sondern mit den besten Menschen teile und wir danach Tränen gelacht haben.

Und das ist der Punkt. Wir alle wollten jetzt am Ende nicht, dass unsere gemeinsame Zeit mit dir endet. Aber länger bleiben wäre auch nur eine Option gewesen, wenn wirklich alle dort bleiben und keiner nach Hause geht. Die Menschen, die du in mein Leben gelassen hast, all die wertvollen Freundschaften, die ich durch dich dazu gewonnen habe, haben mein Auslandssemester ganz klar geprägt. Ich könnte dir dafür nicht dankbarer sein! 

Du weißt, ich hatte es nicht immer leicht, die richtigen Menschen in meinem Leben zu finden. Ich dachte mehr als einmal, irgendwas muss doch mit mir nicht stimmen. Warum finde ich keine Menschen, die bestimmte Eigenschaften und Interessen mit mir teilen, mich in einigen Dingen einfach verstehen, an mich glauben und mich so akzeptieren wie ich bin? Versteh mich nicht falsch, ich habe wundervolle Freund:innen über die letzten Jahre gefunden, die ich von Herzen gern habe und für dich in wahnsinnig dankbar bin. Was mir gefehlt hat, war das Gefühl, integriert zu sein, Teil von etwas zu sein. 

Ich habe schon zu Anfang gemerkt, dass die Dynamik bei dir eine ganz andere ist. Auf mein Bauchgefühl bei den vielen neuen Bekanntschaften zu vertrauen, war die beste Entscheidung. Denn dadurch sind Beziehungen zu unfassbar herzlichen Menschen entstanden, die über Ländergrenzen hinausgehen und in mir genau das Gefühl der Integrität erweckt haben. Wie eine zweite (größere) Familie war das für mich, an einem Ort, der sich richtig heimelig angefühlt hat.

Bergen, Norwegen, du bist für mich in den letzten fünf Monaten zu einem Zuhause geworden, das ich für immer in meinem Herzen tragen werde. All die Erlebnisse dieser Zeit haben mich als Person geprägt, mich zum Positiven verändert und werden somit immer Teil von mir sein. Ich durfte so viel über mich, andere Menschen und Kulturen lernen. Dafür bin ich unendlich dankbar! 

Irgendwie realisiere ich noch nicht, dass ich dich, deine Berge und all meine internationalen Freund:innen nicht mehr so schnell wiedersehen werde. Aber ich verspreche dir von ganzem Herzen, dass ich dich in den nächsten Jahren besuchen komme. Ich habe einiges von deinem Land gesehen, aber noch längst nicht alles. Es gibt so viele Gründe, dich wiederzusehen… 

Einer reicht aber schon völlig aus: Du hast mir bis jetzt mit Abstand die schönste Zeit meines Lebens beschert! 

DANKE. Für alles.

Ach, und bevor ich es vergesse: 

Ich hoffe, du freust dich über meinen Lieblingsohrring und ein Paar von Omas selbstgestrickten Kuschelsocken, die ich dir unfreiwillig in deinem Fjord und in deiner Schwester-Stadt Tromsø hinterlassen habe. Sieh es als liebevolles Geschenk an! 🙂

Und schenke deinen Einwohnern für all die Tränen, die ich gerade vergieße, bitte ein bisschen Schnee und mal keinen Regen. Ich weiß, dass du das kannst. Danke!

Bis ganz bald <3

Ganz viel Liebe, Nora 

Hast du noch Fragen?

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