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Ein Städtchen, ein Staat und der Abschied naht


Meine Zeit hier in Anchorage neigt sich schon dem Ende. Umso weniger die Tage werden, umso schneller scheinen sie vorbei zu gehen. Wo sind nur die letzten acht Monate geblieben? Ich freu mich auf zu Hause und doch möchte ich hierbleiben. Aber was macht diesen Ort so besonders, dass er dieses Gefühlschaos in mir auslöst.

Die Menschen in Anchorage sind schon so ein Völkchen für sich. Obwohl die Stadt knapp 300.000 Einwohner hat, ist es wie ein Dorf. Jeder kennt jeden irgendwie über fünf Ecken. Wer jetzt aber denkt, dass man ständig umgeben von Leuten ist, der irrt sich. Flächenmäßig gesehen ist Alaska der größte Staat und somit ist es sehr einfach für sich allein zu sein, zu wandern und die Natur und Tierwelt hautnah zu erleben. Wenn du ganz oben auf einem der Chugach Range Mountains stehst, die wunderbare Aussicht genießt, tief einatmest, denkst du: Es gibt keinen schöneren Ort auf der Welt und die Luft kann nicht frischer und sauberer sein als an diesem Fleck.

Es ist schwer an frisches Obst und Gemüse zu kommen und bei den Preisen im Supermarkt fielen mir manchmal fast die Augen aus dem Kopf, aber dafür gibt es eine unzählige Auswahl an Fisch und Meeresfrüchten: Heilbutt, Lachs, Krabben, Garnelen und Jakobsmuscheln. All das landete mindestens einmal die Woche auf meinem Teller. Meistens ist alles natürlich auch selbst gefangen. Die Fischliebhaber stehen schon in den Startlöchern und zählen die Tage, wenn im Mai die Lachssaison beginnt.

Schicke Klamotten und die neuesten Modetrends? Nein, danke. Es gibt nur einen Trend, dem alle nachgehen, der nennt sich „Pretty Lumberjacks“ (dt. hübsche HolzfällerInnen). Flanellhemden, Wollsocken, Gummistiefel und Wanderschuhe sind bequem, hip und vor allem eins: praktisch. Falls die Heizung in der Schule ausfällt, du Ende März von einem weiteren Wintereinbruch überrascht wirst oder dein Auto im Schneechaos im Straßengraben stecken bleibt, bist du vorbereitet und frierst dir nicht die Zehen ab.

Ich bin kein Kaffeeliebhaber, besser sollte ich sagen: ich WAR keiner. Denn eins habe ich gelernt hier, Kaffee ist überlebenswichtig. Die Wintermonate sind dunkel, kalt und können dich depressiv machen. Im Sommer ist es genau das Gegenteil, manchmal scheint es, als würde die Sonne nie untergehen und du möchtest wach bleiben, weil es so viel zu entdecken gibt. Anchorage ist nicht zu Unrecht die Kaffeestadt Nummer 1 in den USA.

Anchorage, Alaska du bist wunderbar: die täglichen Elchbesuche an meinem Fenster, die Ausschau nach Nordlichtern und die ganze Schönheit, die du mit dir bringst, wird mir fehlen. Meine ersten Tage hier scheinen ewig lange her zu sein und doch verging die Zeit wie im Flug. Und somit heißt es nächste Woche für mich mit einem weinenden und einem lachenden Auge Abschied von diesem einzigarten Ort zu nehmen.

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